Entscheidungsstichwort (Thema)
Regulärer oder ermäßigter Umsatzsteuersatz bei Überlassung von Individualsoftware zur Bibliotheksverwaltung
Leitsatz (amtlich)
Die Überlassung einer speziellen Software für die Bibliotheksanwendung als Informationssystem sowie die Anpassung für den einzelnen Kunden und die damit zusammenhängenden Leistungen (u. a. Erstinstallation und Pflege der Software, Basisschulungen, zusätzliche Programmierungen beim Anwender, Generierung usw.) unterliegen umsatzsteuerlich dem Regelsteuersatz, wenn zwischen Anbieter und Kunde eine gesonderte Übertragung von Urheberrecht nicht ausdrücklich vereinbart wird.
Normenkette
UStG § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c, Abs. 1; UrhG § 15 Abs. 1, §§ 69a, 69b, 69c, 69d
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin die Entgelte für die Nutzungsüberlassung der von ihr entwickelten Software gem. § 12 Abs. 2 Nr. 7 c Umsatzsteuergesetz (UStG) mit dem ermäßigten Steuersatz von 7 % oder mit dem Regelsteuersatz zu besteuern hat.
Die Klägerin hat sich auf die Erstellung von Programmen zur Bibliotheksverwaltung („X”) spezialisiert. Sie hat ca. 1.500 vorgefertigte Programmbestandteile („Module”) entwickelt, die entsprechend den Wünschen der Auftraggeber individuell zusammengestellt und verbunden werden. Die Abnehmer erhalten ein für ihre speziellen Bedürfnisse erstelltes Computerprogramm, das von anderen Kunden der Klägerin in dieser Form nicht genutzt werden kann.
Das Programm der Klägerin wird abhängig von den Bedürfnissen der jeweiligen Bibliothek und den dort eingesetzten Rechnern bzw. Betriebssystemen mit unterschiedlichem Leistungsumfang angeboten. Es ist einsetzbar auf MS-DOS-Systemen, auf NOVELL-Rechnern, auf UNIX-Rechnern, auf VMS-Rechnern und auf Großrechnern. Beim Einsatz auf Netzwerkrechnern sind sowohl in der Installationsvorbereitungsphase als auch bei den individuellen Anpassungen des Programmes und der Generierung an die Kundenbedürfnisse erhebliche individuelle Leistungen zu erbringen.
Bei der individuellen Anpassung und Generierung des Programms an die Kundenbedürfnisse werden neue oder veränderte Felder und deren Recherchierbarkeit hergestellt, Tabellen und Tokenlisten eingerichtet, individuelle Eingabemasken gemäß den Bearbeitungsabläufen und Katalogisierungsgewohnheiten gestaltet, außerdem werden individuelle Ausgabeformate, individuelle Parameter und Anfangswerte definiert, Doublettenprüfverfahren, Plausibilitätsprüfroutinen und Prüfziffern – Algorithmen programmiert.
Während der Installation der Programmbestandteile wird die Lauffähigkeit des Programms in der kundenspezifischen Betriebssystemumgebung hergestellt und werden Zugriffsrechte eingerichtet. Jeder Kunde erhält eine nach seinen Wünschen und individuellen Bedürfnissen zusammengestellte Software, die in dieser Form kein weiteres Mal auf einem Kundenrechner existiert.
Die Klägerin erbringt ihre Leistungen auf der Grundlage von Software-Überlassungs- und Pflegeverträgen (vgl. Anlagen 13 bis 14) entsprechend der Leistungsbeschreibung (vgl. Anlagen 1 bis 4). Gegenstand des Software-Überlassungsvertrages ist die Zurverfügungstellung der für den Kunden individuell entwickelten bzw. zusammengestellten Software. Diesen Verträgen liegen regelmäßig die besonderen Vertragsbedingungen für die Überlassung von DV-Programmen (BVB-Überlassung und BVB-Pflege) zugrunde. Auf Anlagen 16 und 17 wird Bezug genommen. Nach § 5 Absatz 2 BVB-Überlassung wird bei Abschlüssen nach dem Vertragstyp II, der in den meisten Fällen von der Klägerin gewählt wird, die Funktionalität des Programms gewährleistet (vgl. § 7). Die Rechte der Auftraggeber an den Programmen bestimmen sich nach § 3 der BVB-Überlassung. Danach räumt der Auftragnehmer dem Auftraggeber „ein nicht ausschließliches und nicht übertragbares Recht zur Nutzung der in der Leistungsbeschreibung aufgeführten Programme auf den in der Leistungsbeschreibung angegebenen EDV-Anlagen und Geräten” ein.
Gegenstand des Pflegevertrages ist die Pflege des überlassenen EDV-Programms. Aufgrund des Pflegevertrages hat der Abnehmer einen Anspruch darauf, daß die überlassenen Programme jeweils an den neuesten Stand der Technik oder Gesetzgebung angepaßt werden. In der Praxis werden Überlassungsvertrag und Pflegevertrag gleichzeitig abgeschlossen.
Neben den Entgelten für die Überlassung (Nutzung) und Pflege der Software erzielt die Klägerin Betreuungsentgelte, Entgelte für Dienstleistungen, für Schulungen und für Installation.
Von den vorangemeldeten Umsätzen für Januar 1994 entfielen auf Nutzungsentgelte … DM, auf Pflegeentgelte … DM, auf Betreuungsentgelte … DM, auf Dienstleistungen … DM, auf Schulungsentgelte … DM und auf Installationsentgelte … DM (jeweils Netto-Umsatz). Bei den Installationsentgelten handelt es sich um Leistungen, die im Zusammenhang mit der Erstinstallation der Software erbracht werden. Im Regelfall handelt es sich um eine Arbeitsleistung von ungefähr 3-Mann-Tagen. Diese Installationskosten werden sowohl in den Angeboten wie auch in den Rechnungen ...