Prof. Dr. Christian Fink, Dr. Kati Beiersdorf
2.1 Zielsetzung
Rz. 4
Zwar sind kapitalmarktorientierte Unternehmen nach Art. 40 Bilanzrichtlinie n. F. stets als große Unternehmen zu behandeln. Allerdings soll für die Nachhaltigkeitsberichterstattung aus Verhältnismäßigkeitsgründen zwischen großen Unternehmen und KMU differenziert werden. Der LSME-Entwurf zielt somit auf eine die Verhältnisse von KMU berücksichtigende Belastung von Ressourcen und Kapazitäten ab, bei der auch dem geringeren Umfang und der geringeren Komplexität ihrer Geschäftstätigkeit Rechnung getragen wird.
Rz. 5
Dabei kommt dem LSME zum einen die Aufgabe zu, eine Berichterstattung entsprechend der für den Kapitalmarkt wichtigen Informationen zu gewährleisten (z. B. bzgl. principal adverse impact indicators, Taxonomie-Kennzahlen). Zum anderen soll er aber auch die Angabepflichten zur Wertschöpfungskette (value chain) von denjenigen Unternehmen begrenzen (cap), die nach ESRS Set 1 berichten müssen. Man spricht dabei von einer sog. Value-Chain-Cap-Funktion. Demnach dürfen die ESRS Set 1 keine Angabepflichten über Unternehmen in der Wertschöpfungskette des berichtenden Unternehmens enthalten, die über den verpflichtenden Berichtsumfang für KMU nach dem künftigen LSME hinausgehen. Grund hierfür ist, dass es für Ersteller von Nachhaltigkeitsberichten nach ESRS Set 1 oftmals problematisch ist, Nachhaltigkeitsinformationen bei KMU abzufragen. Aber auch KMU erachten es als problematisch, wenn Großunternehmen ihren eigenen Berichtspflichten durch umfangreiche individuelle Datenabfragen bei den Unternehmen in ihrer Wertschöpfungskette nachkommen wollen (sog. Trickle-Down-Effekt).
Rz. 6
EFRAG argumentiert derzeit, dass sich aus dem LSME kein Trickle-Down-Effekt ergäbe, da die weitergegebenen Anforderungen an KMU hauptsächlich aus spezifischen Vereinbarungen zwischen den großen Unternehmenskunden und den KMU resultieren und damit operativ begründet sind. Für KMU ist es aber letztlich nicht ausschlaggebend, warum Berichtspflichten an sie weitergegeben werden. Daher ist es wichtig, den künftigen LSME und in der Folge auch die Angaben zur Wertschöpfungskette gem. ESRS Set 1 angemessen zu gestalten.
2.2 Anwendungsgrundlagen des LSME
Rz. 7
Eine wichtige Besonderheit bei der Anwendung des LSME ist, dass dieser lediglich die Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts auf Einzelunternehmensebene vorsieht (Rz 14). Dies dürfte jedoch gerade für in Konzernstrukturen agierende kapitalmarktorientierte KMU wenig Aussagekraft haben, denn in diesem Fall sind gerade die Auswirkungen und Risiken aus Gruppensicht, nicht aber des Einzel-(Mutter-)unternehmens relevant. Denkbar ist daher, dass sich kapitalmarktorientierte KMU freiwillig zur Erstellung eines befreienden Konzernnachhaltigkeitsberichts nach ESRS Set 1 entscheiden. Der LSME würde für diese Unternehmen folglich keine nennenswerte Bedeutung entfalten und ggf. primär zu einem "Bankenstandard" werden.
Rz. 8
Unternehmen im Anwendungsbereich des LSME müssen diesen erstmalig für Geschäftsjahre anwenden, die ab dem 1.1.2026 beginnen. Kapitalmarktorientierte KMU haben zudem das Wahlrecht, den Nachhaltigkeitsbericht erstmalig spätestens für Geschäftsjahre ab 1.1.2028 zu erstellen. Bei Inanspruchnahme dieser Regelung ist in den Vorjahren kurz anzugeben, warum kein Nachhaltigkeitsbericht erstellt wurde.
2.3 Allgemeine Anforderungen gem. ESRS LSME
2.3.1 Struktur
Rz. 9
Der Entwurf des LSME basiert grds. auf ESRS Set 1 (§ 9A). Die Vereinfachungen im Vergleich zu ESRS Set 1 beziehen sich auf formale Aspekte, aber auch auf inhaltliche Anforderungen. Eine erste Vereinfachung ist struktureller Natur. So sieht der Entwurf einen einzelnen Standard vor, der die Inhalte der ESRS Set 1 in 6 Abschnitten neu ordnet und einkürzt, wobei zwischen 3 allgemeinen Abschnitten und 3 thematischen Abschnitten unterschieden wird. Alle 6 Abschnitte sind derzeit sektorübergreifend, also für Unternehmen aller Branchen anzuwenden:
Abb. 1: Vereinfachte Struktur des LSME-Entwurfs
2.3.2 Doppelte Wesentlichkeit
Rz. 10
Der Entwurf des LSME sieht vor, die wesentlichen und damit berichtspflichtigen Nachhaltigkeitsaspekte anhand einer Wesentlichkeitsanalyse zu ermitteln. Gem. des Konzepts der doppelten Wesentlichkeit sind dafür sowohl wesentliche Auswirkungen der Tätigkeiten des Unternehmens auf die Umwelt und/oder die Gesellschaft als auch wesentliche finanzielle Risiken für das Unternehmen zu berücksichtigen (siehe zur doppelten Wesentlichkeit § 9 Rz 74). Hierbei wird zwar grds. das Konzept des Set 1 übernommen; aus Gründen der Vereinfachun...