Rz. 145

Stand: EL 131 – ET: 09/2022

Die Bestimmung der Aufenthaltstage nach der 183-Tage-Regelung ist von einer Aufteilung des Arbeitslohns abzugrenzen; es gelten jeweils unterschiedliche Zählweisen. Die 183-Tage-Regelung entscheidet zunächst (nur), in welchem Staat die Vergütungen – dem Grunde nach – besteuert werden können. Entfällt das Besteuerungsrecht je anteilig auf beide Staaten, ist danach zu bestimmen, in welcher Höhe die Vergütungen den Staaten zuzurechnen sind (zur Aufteilung > Rz 260 ff).

 

Rz. 146

Stand: EL 131 – ET: 09/2022

Die Dauer des Aufenthalts wird nicht ausschließlich vom Tag der ersten Ankunft im Tätigkeitsstaat an berechnet; vielmehr zieht die FinVerw in Übereinstimmung mit Nr 5 zu Art 15 des OECD-Musterkommentars (> Rz 110) alle denkbaren 12-Monats-Zeiträume in Betracht, auch wenn sie sich zum Teil überschneiden, sodass sich mit jedem Aufenthaltstag des ArbN im anderen Vertragsstaat neue zu beachtende 12-Monats-Zeiträume ergeben ("gleitender 12-Monats-Zeitraum"; vgl BMF vom 03.05.2018, Rz 80 ff mit Beispielen unter Rz 93 ff, aaO). Gedacht werden kann ein fester 12-Monats-Block, der auf einem Zeitstrahl beliebig tageweise verschoben werden kann; sobald sich der ArbN innerhalb des 12-Monats-Blocks an mehr als 183 einzubeziehenden (> Rz 148 ff) Tagen im anderen Staat aufgehalten hat, steht diesem das Besteuerungsrecht zu.

 

Beispiel 10:

A, der in Mülheim/Ruhr wohnt, ist für seinen in Essen ansässigen ArbG, der im Vertragsstaat keine Betriebsstätte hat, vom 01.04.2020 bis 20.04.2020, zwischen dem 01.08.2020 und dem 31.03.2021 für 90 Tage sowie vom 25.04.2021 bis zum 31.07.2021 für 97 Tage in > Norwegen tätig (die Tätigkeits- entspreche der Aufenthaltsdauer).

Für die Vergütungen, die innerhalb des Zeitraums 01.08.2020 bis 31.07.2021 auf Tage entfallen, an denen sich A in Norwegen aufhält, hat Norwegen das Besteuerungsrecht, da sich A innerhalb eines 12-Monats-Zeitraums dort an insgesamt mehr als 183 Tagen aufgehalten hat. Das Besteuerungsrecht für die Einkünfte, die auf den Zeitraum 01.04.2020 bis 20.04.2020 entfallen, steht hingegen Deutschland zu, da A sich in allen auf diesen Zeitraum bezogenen denkbaren ("gleitenden") 12-Monats-Zeiträumen an nicht mehr als 183 Tagen in Norwegen aufgehalten hat.

 

Beispiel 11:

Zunächst wie Beispiel 10; A ist jedoch zwischen dem 01.01.2020 und dem 28.02.2020 sowie vom 01.05.2020 bis zum 30.04.2021 für jeweils monatlich 20 Tage in Norwegen tätig.

Das Besteuerungsrecht für die Vergütungen, die innerhalb des Zeitraums 01.05.2020 bis 30.04.2021 auf Tage entfallen, an denen sich B in Norwegen aufhält, hat Norwegen, da sich B innerhalb eines 12-Monats-Zeitraums dort an insgesamt mehr als 183 Tagen (12 Monate zu je 20 Tagen = 240 Tage) aufgehalten hat. Gleiches gilt für den Zeitraum 01.01.2020 bis 28.02.2020, da sich B auch innerhalb des 12-Monats-Zeitraums vom 01.01.2020 bis zum 31.12.2020 an insgesamt mehr als 183 Tagen (10 Monate zu je 20 Tagen = 200 Tage) in Norwegen aufgehalten hat.

 

Rz. 147

Stand: EL 131 – ET: 09/2022

Bei Ermittlung des 183-Tage-Zeitraums ist idR auf die Aufenthaltsdauer im anderen Vertragsstaat und nicht auf die Dauer der Ausübung der Tätigkeit dort abzustellen (Ausnahmen > Belgien Rz 3, > Dänemark Rz 3; > Rz 152). Nach Art 15 Abs 2 Nr 1 des DBA mit Belgien (BGBl 1969 II, 17) werden übliche Arbeitsunterbrechungen bei der Ermittlung der 183-Tage-Frist mitgezählt, auch wenn sie nicht im Tätigkeitsstaat verbracht werden. Darunter sind arbeitsfreie Wochenenden, Urlaubs- und Krankheitstage zu verstehen, soweit sie der Auslandstätigkeit zuzurechnen sind. Ähnliche Regelungen enthalten die DBA mit der > Elfenbeinküste (Côte d'Ivoire), > Marokko und > Tunesien, wobei jedoch hier auf die Aufenthaltsdauer abzustellen ist.

 

Rz. 148

Stand: EL 131 – ET: 09/2022

Für die 183-Tage-Regelung ist auch eine nur kurzfristige Anwesenheit an einem Tag als voller Aufenthaltstag im Tätigkeitsstaat zu berücksichtigen. Die Auslandstätigkeit beginnt an Reisetagen erst mit Überschreiten der Grenze des Vertragsstaats (BFH 146, 132 = BStBl 1986 II, 479; OFD Düsseldorf vom 14.10.1987, DB 1987, 2230). Auch Tage, an denen sich der ArbN nur zur Arbeitsleistung im Vertragsstaat aufhält und anschließend wieder an den ausländischen Wohnsitz zurückkehrt, werden in den 183-Tage-Zeitraum einbezogen (zu solchen Grenzpendlern > Rz 151). "Physische Anwesenheit" verlangen auch Nr 5 zu Art 15 des OECD-Musterkommentars (> Rz 110) sowie BFH/NV 1997, 666; BFH 235, 401 = BStBl 2012 II, 548. Mehrere kürzere Aufenthalte innerhalb eines Steuerjahres werden zusammengerechnet. Für das Besteuerungsrecht ist es unerheblich, ob der ArbN für einen oder mehrere ArbG tätig geworden ist. Als Tage der Anwesenheit im Tätigkeitsstaat werden nach Auffassung der FinVerw mitgezählt (BMF vom 03.05.2018, Rz 87 ff mit Beispielen unter Rz 93 ff, BStBl 2018 I, 643):

  • der Ankunfts- und Abreisetag im Tätigkeitsstaat (ohne Tage des Transits durch Drittstaaten); zu Besonderheiten bei Berufskraftfahrern > Rz 154;
  • alle Tage der Anwesenh...

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