ESRS LSME und ESRS VSME – KMU-Standardentwürfe zur öffentlichen Konsultation gestellt
Die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) hat am 22.1.2024 zwei Standardentwürfe für die Nachhaltigkeitsberichterstattung von kleinen und mittelgroßen Unternehmen (KMU) für die öffentliche Konsultation bis zum 21.5.2024 bereitgestellt.
- Zum einen handelt es sich um den Entwurf eines verpflichtenden ESRS für kapitalmarktorientierte KMU, die grundsätzlich ab dem Geschäftsjahr 2026 eine Nachhaltigkeitsberichterstattung zu erstellen haben (ED ESRS LSME; letzteres kurz für Listed Small and Medium-sized Enterprise) und
- zum anderen um den Entwurf eines freiwilligen ESRS für nicht-kapitalmarktorientierte KMU (ED ESRS VSME; letzteres kurz für Voluntary sustainability reporting by SMEs).
Beide Entwürfe bringen Vereinfachungen gegenüber den Full ESRS mit sich.
LSME-Cap begrenzt stellbare Anforderungen an KMU in der Wertschöpfungskette
Die Entwürfe begrenzen – das ist insbesondere für indirekt betroffene KMU interessant – mit dem LSME-Cap den Umfang für die Anforderungen, die ein nach der CSRD verpflichtetes Unternehmen für die eigene Berichterstattung an KMU in der Wertschöpfungskette stellen darf. In der CSRD werden einige Erleichterungen für indirekt von der Nachhaltigkeitsberichterstattung betroffene KMU festgeschrieben:
- So gilt für die nach den vollen ESRS (aktuell Set 1) berichtspflichtigen Unternehmen, dass in den ersten 3 Jahren der Berichterstattung auf die Angabe von Informationen aus der Wertschöpfungskette verzichtet werden kann, sollten diese nicht verfügbar sein (ESRS 1.132).
- Die ab dem 4. Jahr einzubeziehenden Informationen aus der Wertschöpfungskette dürfen im Hinblick auf KMU dann nicht über den Umfang der Inhalte des zukünftigen ESRS LSME hinausgehen (sog. LSME-Cap bzw. Value Chain Cap; ESRS 1.135).
Damit haben die zukünftigen ESRS LSME auch eine große Bedeutung für nicht-berichtspflichtige Unternehmen. Allerdings hat sich die EFRAG in den Entwürfen dazu entschieden, diese regulatorische Vorgabe sehr großzügig auszulegen und hat zwei unterschiedliche Standardentwürfe vorgelegt. Dabei ist kritisch zu betrachten, dass es einige Unterschiede zwischen ED ESRS LSME und ED ESRS VSME gibt, wo es doch gerade für die nicht verpflichteten Unternehmen interessant wäre, freiwillig eine Nachhaltigkeitsberichterstattung nach den ESRS VSME zu veröffentlichen und damit den Datenbedarf abzudecken, der u.a. von Banken und Lieferanten gefordert wird. Die Entwicklung der zukünftigen ESRS VSME liegt außerhalb der Anforderungen der CSRD und erfolgt durch die EFRAG auf Basis von Marktanforderungen (VSME ESRS.BC2).
In eigener Sache: Umfrage zur Wesentlichkeitsanalyse |
Beschäftigen Sie sich aktuell oder zukünftig mit der Wesentlichkeitsanalyse in Ihrem Unternehmen? Teilen Sie Ihre Einschätzungen mit uns. Die Beantwortung der Umfrage dauert ca. 15 Minuten. |
Aufbau der ESRS LSME und ESRS VSME
Die zukünftigen ESRS VSME folgen einem modularen Aufbau und einer abweichenden Struktur, wodurch ein direkter Vergleich der Anforderungen erschwert wird. Außerdem erheben die zukünftigen ESRS VSME nur den Anspruch den LSME-Cap abzudecken, wenn auch alle 3 Module des Standards bzw. insbesondere das BP-Modul angewendet werden, was den Unternehmen allerdings freisteht. Die EFRAG geht allerdings davon aus, dass die Module des ED ESRS VSME (insbesondere das Narrative-PAT-Modul und BP-Modul) zwar vereinfachte Angaben enthalten, die aber im Allgemeinen den angemessenen Erwartungen der zur Nachhaltigkeitsberichterstattung nach Set 1 der Full ESRS verpflichteten Unternehmen entsprechen. Daher sollten die freiwilligen Anwender der ED ESRS VSME im Allgemeinen in der Lage sein, auch die für die Wertschöpfungskette im ED ESRS LSME definierten (maximalen) Datenanforderungen zu erfüllen (ED ESRS VSME BC39 (b)). In sehr spezifischen Fällen können aber ggf. dennoch Anfragen nach Angaben, die nur im ED ESRS LSME enthalten sind und im ED ESRS VSME fehlen, erfolgen. Dies erwartet EFRAG insbesondere bei THG-Emissionen, besorgniserregende/besonders besorgniserregende Stoffe und bei Ressourcenzuflüssen (ED ESRS VSME BC39 (c)).
Anhang E des ED ESRS LSME enthält eine Übersicht der Datenpunkte, die zwar in ED ESRS LSME, aber nicht ED ESRS VSME enthalten sind und aus welchen Gesetzgebungen sich diese ergeben. Insgesamt enthält ED ESRS LSME 466 Pflichtdatenpunkte, wobei eine Reduzierung um 43 % im Vergleich zu Set 1 der Full ESRS erzielt wurde. Allerdings wurden auch 81 der Pflichtdatenpunkte aus Set 1 der Full ESRS in ED ESRS LSME als freiwillige Datenpunkte berücksichtigt. Insgesamt enthält ED ESRS LSME damit 191 freiwillige Datenpunkte und zusätzlich 32 Datenpunkte, die anzugeben sind, wenn sie zutreffend/anwendbar sind (ED ESRS LSME Anhang D).
Einordnung der ESRS LSME und ESRS VSME
Grundsätzlich ist es zu begrüßen, dass die EFRAG mit ED ESRS LSME und ED ESRS VSME zwei Standardentwürfe vorgelegt hat, und es bleibt zu hoffen, dass sich ED ESRS VSME am Markt als Referenz für die Erhebung von Nachhaltigkeitsdaten von nicht-kapitalmarktorientierten KMU etablieren wird – anders als die IFRS für KMU, die immer mit der nationalen Rechnungslegung konkurrieren. Die Anforderungen der freiwilligen Berichterstattung an die der verpflichteten kapitalmarktorientierten KMU anzupassen, erscheint allerdings zu einer deutlichen Überforderung der nicht-kapitalmarktorientierten KMU zu führen.
Zur inoffiziellen Übersetzung von Auszügen des ED-VSME:
Informelle Übersetzung von Auszügen des VSME-Entwurfs
In eigener Sache: Wie treibe ich Nachhaltigkeit im Unternehmen voran?
In der News-Reihe "Aktuelles zur Nachhaltigkeitsberichterstattung" fasst Herr Prof. Dr. Müller monatlich die neusten und relevantesten Entwicklungen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung prägnant für Sie zusammen. Weitere Ausgaben:
Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der CSRD veröffentlicht
CSDDD: Kompromiss bei der EU-Lieferkettenrichtlinie erzielt
Datenpunkte in den ESRS – Umfangreiche Korrekturvorschläge des DRSC zur EFRAG Leitlinie (E-IG3)
EFRAG veröffentlicht XBRL-Taxonomien zu ESRS und EU- Umwelttaxonomie-Verordnung
-
Grenzen für geringwertige Wirtschaftsgüter
8.284
-
Erhöhung der Schwellenwerte für die Unternehmensgrößenklassen in Kraft getreten
4.155
-
Voraussetzungen für die Einstufung als Kleinstkapitalgesellschaft
4.143
-
Nutzungsdauer von Computerhardware und Software auf ein Jahr reduziert
3.8611
-
Voraussetzungen des Investitionsabzugsbetrags und wann die Anwendung sinnvoll ist
3.670
-
Vorteil 3 für die Kleinstkapitalgesellschaft: Hinterlegung statt Offenlegung
2.682
-
Rückstellungen für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen
2.2692
-
Urlaubsrückstellung berechnen
2.194
-
Voraussetzungen: Wer kann für welche Wirtschaftsgüter einen IAB geltend machen?
2.185
-
Auflösung von Investitionsabzugsbeträgen
2.149
-
EFRAG veröffentlicht Diskussionspapier zur Kapitalflussrechnung
19.12.2024
-
RNE und DRSC veröffentlichen Handreichung zum Thema Biodiversität
18.12.2024
-
Jahresabschluss 2024: Überblick aller gesetzgeberischen Neuerungen
17.12.2024
-
Jahresabschluss-Checkliste 2024: Vorarbeiten
12.12.2024
-
Prüfung mit begrenzter Sicherheit (Limited Assurance)
11.12.2024
-
Unternehmensberichterstattung durch CSRD im Wandel
11.12.2024
-
EU-Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung
11.12.2024
-
CSRD – Betroffene Unternehmen
11.12.2024
-
Ausgestaltung der Nachhaltigkeitsberichterstattung
11.12.2024
-
Kein Ausweiswahlrecht mehr für die Nachhaltigkeitsberichterstattung
11.12.2024