Entscheidungsstichwort (Thema)
Vermittlungstätigkeit im Rahmen eines mehrstufigen Vertriebssystems
Leitsatz (amtlich)
1. Der Senat folgt der Rechtsprechung des EuGH und des BFH zum Begriffsinhalt der (steuerfreien) Vermittlungstätigkeit:
2. Eine Vermittlung besteht darin, das Erforderliche zu tun, damit zwei Parteien einen Vertrag über das jeweilige Finanzprodukt abschließen. Die Vermittlung kann in einer Nachweis-, einer Kontaktaufnahme- oder in einer Verhandlungstätigkeit bestehen. Gemeinsames Merkmal dieser Mittlertätigkeiten ist der Bezug zu einzelnen Wertpapier- oder Anteilsumsätzen. Sowohl der Nachweis von Gelegenheiten zum Abschluss eines Vertrages als auch die Kontaktaufnahme mit der anderen Partei oder das Verhandeln über die Einzelheiten der gegenseitigen Leistungen setzen voraus, dass sich die Mittlertätigkeit auf ein einzelnes Geschäft, das vermittelt werden soll, bezieht.
3. Auch aus der Freiheit des Organisationsmodells ergibt sich keine über die Vermittlung von Einzelabschlüssen hinausgehende Steuerfreiheit für Vertriebstätigkeiten allgemeiner Art. Eine Vermittlungstätigkeit liegt mithin nicht vor bei Marketingaktivitäten und Werbeaktivitäten, die darin bestehen, dass sich ein Vertriebsunternehmen nur in allgemeiner Form an die Öffentlichkeit wendet. Die Prüfung von Unterlagen auf Vollständigkeit und Plausibilität ist bloße Sacharbeit, nicht aber steuerbefreite Vermittlungstätigkeit.
4. Die vorgenannten Rechtsprechungsgrundsätze gelten auch dann, wenn zu prüfen ist, ob ein Unternehmer Hauptvermittler (mit Untervermittlern) ist. Es muss demgemäß eine einzelfallbezogene Einwirkungsmöglichkeit bestehen, die vorliegend nicht gegeben war.
Normenkette
UStG § 3 Abs. 11, § 4 Nr. 8 Buchst. e, f; EWGRL 388/77 Art. 13 Teil B Buchst. d Nrn. 1 bis 5
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin mit ihrer Tätigkeit in vollem Umfang steuerfreie Vermittlungsleistungen i.S.d. § 4 Nr. 8 Buchst. e bzw. Nr. 8 Buchst. f UStG erbringt. Die Klägerin ist in den Vertrieb von Aktienfonds angelsächsischer Investmentgesellschaften involviert.
Die Klägerin ist eine Kapitalgesellschaft in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft. Sie entstand durch formwechselnde Umwandlung (notarieller Vertrag vom 24.08.2000) aus der ehemaligen N (Deutschland) Investmentfondsvermittlungsgesellschaft mbH. Der ursprüngliche Gegenstand des Unternehmens (Satzung vom 24.08.2000), die gewerbsmäßige Vermittlung des Abschlusses von Verträgen über den Erwerb von ausländischen Investmentanteilen sowie der Nachweis der Gelegenheit zum Abschluss solcher Verträge, wurde durch Änderungssatzung (19.12.2006) präzisiert bzw. ergänzt. Der satzungsmäßige Unternehmensgegenstand wurde wie folgt neu definiert:
Gegenstand des Unternehmens ist die Vermittlung des Abschlusses von Verträgen über den Erwerb von nach dem Investmentgesetz zum öffentlichen Vertrieb zugelassenen Anteilen an in- und ausländischen Investmentvermögen zwischen Kunden und
- einem Institut im Sinne des Gesetzes über das Kreditwesen (KWG);
- einem nach § 53 b Abs. 1 oder Abs. 7 KWG tätigen Unternehmen;
- einem Unternehmen, das aufgrund einer Rechtsverordnung nach § 53 c KWG gleichgestellt oder freigestellt ist oder
- einer Investmentgesellschaft,
der Nachweis der Gelegenheit zum Abschluss solcher Verträge sowie die darauf bezogene Anlageberatung. Die Gesellschaft ist nicht befugt, sich bei der Erbringung dieser Finanzdienstleistungen Eigentum oder Besitz an Geldern oder Anteilen von Kunden zu verschaffen.
Im Zeitraum vom 19.06.2007 bis 17.11.2008 fand bei der Klägerin eine Außenprüfung statt. Diese stellte im Rahmen der Prüfung den nachfolgenden - unstreitigen - Sachverhalt fest:
Vor dem Hintergrund ihres satzungsmäßigen Geschäftszwecks schlossen die Klägerin und ihre Schwestergesellschaft, die N AG mit Sitz in Liechtenstein, verschiedene Ver-triebsverträge ab. Die N AG ist Inhaberin vertraglich gesicherte Alleinvertriebsrechte der US-amerikanischen Fondsgesellschaften A Funds und D Funds. Für den deutschsprachigen Raum beauftragte die N AG die Klägerin mit dem Vertrieb der Fondsanteile. Die Einzelheiten sind in Vertriebsverträgen zwischen den beiden Schwestergesellschaften vom 10./14.5.1994 (A Fund, Bl. 153 ff. BP-Akte), vom 14.03.1995 (D Funds, Bl. 169 f. BP-Akte) und vom 17./22.09.1996 (A, Bl. 159 ff. BP-Akte) sowie in verschiedenen Nachträgen zu diesen Vereinbarungen in den Folgejahren fixiert.
Die Klägerin berät Kunden und Interessenten in Deutschland im Zusammenhang mit Kapitalanlagen in Investmentfonds. Sie bedient sich zur Vermittlung dieser Fondsanteile für sie tätiger selbständiger Vermittler. Diese werden gemäß Vertriebsvertrag von der Klägerin durch Mitarbeiterschulungen, durch Zurverfügungstellung von Werbematerial und Prospekten sowie Kaufanträgen in angemessenem Umfang, durch Erteilung von Auskünften und Informationen über Investmentfonds im Allgemeinen und die Fonds der beiden Fondsgesellschaften im Besonderen sowie durch Werbung und Öff...