Rz. 42
Stand: EL 123 – ET: 08/2020
Die AO unterscheidet zwischen der Entstehung des Erstattungsanspruchs (> Rz 13 und > Rz 27) und seiner Verwirklichung (vgl § 218 AO), also seine Erfüllung oder Realisierung. Grundlage der Verwirklichung sind ua die Steuerbescheide (dazu gehören Steuerfestsetzung nach > Lohnsteuer-Anmeldung [§ 168 AO] sowie ein Pauschalierungs-Steuerbescheid) und Haftungsbescheide (§ 218 Abs 1 AO; BFH 163, 112 = BStBl 1991 II, 281). Der Erstattungsbescheid ist zwar in § 218 Abs 1 AO nicht ausdrücklich genannt, doch ist die dort enthaltene Aufzählung von Verwaltungsakten insoweit nicht vollständig (Kühn/von Wedelstädt/Lemaire, zu § 218 AO Tz 9).
Für die Praxis ergibt sich uE daraus Folgendes:
Rz. 43
Stand: EL 123 – ET: 08/2020
Ein besonderer Verwaltungsakt ist als Grundlage für die Erstattung nicht erforderlich, wenn sich für die Kasse des FA eine Abweichung zwischen Soll und Ist ergibt, zB bei Über- und doppelter Zahlung einer Steuerschuld. Hat etwa ein Stpfl > Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer oder ein ArbG den Betrag der angemeldeten LSt irrtümlich doppelt an das FA überwiesen, hat die Finanzkasse für die zweite Zahlung kein "Soll". In diesem Fall bedarf es keiner besonderen Festsetzung des FA; der Betrag kann ohne Weiteres an den Stpfl oder den ArbG erstattet werden: Der Anspruch wird durch Rückzahlung des ohne Rechtsgrund geleisteten Betrags erfüllt. Grundlage iSd § 218 Abs 1 AO ist zB bei Doppelzahlung der jeweilige Steuerbescheid/Haftungsbescheid (zB der Bescheid über die Festsetzung von Vorauszahlungen bzw die Festsetzung iSv § 168 AO aufgrund der LSt-Anmeldung). Mit der Erstattung des überzahlten Betrags wird der durch die Festsetzungsverfügung des FA beabsichtigte Zustand hergestellt.
Rz. 44
Stand: EL 123 – ET: 08/2020
Eine Ausnahme gilt nur, wenn kein Einvernehmen über den zu erstattenden Betrag besteht: Dann erlässt das FA einen Abrechnungsbescheid (§ 218 Abs 2 AO), der dann seinerseits Grundlage für die Verwirklichung des Erstattungsanspruchs ist. Gegenstand des Abrechnungsbescheids kann sowohl die Erstattungsberechtigung einer bestimmten Person als auch die Höhe des auf mehrere Erstattungsberechtigte entfallenden Anteils am Erstattungsbetrag sein. Zur Aufteilung bei Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern > Rz 58 ff. Zu Einzelheiten vgl AEAO zu § 218 Nr 3 sowie > Abrechnungsbescheid.
Rz. 45
Stand: EL 123 – ET: 08/2020
Ergibt sich – unabhängig vom Entstehen des Erstattungsanspruchs (> Rz 13 und > Rz 27) – für die Finanzkasse keine Abweichung zwischen Soll und Ist, bedarf es als Grundlage für die Verwirklichung des Erstattungsanspruchs eines zusätzlichen Verwaltungsakts. Dies gilt besonders dann, wenn der Grund für die Zahlung später wegfällt (> Rz 36 ff); dann kommt es ggf zur > Aufhebung und Änderung von Verwaltungsakten, die ursprünglich maßgebend waren. Ebenso liegt der Erstattung erlassener Steuern die den Erlass begründende Verfügung des FA zugrunde. Ist dem ArbG im Steuerabzugsverfahren ein Fehler unterlaufen (> Rz 29 ff) und beantragt der ArbN beim FA die Erstattung überhöht einbehaltener LSt, so ist ein förmlicher Verwaltungsakt Rechtsgrundlage für die Verwirklichung iSv § 218 AO, mit dem eine entsprechende negative Sollstellung bei der Finanzkasse herbeigeführt wird (vgl auch BFH/NV 1988, 298).
Beispiel:
Der ArbN beantragt im Oktober beim FA Erstattung gemäß § 37 Abs 2 Satz 1 AO, weil der ArbG von Januar bis September die LSt fälschlich statt nach der den Lohnsteuerabzugsmerkmalen entsprechenden Steuerklasse III nach Steuerklasse I einbehalten und den LSt-Abzug nicht nach § 41c EStG berichtigt hat. Ohne förmliche Verfügung des FA, die die zutreffende Steuer feststellt, die Steuerabzugsbeträge anrechnet und die Auszahlung anordnet, käme es hier zu keiner Erstattung. Durch die Auszahlung, die selbst kein Verwaltungsakt ist, wird nur der vorangegangene förmliche Verwaltungsakt ausgeführt (glA von Bornhaupt, BB 1977, 1232; vgl BFH 122, 510 = BStBl 1977 II, 805).
Zur Erstattung als Folge eines vom ArbN geführten > Rechtsbehelfe gegen die Festsetzung angemeldeter LSt > Rz 25.
Rz. 46
Stand: EL 123 – ET: 08/2020
Entsprechendes gilt für das FA, wenn es seinerseits eine materiell zu Unrecht festgesetzte und dementsprechend erbrachte Leistung von dem ArbN zurückfordert. Zur Rückforderung von Arbeitnehmer-Sparzulage vgl § 9 VermBDV (> Anh 5.2) und Abschn 22 Abs 2 VermBErl (> Anh 5.3). Zahlt eine Behörde > Kindergeld aufgrund einer Zahlungsanordnung des Berechtigten an einen Dritten aus, ist dieser nicht Leistungsempfänger iSv § 37 Abs 2 AO. Etwaige Rückforderungen sind deshalb vom Kindergeldberechtigten als Leistungsempfänger zu verlangen (BFH/NV 2007, 858).
Rz. 47
Stand: EL 123 – ET: 08/2020
Hat das FA versehentlich, dh ohne rechtlichen Grund geleistet, entsteht dadurch ein öffentlich-rechtlicher Rückforderungsanspruch. Das gilt auch dann, wenn die Erstattung an einen unbeteiligten Dritten geleistet worden ist, denn nach § 37 Abs 1 AO werden alle Steuererstattungen, die ohne rechtlichen...