Bei positiver oder möglicher Kenntnis des Unternehmers, dass er in einen Umsatzsteuerbetrug involviert ist, wird ihm der Vorsteuerabzug aus der Eingangsrechnung seines Vorlieferanten versagt. Dies gilt selbst dann, wenn nicht der Vorlieferant, sondern ein anderer Beteiligter in der Lieferkette die Umsatzsteuerhinterziehung begangen hat. Allerdings ist anzunehmen, dass das "Kennenmüssen" umso schwieriger zu belegen ist, je weiter der Unternehmer in der Lieferkette von dem Betrüger entfernt ist, sofern er nicht selbst aktiv an dem Betrug mitwirkt.
Negative Kenntnis als materielle Voraussetzung: Die negative Kenntnis des Unternehmers von Umsatzsteuerbetrug in der Lieferkette wird damit zu einer weiteren materiellen Voraussetzung für den Vorsteuerabzug, die allerdings weder in § 15 UStG noch in der MwStSystRL vorgesehen ist. Der EuGH bestätigt zwar dieses Merkmal und versagt den Vorsteuerabzug bei der Kenntnis von Betrugsvorgängen, rechtlich ist es allerdings m.E. bedenklich, wenn die Rechtsprechung ein zusätzliches Kriterium für ein elementares Merkmal des Umsatzsteuersystems schafft, ohne dass dieses durch die Mitgliedstaaten auf eine ausdrückliche rechtliche Grundlage gestellt wurde. Insoweit beruht auch § 25f UStG auf keiner konkreten Vorschrift der MwStSystRL, sondern "nur" auf gefestigter Rechtsprechung.
Der Abzug folgender Vorsteuerbeträge wird versagt:
- in Inlandsrechnungen offen ausgewiesene Steuer,
- Steuer, die aufgrund der Verlagerung der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger nach § 13b UStG geschuldet wird; dies betrifft sowohl Leistungsbezüge aus dem Ausland als auch Inlandsfälle nach § 13b Abs. 2 Nr. 2 bis 12 UStG unter den jeweiligen Voraussetzungen
- Vorsteuer aus dem innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen.
Gerade der Verweis auf § 13b UStG ist von Bedeutung, da diese Vorschrift auch der Verhinderung von Umsatzsteuerausfällen bei inländischen Sachverhalten dient, die von Finanzverwaltung und Politik als besonders betrugsanfällig eingestuft wurden. Um mit immer neuen Betrugsmodellen Schritt zu halten, wird die Liste in § 13b Abs. 2 UStG fortlaufend verlängert, was für die steuerehrlichen Unternehmer einen zunehmenden Aufwand bedeutet, um die betroffenen Sachverhalte zu identifizieren und zutreffend abzurechnen und zu deklarieren. Die Anwendung des Umsatzsteuerrechts wird dadurch zunehmend komplexer und fehleranfälliger, was dem Gedanken widerspricht, dass die Umsatzsteuer für den vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmer grundsätzlich neutral sein soll.
Die Versagung des Abzugs der Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer ist in § 25f UStG nicht ausdrücklich geregelt. Sofern dem Einführer bekannt ist, dass auf einer nachgelagerten Umsatzstufe in einem anderen Mitgliedstaat ein Betrug begangen wird, müsste vor dem Hintergrund der EuGH-Rechtsprechung auch hier der Vorsteuerabzug zu versagen sein. Betroffene Unternehmer können sich allerdings auf den Wortlaut der Vorschrift berufen, die die zu versagenden Vorsteuertatbestände abschließend aufzählt. Bei Steuerhinterziehung durch den Einführer selbst greift die Vorschrift nicht, da § 25f den Umsatzsteuerbetrug durch andere Unternehmer regelt.
Geltung auch für USt-Hinterziehung in anderem Mitgliedstaat: Fraglich ist, ob der Unternehmer nur für die Hinterziehung inländischer Steuer durch einen anderen in Anspruch genommen werden kann oder ob auch die Hinterziehung von Umsatzsteuer im Ausland zur Anwendung der Vorschrift berechtigt. Weder der Wortlaut der Vorschrift noch das BMF-Schreiben zur Einfügung von Abschnitt 25f in den UStAE gehen darauf ausdrücklich ein. Aus der Rechtsprechung des EuGH kann jedoch geschlossen werden, dass die Hinterziehung von Umsatzsteuer in einem anderen Mitgliedstaat ebenfalls zur Sanktionierung des Unternehmers im Inland führt, da der Schutz des Steueraufkommens der Europäischen Union das Ziel der Missbrauchsbekämpfungsvorschriften ist, nicht der Schutz der Geldmittel eines einzelnen Mitgliedstaates. In seinem Urteil "Italmoda" versagte der EuGH einem Unternehmer ausdrücklich die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen, obwohl der Steuerbetrug in einem anderen Mitgliedstaat erfolgte.