Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuerpflicht für eine Ausgleichszahlung an einen Handelsvertreter – Anforderungen an das Vorliegen einer Handelsvertretereigenschaft
Leitsatz (redaktionell)
- Steht eine von einem Handelsvertreter als Untervertreterin eingeschaltete GmbH, die er zu diesem Zweck unter Übertragung seines Betriebsvermögens errichtet hat, nicht in einem unmittelbaren Vertragsverhältnis zum Hauptunternehmer, so ist der Untervertreter im Rahmen des fortbestehenden Gewerbebetriebs des Hauptvertreters dessen Erfüllungsgehilfe.
- Bei direkten Provisionszahlungen des Unternehmers an die Untervertreterin handelt es sich in diesem Fall um Zahlungen des Unternehmers an den Hauptvertreter und zugleich um Zahlungen des Hauptvertreters an die Untervertreterin im abgekürzten Zahlungsweg.
- Der auf die Vermittlungstätigkeit der Untervertreterin entfallende Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB unterliegt bei dieser Sachlage als Gewerbeertrag des Hauptvertreters der Gewerbesteuer.
Normenkette
GewStG § 2 Abs. 1; EStG § 15 Abs. 2 S. 1; HGB § 84 Abs. 1 S. 1, Abs. 3, §§ 87c, 89b
Streitjahr(e)
1995
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob eine Ausgleichszahlung, die die Klägerin als Handelsvertreterin 1995 erhalten hat, der Gewerbesteuer unterliegt.
Die Klägerin schloss im Jahr 1978 mit der Fa. A.-GmbH einen Handelsvertretervertrag. In der Folgezeit war sie als Handelsvertreterin für Textilien selbstständig tätig. Die Erträge ihres Unternehmens unterwarf sie der Gewerbesteuer.
Auf Grund eines notariell beurkundeten Vertrages vom 15. Mai 1985 errichtete die Klägerin die B. C.-GmbH, deren alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin sie war. Gegenstand des Unternehmens war die Vermittlung von Handelsgeschäften, insbesondere von Textilien. Mit dieser GmbH schloss die Klägerin ebenfalls am 15. Mai 1985 einen „Handelsvertretungs-Vertrag für Untervertreter”. Danach betraute die Klägerin als Hauptvertreter die GmbH als Untervertreterin mit der Vertretung der von ihr betreuten Firmen, entsprechend der mit diesen geschlossenen Verträgen. Die GmbH sollte von der Klägerin 100 % der von den vertretenen Unternehmen gezahlten Provisionen erhalten (§ 3 des Vertrages). Die Untervertreterin war verpflichtet, dem Hauptvertreter – also der Klägerin – von jeder Geschäftsvermittlung und jedem Geschäftsabschluss unverzüglich Mitteilung zu machen und ihn bei der Erkundung über die Kreditfähigkeit der Abnehmer zu unterstützen sowie alle Aufwendungen, die dem Hauptvertreter bei der Vertretung der Auftraggeber entstehen, zu erstatten (§ 9 des Vertrages). Die Klägerin sollte der GmbH monatlich eine Provisionsabrechnung für alle provisionspflichtigen Beträge erteilen, die in den Provisionsabrechnungen der von ihr vertretenen Firmen enthalten sind (§ 6 des Vertrages). Der der Untervertreterin zustehende Provisionsübertrag war zahlbar, nachdem die Klägerin die Provisionszahlung erhalten hatte. Nach § 7 des Vertrages endete im Fall der Beendigung des Vertragsverhältnisses zwischen dem „Handelsvertreter” und den vertretenen Firmen zugleich die Verpflichtung der Untervertreterin, Geschäftsabschlüsse zu vermitteln.
Am 30. Juni 1985 verkaufte und übertrug die Klägerin ihr gesamtes Aktiv- und Passivvermögen auf die GmbH. Im Gegenzug übernahm die GmbH die Verpflichtungen der Klägerin aus ihrem Handelsvertretungsunternehmen. Der Saldo zwischen dem übertragenen Aktiv- und Passivvermögen wurde dem bei der GmbH geführten Gesellschafter-Kontokorrentkonto der Klägerin gutgeschrieben. Ferner wurde in der Vereinbarung vom 30. Juni 1985 festgehalten, dass die A.-GmbH sich mit dem Untervertretungsvertrag vom 15. Mai 1985 einverstanden erklärt habe und der Übernahme der Vertretung durch die B. C.-GmbH zugestimmt habe. Die folgenden Provisionsabrechnungen würden auf die GmbH ausgestellt.
Der Beklagte (das Finanzamt – FA –) setzte den Gewerbesteuermessbetrag 1985 für die Klägerin auf 0 DM fest. In den Folgejahren erließ das FA für die Klägerin keine Gewerbesteuermessbescheide mehr, sondern setzte ausschließlich Gewerbesteuermessbeträge für die GmbH fest. Nach Auflösung des Vertragsverhältnisses zwischen der Klägerin und der A.- GmbH erhielt die Klägerin auf Grund einer Einigung vom 01. Februar 1995 über die Höhe des Ausgleichsanspruchs nach § 89b des Handelsgesetzbuchs (HGB) einen Betrag von 759.729,49 DM (660.634,34 DM zuzüglich Umsatzsteuer). Bei der Ermittlung des Ausgleichsanspruchs legten die Vertragsparteien die Umsätze 1989 bis 1994 zu Grunde. Die B. C.-GmbH wurde in der Folgezeit liquidiert und ist seit 1998 voll beendet.
Das FA erfasste im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 1995 die Ausgleichszahlung erklärungsgemäß unter Anwendung des ermäßigten Steuersatzes. Am 07. Oktober 2002 erließ es gegenüber der Klägerin den hier streitigen Gewerbesteuermessbescheid 1995, bei dem es einen Gewinn aus Gewerbebetrieb i.H.v. 759.729 DM ansetzte.
Während des sic...