Rz. 17
Stand: EL 135 – ET: 08/2023
Kein Arbeitszimmer iSv § 4 Abs 5 Satz 1 Nr 6b EStG sind Räumlichkeiten, die zwar in der Nähe der Wohnung liegen, aber ihrer Lage nach nicht in das häusliche Umfeld eingebunden sind (keine lokale Anbindung; > Rz 16/1) oder nach Ausstattung und Funktion nicht der Erledigung betrieblicher oder beruflicher Arbeiten vorwiegend büromäßiger Art dienen (keine funktionale Einbindung: > Rz 16/3). Für einen solchen Raum gilt das Abzugsverbot des § 4 Abs 5 Satz 1 Nr 6b EStG nicht (ggf ist aber § 12 Nr 1 Satz 2 EStG zu prüfen; > Rz 5).
Rz. 17/1
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Das kommt zB für ein Arbeitszimmer in einem benachbarten oder gar in einem entfernteren Gebäude in Betracht (EFG 1996, 220); oder für einen von den Wohnräumen durch eine Wand getrennten Raum mit eigenem, auch von fremden Personen genutzten Zugang (BFH/NV 2012, 1776) oder für eine in einem Mehrfamilienhaus zusätzlich zur Privatwohnung angemietete weitere Wohnung, die insgesamt so gut wie ausschließlich beruflich/betrieblich genutzt wird, weil der innere Bezug zur ersten Wohnung fehlt (BFH 211, 447 = BStBl 2006 II, 428). Auch die im Untergeschoss des privaten EFH eingerichteten Büroräume eines Gerichtsvollziehers, die über einen separaten Zugang mit eigener Klingel mit der Aufschrift "Obergerichtsvollzieher" und dem Landeswappen neben dem Eingang verfügen, sind kein häusliches Arbeitszimmer (FG BW vom 22.03.2017 – 4 K 3694/15, HaufeIndex 10 712 195).
Im Einzelfall kann von Bedeutung sein, welcher Teil der zu beurteilenden Räumlichkeiten – der wohnlich oder der betrieblich/beruflich genutzte Teil – dem Ganzen sein Gepräge gibt.
Beispiel:
A eröffnet in seinem EFH eine Steuerberaterpraxis; im EG hat A neben seinen Wohnräumen das Arbeitszimmer, ein kleines Wartezimmer, einen Aktenlagerraum sowie ein Empfangszimmer, in dem vormittags eine Aushilfskraft Büroarbeiten erledigt.
Bei einer Gesamtbetrachtung ist das Arbeitszimmer nicht Teil der Wohnung, sondern Teil der Praxis. Diese kann nicht insgesamt als häusliches Arbeitszimmer behandelt werden. Die gesamten Aufwendungen sind als > Betriebsausgaben zu berücksichtigen.
Rz. 18
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Ein Vollabzug der Aufwendungen ist auch für Räumlichkeiten zulässig, die der typischen funktionalen Bestimmung eines ‚häuslichen Arbeitszimmers’ nicht entsprechen. Dafür kommen beruflich/betrieblich genutzte Räume in Betracht, die ihrer Ausstattung und Funktion nach nicht einem Büro entsprechen und für Kunden, Mandanten oder Patienten leicht zugänglich sind. So zB für einen Lagerraum (vgl BFH 162, 82 = BStBl 1991 II, 208), die an die Wohnung angrenzende Backstube und weitere Betriebsräume (BMF vom 06.10.2017, Rz 5, BStBl 2017 I, 1320, > Anh 2 Arbeitszimmer), einen Ausstellungsraum (BFH/NV 2003, 1560), eine Werkstatt (vgl BFH/NV 1999, 41), ein Tonstudio (BFH 201, 27 = BStBl 2003 II, 185; BFH 203, 324 = BStBl 2004 II, 55), der Arbeitsraum eines Heimarbeiters (> Hausgewerbetreibende) oder die freiberufliche Praxis einer Sprachpädagogin (BFH/NV 1995, 875). Bei Notarztpraxen, die in die häusliche Sphäre eingebunden sind, kann eine private Mitbenutzung eines Raumes bereits aufgrund seiner Ausstattung und/oder seiner Zugänglichkeit durch dritte Personen ausgeschlossen sein (BFH 251, 408 = BStBl 2016 II, 265). Wenn der Raum als Behandlungsraum eingerichtet ist, er nachhaltig zur Behandlung von Patienten genutzt wird und aufgrund seiner Einrichtung und Nutzung eine private Mitnutzung fernliegend ist, begründet der Umstand, dass die Patienten den Raum nur über den privaten Flur erreichen können, keine Abzugsbeschränkung iSv § 4 Abs 5 Satz 1 Nr 6b EStG (BFH 268, 186 = BStBl 2020 II, 445). Gleiches gilt für die reguläre Beratungspraxis oder Kanzlei eines Angehörigen der beratenden Berufe (vgl BFH 200, 336 = BStBl 2003 II, 139 mwN; BFH/NV 2011, 1682); außerdem das für den ArbG unterhaltene Büro eines Försters (EFG 2015, 811; ergänzend > Rz 84). Auch eine Büroetage, die von zwei freiberuflich tätigen Gesellschaftern einer Gesellschaft, die Seminare durchführt, gemeinsam genutzt wird, ist kein häusliches Arbeitszimmer, wenn sie über das Treppenhaus zu erreichen ist und kein weiterer Zusammenhang zu den Wohnungen der Gesellschafter im selben Haus besteht (BFH/NV 2021, 181). Wie diese Beispiele zeigen, ist ergänzendes Beweisanzeichen Publikumsverkehr (BFH 211, 477 = BStBl 2006 II, 428; BFH/NV 2004, 1387; 944; 2007, 1650) oder ein Arbeitsplatz für familienfremde ArbN (> Rz 16/4). Unter diesen Voraussetzungen ist auch dann kein häusliches Arbeitszimmer gegeben, wenn eine PersGes oder eine KapGes wie zB eine GmbH ihre betriebliche Tätigkeit von einem Raum mit Bezug zur Privatwohnung des Geschäftsführers aus entfaltet.
Rz. 19
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Ob der beruflich genutzte Raum eine Betriebsstätte des Stpfl iSv § 12 AO ist (> Betriebsstätte Rz 7 ff [10]), hält der BFH für unerheblich (vgl BFH/NV 2010, 431 mwN). Die Einordnung als häusliches Arbeitszimmer führt überdies bei selbständig Tätigen nicht dazu...