Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld bei gleichzeitiger Aufnahme der Kinder in den Haushalt mehrerer Kindergeldberechtigter
Leitsatz (redaktionell)
- Für jedes Kind wird nur einem Berechtigten Kindergeld gezahlt (§ 64 Abs. 1 EStG). Erfüllen mehrere Personen die Anspruchsvoraussetzungen, so wird das Kindergeld demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat.
- Sind Kinder sowohl im Haushalt der Mutter als auch in den des Vaters aufgenommen, so müssen die Eltern untereinander den Berechtigten bestimmen. Wird eine solche Bestimmung nicht getroffen, bestimmt das Vormundschaftsgericht auf Antrag den Berechtigten.
Normenkette
EStG § 64 Abs. 1-2
Streitjahr(e)
1999
Tatbestand
Die Klage richtet sich gegen die Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung und die damit verbundene Rückforderung.
Die Klägerin erhielt für ihre Kinder N. (geboren am 8. März 1994) und D. (geboren am 7. Dezember 1995) ab Januar 1997 Kindergeld. Sie lebte mit ihren Kindern und ihrem Ehemann in einem gemeinsamen Haushalt in ... . Der Kindergeldzahlung lag ein Antrag an den Beklagten zugrunde, in dem sich der Ehemann der Klägerin ausdrücklich mit der Kindergeldzahlung an die Klägerin einverstanden erklärt hatte.
Am 6. Dezember 1998 trennte sich die Klägerin von ihrem Ehemann und zog aus dem gemeinsamen Haushalt in eine eigene Wohnung ... . In der Folgezeit betreute die Klägerin tagsüber N. und D. in ihrer neuen Wohnung. Nur N. wurde morgens von ihrem Vater zunächst in den Kindergarten gebracht. Nachts schliefen die Kinder – wie bisher – in der Wohnung ihres Vaters, der sie abends bei der Klägerin abholte.
Mit Bescheid vom 8. April 1999 hob der Beklagte – gegen den ausdrücklichen Wunsch des Kindesvater – die Kindergeldfestsetzung für die Kinder N. und D. ab Januar 1999 gem. § 70 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) auf. Gleichzeitig forderte es das für Januar bis März 1999 gezahlte Kindergeld in Höhe von insgesamt 1.500 DM nach § 37 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) zurück. Das Arbeitsamt begründete seine Entscheidung damit, dass die Kinder in den Haushalt ihres getrennt lebenden Ehemannes aufgenommen seien.
Den Einspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Einspruchsbescheid vom 25. Juni 1999 als unbegründet zurück. Kindergeld werde gemäß § 64 Abs. 2 EStG demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen habe (sog. Obhutsprinzip). Dies gelte insbesondere bei Trennung oder Scheidung der Eltern. Mit dem Auszug der Klägerin aus der Familienwohnung im Dezember 1998 sei die vorrangige Kindergeldberechtigung dementsprechend auf den Kindesvater übergegangen. Die Erklärung der Klägerin, sie betreue die Kinder tagsüber, begründe keinen vorrangigen Kindergeldanspruch.
Die Klägerin hat am 5. Juli 1999 Klage erhoben. Zu Unrecht gehe das Arbeitsamt davon aus, dass ihre Kinder N. und D. weiterhin im Haushalt des Kindesvaters gelebt hätten. Der Kindesvater habe eine Ganztagstätigkeit ausgeübt und sei darüber hinaus in zeitlich großem Umfang bei der Feuerwehr engagiert gewesen. Da ihre Wohnung ... räumlich klein gewesen sei, hätte sie mit ihrem Ehemann eine Vereinbarung dergestalt getroffen, dass die Kinder bei ihr leben und beim Ehemann lediglich schlafen würden. Das aber bedeute, dass der überwiegende Lebensmittelpunkt bei der Mutter gelegen habe und weiterhin liege. Aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten hätten sich die Kinder in der überwiegenden Obhut der Klägerin befunden. Die Kinder hätten beim Vater lediglich einen Schlafplatz gehabt.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 8. April 1999 in der Gestalt des Einspruchsbescheides vom 25. Juni 1999 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung ab Januar 1999 und die Rückforderung des für Januar bis März 1999 gezahlten Kindergeldes sei rechtmäßig. Der Kindesvater sei nach § 64 Abs. 3 Satz 1 EStG vorrangig berechtigt gewesen. Die Kinder N. und D. hätten sich sowohl im Haushalt der Klägerin als auch im Haushalt des Kindesvaters aufgehalten. Tagsüber hätten sich die Kinder in der Obhut der Klägerin, abends und nachts in der des Vaters befunden. Weil N. und D. nicht dem ausschließlichen Haushalt eines Anspruchsberechtigten zuzuordnen seien, beurteile sich die Anspruchskonkurrenz nach § 64 Abs. 3 EStG. Es erhalte deshalb derjenige Kindergeld, der eine Unterhaltsrente, ggf. die höhere Unterhaltsrente zahle. Das sei der Kindesvater. Denn nur er habe eine monatliche Unterhaltsrente und zwar in Höhe von 500 DM gezahlt.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Zu Unrecht hat der Beklagte mit Bescheid vom 8. April 1999 gegenüber der Klägerin die Kindergeldfestsetzung für die Kinder N. und D. ab Januar 1999 aufgehoben und das für Januar bis März 1999 gezahlte Kindergeld zurück gefordert.
Die Klägerin ist gemäß § 62 Abs. 1 Ziffer 1 i.V.m. §§ 63 Abs. 1 Ziffer 1, 32 Abs. 1 EStG – ebenso wie ihr getrennt lebender Ehemann - kindergeldberechtigt.
Nach § 64 Abs. 1 EStG wird allerdings für jedes Kind nur einem Berechtigten Kindergeld gezahlt...