Rz. 13
Stand: EL 119 – ET: 10/2019
Sind Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (zB ESt, LSt, KiSt, SolZ) bereits festgesetzt, dürfen sie ganz oder teilweise erlassen werden, wenn ihre Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Das Gleiche gilt sinngemäß für die Erstattung bereits entrichteter Beträge oder deren Anrechnung (§ 227 AO). Es handelt sich um eine Billigkeitsmaßnahme im Erhebungsverfahren (§§ 218–248 AO). Entsprechendes gilt für Ansprüche der ZfA aus der Rückforderung von Altersvorsorge-Zulage und zusätzlicher Steuerermäßigungen aus dem SA-Abzug (> Private Altersvorsorge Rz 84, 142). Zur Rückzahlung des als Steuervergütung überzahlten Kindergelds > Kindergeld Rz 61/1. Zum Erlass einer Rückforderung von Kindergeld, wenn dieses bisher auf Sozialleistungen angerechnet worden ist, vgl EFG 2014, 977 und BFH 262, 483 = BStBl 2019 II, 187. § 227 AO kommt grundsätzlich auch bei der Rückforderung von ArbN-Sparzulage (vgl § 14 Abs 2 Satz 1 VermBG – > Anh 5.1) und von Wohnungsbau-Prämie (vgl § 8 Abs 1 Satz 1 WoPG) in Betracht. Zum Erlass von Säumniszuschlägen > Säumniszuschlag Rz 13 ff.
Rz. 14
Stand: EL 119 – ET: 10/2019
Unbillig kann die Einziehung von Steuern und die Rückforderung von Steuervergütungen aus sachlichen (> Rz 4) oder persönlichen (> Rz 5) Gründen sein.
Rz. 15
Stand: EL 119 – ET: 10/2019
Ein Erlass iSd § 227 AO kommt auch während eines noch laufenden Rechtsbehelfsverfahrens in Betracht. Der Stpfl kann in einem Erlassverfahren grundsätzlich nicht mit Einwendungen durchdringen, die er in einem Rechtsbehelfsverfahren gegen den Steuerbescheid hätte vorbringen können und müssen. Eine Ablehnung der Billigkeitsmaßnahme ist hier nicht ermessensfehlerhaft (BFH 122, 388 = BStBl 1977 II, 771).
Rz. 16
Stand: EL 119 – ET: 10/2019
Die Überprüfung eines offensichtlich und eindeutig unrichtigen rechtskräftigen Steuerbescheids im Billigkeitsverfahren kommt ausnahmsweise in Betracht, wenn der Steuerbescheid auf einem offensichtlichen Irrtum des FA über die schon aus dem Gesetz ersichtlichen Wertungen des Gesetzgebers beruht und es dem Stpfl nicht möglich und zumutbar war, sich rechtzeitig gegen die fehlerhafte Festsetzung zu wehren (vgl BFH 168, 500 = BStBl 1993 II, 3 mwN; BFH 208, 398 = BStBl 2005 II, 460). Eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung oder entschuldbare Rechtsunkenntnis reichen aber nicht aus (BFH 133, 255 = BStBl 1981 II, 611; BFH 150, 502 = BStBl 1988 II, 512). Für den Erlass können außer den den Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis regelnden Vorschriften auch andere Rechtsnormen berücksichtigt werden, besonders allgemeine Rechtsgrundsätze (BFH 163, 313 = BStBl 1991 II, 498). So zB wenn das FA den Stpfl veranlasst hat, seinen sachlich begründeten Einspruch zurückzunehmen, weil über seine Einwendungen im Erlassverfahren entschieden werde – Verstoß gegen > Treu und Glauben – (BFH 84, 483 = BStBl 1966 III, 175; BFH/NV 1988, 217). Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung, ob die Steuerfestsetzung offensichtlich und eindeutig falsch ist, ist der Zeitpunkt der Entscheidung über den Billigkeitsantrag (BFH 150, 502, aaO); dem folgt wohl auch die FinVerw. Abweichend hat BFH/NV 1988, 217 auf den Zeitpunkt der Steuerfestsetzung abgestellt.
Rz. 17
Stand: EL 119 – ET: 10/2019
Beruht die fehlerhafte Steuerfestsetzung auf unzureichenden Angaben des Stpfl, ist eine sachliche Überprüfung idR ausgeschlossen (BFH 133, 255, aaO; BFH 150, 502, aaO). Keine sachliche Unbilligkeit ist gegeben, wenn es das FA ablehnt, auf die im Inland festgesetzte ESt ausländische Steuer anzurechnen, wenn diese Steuer mit Rücksicht auf einen dort erlittenen Vermögensschaden nicht festgesetzt worden ist (BFH 119, 443 = BStBl 1977 II, 125).
Rz. 18
Stand: EL 119 – ET: 10/2019
§ 227 AO gilt im Steuererhebungsverfahren (> Rz 13). Ein Erlass kommt deshalb bei ArbN hinsichtlich der durch Steuerbescheid (> Veranlagung von Arbeitnehmern) oder durch Nachforderungsbescheid (> Nachforderung von Lohnsteuer) festgesetzten ESt/LSt, nicht aber beim LSt-Abzug in Betracht (zu Billigkeitsmaßnahmen beim LSt-Abzug > Rz 7 ff). Zum Verzicht auf die Besteuerung bestimmter ausländischer Einkünfte – Erlass iSd § 34c Abs 5 EStG – ausführlich > Auslandstätigkeitserlass; dazu ergänzend Gosch, DStZ 1988, 136.
Rz. 19
Stand: EL 119 – ET: 10/2019
Der LSt-Abzug durch den ArbG ist keine Steuerfestsetzung (> Arbeitgeber Rz 2 ff). Erst wenn die Lohnsteuer-Anmeldung dem FA übermittelt worden ist, kommt es zu einer Steuerfestsetzung (§ 168 AO; > Steuerabzugsverfahren Rz 7). Bei der einbehaltenen und angemeldeten LSt handelt es sich zudem nicht um die Lohnsteuerschuld des einzelnen ArbN, sondern um die Anmeldungssteuerschuld des ArbG (> Lohnsteuer-Anmeldung Rz 26, 27). Das Gleiche gilt für die vom ArbG pauschal erhobene und von ihm selbst geschuldete angemeldete LSt (§ 40 Abs 3 EStG). Erst wenn die angemeldete LSt festgesetzt ist (§§ 167 Abs 1 AO, 168 AO), folgt das Erhebungsverfahren, für das § 227 AO gilt. Deshalb kommt ein Erlass gemäß § 227 AO im Steuerabzu...