Orientierung an d. Verwaltungsanweisung empfohlen: Der durch das BMF-Schr. v. 15.6.2022[52] neu eingeführte Abschnitt 25f UStAE soll die zum Teil unbestimmten Regelungen des Gesetzes konkretisieren und die Anwendung der Vorschrift in der Praxis erleichtern. Unternehmer mit entsprechenden Sachverhalten sollten sich an der Verwaltungsanweisung orientieren, um durch Beachtung der dort genannten Voraussetzungen die Risiken aus der Einbindung in Umsatzsteuerbetrug weitestmöglich zu reduzieren.

Die Ausführungen des UStAE sind recht weitgehend und lassen in der Praxis Spielraum für Diskussionen in zukünftigen Betriebsprüfungen. Die Unternehmenswirklichkeit ist im Geschäftsleben nicht immer so Schwarz und Weiß, wie es das BMF-Schreiben suggeriert.

Obwohl die Finanzverwaltung – der Rechtsprechung folgend – nachweisen muss, dass der Unternehmer wusste oder hätte wissen müssen, dass er an einem Umsatzsteuerbetrug beteiligt war (Abschn. 25f.1 Abs. 3 und 6 UStAE), wird andererseits vom Unternehmer gefordert, dass er "alle Maßnahmen getroffen hat, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass seine Umsätze nicht in eine Umsatzsteuerhinterziehung (...) einbezogen sind", um sich auf Vertrauensschutz berufen zu können (Abschn. 25f.1 Abs. 3 UStAE). Was unter "alle Maßnahmen" und "vernünftigerweise" verstanden werden kann, dürfte im Einzelfall von Finanzamt und Steuerpflichtigem unterschiedlich beurteilt werden. Faktisch dreht die Finanzverwaltung die Beweislast zu Lasten des Unternehmers um.[53]

Die Liste der Anhaltspunkte, die nach Ansicht des BMF auf einen Steuerbetrug hinweisen sollen (Abschn. 25f.1 Abs. 5 UStAE) ist lang und schießt m.E. stellenweise über das Ziel hinaus. Anzuerkennen ist, dass die Beispiele praxisnah sind und den Unternehmern die Möglichkeit geben, die Prüfungsschritte ihres internen Kontrollsystems daran auszurichten.

Nachstehend werden einzelne Punkte des BMF-Schreibens dargestellt, die als Anhaltspunkte für das "wissen müssen" angesehen werden und die den Unternehmer zu weitergehenden Prüfungen seiner Geschäftspartner veranlassen sollen. Die Liste des BMF ist nur beispielhaft ("insbesondere").

  • Vorgabe der Rahmenbedingungen des Geschäftes durch einen Dritten.

    So unwahrscheinlich sich dies anhören mag, kommt es in der Praxis vor, dass Betrüger ahnungslose Unternehmer kontaktieren und deren Unkenntnis der umsatzsteuerlichen Folgen ausnutzen, indem sie ihnen Lieferungen an bereits feststehende Abnehmer vorschlagen und eine vermeintlich risikolose kleine Marge auf hohe Umsätze versprechen.[54] Vor derartigen Geschäften muss gewarnt werden, da es sich oft um Umsatzsteuerkarusselle handelt, für die ein ahnungsloses Opfer gesucht wird.

  • Feststellen der Mehrfachdurchläufe von Waren

    Wenn dem Unternehmer nach ein paar Wochen dieselbe Ware geliefert wird, die er zuvor selbst verkauft hatte, lässt dies ein USt-Karussell vermuten. Herauszufinden, dass es sich um dieselbe Ware handelt, ist im Tagesgeschäft mit Massengütern schwierig (z.B. Zucker oder Speiseöl[55] sind beliebte Karussell-Produkte, da sie nicht verderblich sind und beliebig ausgetauscht werden können). Eine solche Identifizierung kommt eher bei Luxusgütern in Frage, wenn teure Armbanduhren oder Luxusautos anhand von Fahrgestellnummern oder anderen Merkmalen identifizierbar sind – derartige Güter werden daher normalerweise nicht in Karussellstrukturen verwendet.

  • Angebot unter dem Marktpreis

    Diese Anforderung ist für die Praxis wenig geeignet.[56] Der Unternehmer müsste günstige Angebote kritisch hinterfragen und ggf. ablehnen, wodurch er sich um Geschäftschancen bringt und die preiswerte Ware Wettbewerbern überlässt. In Zeiten volatiler Preise und steigender Inflation wird sich der Marktpreis zum Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses nicht immer zuverlässig ermitteln lassen – man denke nur an die erheblichen Schwankungen der Gaspreise im Jahre 2022 in Folge des Krieges Russlands gegen die Ukraine. Aufgrund des BMF-Schreibens sollten (sofern möglich) die Gründe und besonderen Umstände für den günstigen Preis dokumentiert und für spätere Betriebsprüfungen archiviert werden.

  • Unübliche Barzahlungen bzw. Zahlungsabwicklung

    Hohe und regelmäßige Barzahlungen sollten auch aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen zur Geldwäsche kritisch hinterfragt werden, insbesondere wenn diese sich knapp unterhalb der offiziellen oder unternehmensinternen Meldeschwellen bewegen. Auch Konten in bekannten Steuerparadiesen sollten mit Vorsicht betrachtet werden, wenngleich es nicht verboten ist, Bankverbindungen z.B. in der Karibik zu unterhalten.

  • Wechselnde Ansprechpartner

    Dies betrifft sowohl häufig wechselnde Kontaktpersonen zu demselben Lieferanten oder Abnehmer, als auch Personen, die alle paar Monate für eine andere Firma auftreten. Hier ist es wichtig, die Mitarbeiter im Einkauf, Vertrieb oder der Warenannahme für die umsatzsteuerliche Problematik zu sensibilisieren, damit diese solche Auffälligkeiten als potentielles Risiko erkennen und intern melden.

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