Rz. 35
Stand: EL 135 – ET: 08/2023
Bei Sachverhalten mit Auslandsbezug ist vorweg zu klären, ob Deutschland überhaupt das Besteuerungsrecht hat (zur > Doppelbesteuerung vgl BMF vom 03.05.2018, Rz 16 ff, BStBl 2018 I, 643, > Anh 2 Doppelbesteuerung/Behandlung von Arbeitslohn). Kann der ArbN in Deutschland nicht besteuert werden, bedarf es keiner Steuerbefreiung für Beiträge iSv § 3 Nr 62 EStG. Darf Deutschland den ArbN besteuern, kann sich die Steuerbefreiung der vom ArbG erbrachten Zukunftssicherungsleistungen für den ArbN aus § 3 Nr 62 Satz 1 EStG (> Rz 15–27) oder – bis zum Höchstbetrag – aus § 3 Nr 62 Sätze 2–4 EStG (> Rz 28–34) ergeben. Im Einzelnen:
Rz. 36
Stand: EL 135 – ET: 08/2023
Grundsätzlich besteht Steuerfreiheit für Beiträge, zu denen der ArbG gesetzlich verpflichtet ist. Diese Verpflichtung regeln die in § 3 Nr 62 Satz 1 EStG genannten Rechtsvorschriften (> Rz 15 ff). Dafür gilt das Territorialprinzip; deshalb kann ein Gesetzgeber grundsätzlich nur seine eigenen Staatsbürger sowie sonstige auf seinem Staatsgebiet handelnde Personen oder Rechtsträger verpflichten (EFG 1991, 649; 2002, 201). Neben nationalem Recht (> Rz 37) gelten vorrangig aber auch über- und zwischenstaatliche Normen, die in Deutschland Gesetzeskraft entfalten. Das betrifft vor allem die VO der > Europäische Union über soziale Sicherheit für den EU/EWR-Bereich oder zwischenstaatliche Abkommen über soziale Sicherheit (> Rz 28/1), die als völkerrechtliche Verträge regeln, ob das inländische Sozialversicherungssystem gilt oder die SozVers des Vertragsstaats. Zu Einzelheiten vgl Küttner/Schlegel, Personalbuch – Auslandstätigkeit Rz 73ff. Zu zwischenstaatlichen Verwaltungsvereinbarungen vgl BFH 233, 246 = BStBl 2011 II, 767. Auf dieser Grundlage ist der ArbG zu Beitragszuschüssen iSv § 257 SGB V zu einer ausländischen gesetzlichen Krankenversicherung zumindest innerhalb des EU/EWR-Bereiches und der Schweiz iSv § 3 Nr 62 EStG verpflichtet; BFH 232, 436 = BStBl 2011 II, 446 ging insofern von einem unzutreffenden Sachverhalt aus und ist nicht allgemein anzuwenden (BMF vom 30.01.2014, BStBl 2014 I, 210). Zur PVK > Rz 38.
Rz. 36/1
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Zukunftssicherungsleistungen eines ArbG im Ausland sind jedoch nur dann nach § 3 Nr 62 EStG steuerfrei, wenn der ausländische SozVers-Träger mit einem inländischen SozVers-Träger vergleichbar ist (BFH 200, 548 = BStBl 2003 II, 288; BFH 243, 210 = BStBl 2016 II, 650). Diese Voraussetzung ist dann erfüllt, wenn der Empfänger der Beiträge nach seiner Struktur sowie den im Versorgungsfall zu erbringenden Leistungen auf der Grundlage einer rechtsvergleichenden Qualifizierung mit der Absicherung über die inländische SozVers vergleichbar ist (BFH 268, 227 = BStBl 2021 II 311; BFH 259, 59 = BStBl 2017 II, 1251). Überobligatorische Leistungen schweizerischer privater Pensionskassen sind mit denen der deutschen GRV nicht vergleichbar, wenn sie auf einem eigenständigen überobligatorischen privatrechtlichen Rechtsverhältnis beruhen (BFH 249, 22 = BFH/NV 2015, 1139; BFH 249, 39 = BFH/NV 2015, 1145; BFH 251, 313 = BStBl 2016 II, 685). Dies gilt uE auch für öffentlich-rechtliche Pensionskassen (vgl EFG 2020, 1245 = DStRE 2021, 80 – Rev, BFH VI R 46/20). ArbG-Beiträge zur Schweizer Stiftung für den flexiblen Altersrücktritt im Bankengewerbe (FAR) sind ebenfalls nicht mit dem deutschen SozVers-System vergleichbar (EFG 2021, 358). Mangels Vergleichbarkeit sind auch Beiträge, die ein ArbG in > Österreich nach § 6 BMSVG (österreichisches Betriebliches Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz) an eine österreichische betriebliche Versorgungskasse leistet, nicht nach § 3 Nr 62 EStG steuerfrei (BFH 268, 227 = BStBl 2021 II, 311; EFG 2021, 660 = DStRE 2021, 1501). Beiträge eines ArbG für einen in der > Schweiz beschäftigten ArbN zur Nichtberufsunfallversicherung sind nicht nach § 3 Nr 62 EStG steuerfrei, weil es keine gesetzliche Verpflichtung zur Zahlung gibt (FG BW vom 26.11.2020 – 3 K 3139/19, DStRE 2021, 1091 = HaufeIndex 14 395 259, – Rev als unzulässig verworfen, BFH vom 10.03.2023 – X R 1/21, nicht dokumentiert).
Rz. 37
Stand: EL 135 – ET: 08/2023
Soweit über- und zwischenstaatliche Normen nicht etwas anderes bestimmen, gilt das nationale Recht der SozVers (vgl § 6 SGB IV): Als in Deutschland beschäftigt gelten auch solche Personen, die im Rahmen ihres inländischen Beschäftigungsverhältnisses vorübergehend im Ausland eingesetzt werden. Nach § 4 SGB IV – Ausstrahlung – unterliegt ein in Deutschland beschäftigter ArbN, der vorübergehend ins Ausland entsandt wird, grundsätzlich weiterhin den inländischen Vorschriften über die SozVers. ‚Vorübergehend’ meint eine Beschäftigung, die entweder infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist. Für sie entrichtet der inländische ArbG (§ 38 Abs 1 Satz 1 Nr 1 EStG) Beiträge aufgrund gesetzlicher Verpflichtung iSv § 3 Nr 62 Satz 1 EStG (> Rz 15 ff). Zum Umfang der bestehenden Beitragspflicht im Einzelnen vgl die Erläuterungen zur SozVers, zB a...