Rz. 79
Stand: EL 129 – ET: 02/2022
Die in > Rz 78 dargestellte Berücksichtigung der Grundsätze der > Entfernungspauschale für die Fahrtkosten (nicht für andere Reisekostenarten) gilt ebenso, wenn der ArbN keine erste Tätigkeitsstätte unterhält, aber nach den dienst- oder arbeitsrechtlichen Vorgaben dauerhaft dasselbe weiträumige Tätigkeitsgebiet typischerweise arbeitstäglich aufsuchen muss. Nur für die Wegstrecke von der Wohnung zum ihr nächstgelegenen Eingang desselben weiträumigen Tätigkeitsgebiets ist der WK-Abzug der Fahrtkosten auf die Höhe der Entfernungspauschale beschränkt. Obwohl der für ‚Auswärtstätigkeit’ maßgebende § 9 Abs 1 Satz 3 Nr 4a EStG diese Fälle regelt und sie als Teil der Auswärtstätigkeit behandelt, ist für den ArbG auch hier nicht § 3 Nr 13 und Nr 16 EStG, sondern § 40 Abs 2 Satz 2 EStG anzuwenden (> Rz 78 f).
Rz. 79/1
Stand: EL 129 – ET: 02/2022
Ein weiträumiges Tätigkeitsgebiet ist eine größere, aber abgrenzbare (‚festgelegte’) Fläche, innerhalb deren Grenzen der ArbN tätig werden soll (zB Zusteller, Hafenarbeiter, Forstarbeiter, Werksbahnführer). Soll der ArbN hingegen nicht "draußen" sondern "in einer Einrichtung" tätig werden (zB Wohnung der Pflegeperson im Pflegedienst oder des Schornsteinfeger-Kunden) handelt es sich insoweit nicht um die Tätigkeit in einem weiträumigen Tätigkeitsgebiet, auch wenn die Wohnungen alle innerhalb einer Stadtgrenze liegen (vgl BMF vom 25.10.2020, Rz 41 ff, BStBl 2020 I, 1228, > Anh 2 Reisekosten (allgemein)). Soll der ArbN in mehreren ortsfesten Einrichtungen seines ArbG, eines verbundenen Unternehmens oder eines Dritten, die innerhalb eines bestimmten Bezirks gelegen sind, beruflich tätig werden, arbeitet er nicht in einem weiträumigen Tätigkeitsgebiet, sondern an verschiedenen, ggf ständig an wechselnden Tätigkeitsstätten. Im Einzelnen > Auslösungen bei privaten Arbeitgebern Rz 27 ff mit Beispielen.
Rz. 79/2
Stand: EL 129 – ET: 02/2022
Sucht der ArbN ein weiträumiges Tätigkeitsgebiet über unterschiedliche Zugänge auf, so gilt für den der Wohnung nächstgelegenen Zugang die > Entfernungspauschale, alle darüber hinaus gehenden Km sind nach Reisekostengrundsätzen abrechenbar (> Rz 60 ff). Vom weiträumigen Tätigkeitsgebiet sind diejenigen Fälle abzugrenzen, in denen der ArbG zwar auf einem größeren Gelände (zB Werksgelände) tätig wird, es sich bei diesem Gelände jedoch um eine großräumige > Erste Tätigkeitsstätte handelt (vgl BFH/NV 2021, 309).
Beispiel 4:
Ein Hafenarbeiter sucht innerhalb eines Jahres arbeitstäglich im Auftrag und auf Weisung seines ArbG (Gesamthafenbetrieb) verschiedene Hafeneinzelbetriebe auf.
Der ArbN sucht arbeitstäglich dasselbe weiträumige Tätigkeitsgebiet auf, vgl auch EFG 2021, 748, Rev BFH VI R 4/21. Die Fahrtkosten zu dem von der Wohnung nächstgelegenen Zugang zum Hafengebiet kann der ArbN lediglich in Höhe der > Entfernungspauschale abziehen. Für die Ermittlung etwaiger Verpflegungsmehraufwendungen ist jedoch die Abwesenheit von der Wohnung maßgebend.
Beispiel 5:
Der Zugführer einer Werksbahn sucht arbeitstäglich das Werksgelände auf, um innerhalb des Schienennetzes der firmeneigenen Werksbahn tätig zu werden.
Nach Auffassung des BFH stellt das firmeneigene Schienennetz eine großräumige erste Tätigkeitsstätte iSv § 9 Abs 4 EStG dar. Eine steuerfreie Erstattung von Fahrtkosten und Verpflegungsmehraufwendungen ist deshalb nicht möglich.
Rz. 79/3
Stand: EL 129 – ET: 02/2022
Mit der vorgestellten Sonderregelung für "Arbeitnehmer in einem Hafengebiet, Forstarbeiter oder Briefzusteller" möchte der Gesetzgeber die früher (bis Ende 2013) bestehenden Schwierigkeiten bei der Abgrenzung von ArbN mit und ohne (seinerzeit) > Regelmäßige Arbeitsstätte vermeiden (Gesetzesbegründung – BT-Drs 17/10 774). Obwohl die Regelung als Vereinfachung gedacht ist, führt sie uE in der Praxis – wegen der erforderlichen Aufzeichnungen – eher zu zusätzlichen Belastungen.
Die Sonderregelung gilt allerdings nur, wenn der ArbN in dem weiträumigen Tätigkeitsgebiet keine > Erste Tätigkeitsstätte hat (vgl § 9 Abs 1 Satz 3 Nr 4a Satz 3 EStG eingangs).
Beispiel 6:
F ist Forstarbeiter und dem Forstamt X dauerhaft zugeordnet. Das Forstamt befindet sich im Forsthaus X, das innerhalb eines weitläufigen Privatforstes liegt, in dem F ständig eingesetzt wird.
F fährt arbeitstäglich mit seinem PKW zum Forsthaus, um dort seine Arbeit aufzunehmen. Obwohl er seine Arbeit ständig in einem weiträumigen Tätigkeitsgebiet verrichtet, hat er doch im Forsthaus seine > Erste Tätigkeitsstätte. Die Aufwendungen für die Wegstrecke von der Wohnung zum Forsthaus sind keine Reisekosten, die der ArbG nach § 3 Nr 16 EStG in Höhe der > Entfernungspauschale steuerfrei ersetzen darf. Steuerfrei zu ersetzende Fahrtkosten entstehen aber, wenn F sein Fahrzeug für Wegstrecken innerhalb des Forstgebiets benutzt.
Selbst wenn im Forsthaus nicht von einer ersten Tätigkeitsstätte auszugehen wäre, bleibt es uE beim Abzug der > Entfernungspauschale für die Fahrten dorthin, wenn F arbeitstäglich denselben Ort zur Arb...