Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermäßigter Umsatzsteuersatz für Verpflegungsleistungen eines Hotels im Zusammenhang mit Übernachtungsleistungen. ernstliche Zweifel bei von der Rechtsprechung noch nicht geklärter Rechtsfrage
Leitsatz (redaktionell)
1. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob mit Übernachtungsleistungen zusammenhängende Verpflegungsumsätze eines Hotelbetriebs dem Regelsteuersatz unterliegen, weil sie nicht unmittelbar der Vermietung dienen, oder ob sie als Nebenleistungen zu den Übernachtungsleistungen dem ermäßigten Steuersatz zu unterwerfen sind.
2. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Bescheides sind auch dann gegeben, wenn eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von einer in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärten Beurteilung abhängt. Dies ist der Fall, wenn der BFH die streitige Rechtsfrage noch nicht entschieden hat und in der Rechtsprechung der FG und in der Fachliteratur insoweit unterschiedliche Auffassungen vertreten werden.
Normenkette
UStG § 12 Abs. 1, 2 Nr. 11; FGO § 69 Abs. 3 S. 1, Abs. 2 S. 2
Tenor
1. Die Vollziehung des Umsatzsteuerbescheids für 2010 vom 13. April 2012 wird für die Dauer des Einspruchsverfahrens ausgesetzt.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
Tatbestand
I.
Streitig im Einspruchsverfahren ist, ob Verpflegungsleistungen eines Hotels im Zusammenhang mit Übernachtungsleistung dem ermäßigten Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) unterliegen.
Die Antragstellerin erzielt steuerpflichtige Umsätze aus dem Betrieb von Hotels. Sie bietet Übernachtungen und Verpflegungsleistungen wie Halb- und Vollpension sowie „All-Inklusiv” an. In der Umsatzsteuererklärung für 2010 wendete sie für mit Übernachtungsleistungen zusammenhängende Verpflegungsumsätze in Höhe von insgesamt … EUR netto den ermäßigten Steuersatz an und erklärte unter Ansatz von Umsätzen zum allgemeinen Steuersatz in Höhe von … EUR und zum ermäßigten Steuersatz in Höhe von … EUR eine zu zahlende Umsatzsteuer in Höhe von … EUR.
Der Antragsgegner (das Finanzamt) ging davon abweichend von Umsätzen zum allgemeinen Steuersatz in Höhe von … EUR und zum ermäßigten Steuersatz in Höhe von … EUR aus, weil der Steuersatz für Verpflegungsleistungen bei Beherbergungen 19 % betrage und setzte mit Steuerbescheid vom 13. April 2012 die Umsatzsteuer für 2010 auf … EUR fest.
Über den hiergegen eingelegten Einspruch ist noch nicht entschieden. Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte das Finanzamt mit Verfügung vom 7. Mai 2012 ab. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies es mit Einspruchsentscheidung vom 3. Juli 2012 als unbegründet zurück.
Mit dem bei Gericht gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung weist die Antragstellerin auf Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) und des Bundesfinanzhofs (BFH) hin, wonach es sich bei der Verpflegung von Hotelgästen um eine Nebenleistung zur Übernachtung handele. Ebenso seien zur Frage der Einheitlichkeit der Leistungen bei Hotelleistungen zwei Revisionen beim BFH anhängig. Außerdem widerspreche die deutsche Gesetzesauslegung der Rechtsprechung des EuGH zur Richtlinie 77/388/EWG.
Die Antragstellerin beantragt,
die Vollziehung des Umsatzsteuerbescheids für 2010 vom 13. April 2012 in Höhe von … EUR auszusetzen.
Das Finanzamt beantragt,
den Antrag abzulehnen
und nimmt hierzu auf die Einspruchsentscheidung vom 3. Juli 2012 Bezug.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten des Finanzamts und die von den Beteiligten im Verfahren eingereichten Schriftsätze verwiesen.
Entscheidungsgründe
II.
Der Antrag ist begründet.
An der Rechtmäßigkeit des Umsatzsteuerbescheids vom 13. April 2012 bestehen ernstliche Zweifel im Sinne von § 69 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. mit Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO).
1. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne sind anzunehmen, wenn bei überschlägiger Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes im Aussetzungsverfahren neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Gründen gewichtige, gegen sie sprechende Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen bewirken oder Unklarheiten in der Beurteilung der Tatfragen aufwerfen. Die Aussetzung der Vollziehung setzt nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiegen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 6. Juni 2002 V B 110/01, BFH/NV 2002, 1736).
Deshalb sind ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Bescheides auch dann gegeben, wenn eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von einer in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärten Beurteilung abhängt (vgl. BFH-Beschlüsse vom 6. März 2000 V B 170/99, BFH/NV 2000, 1147, und vom 14. Oktober 2002 V B 60/02, BFH/NV 2003, 87). Dies ist der Fall, wenn der BFH die streitige Rechtsfrage noch nicht entschieden hat und in der Rechtsprechung der Finanzgerichte und in der Fachliteratur insowe...