Gewerbliche Infektion durch eigene Betätigung: Bei im übrigen vermögensverwaltenden Personengesellschaften konnte der Betrieb einer Photovoltaikanlage vor dem VZ 2022 zu einer gewerblichen Infektion nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 1 EStG führen. Dies war dann der Fall, wenn die Einnahmen aus Stromerzeugung mehr als 3 % der Gesamtnettoerlöse der Gesellschaft betragen und den Betrag von 24.500 EUR überstiegen haben (sog. Bagatellgrenze). Die gewerbliche Infektion hatte dann zur Folge, dass die Tätigkeit der Personengesellschaft in vollem Umfang als Gewerbebetrieb galt. Sämtliche Wirtschaftsgüter der Gesellschaft wurden dem Betriebsvermögen zugerechnet (Einlage). Von diesem Zeitpunkt an waren die stillen Reserven dieser Wirtschaftsgüter – insbesondere Grund und Boden sowie Gebäude – steuerverstrickt.
Gewerbliche Infektion durch Beteiligung: Die gleichen Rechtsfolgen ergaben sich nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 2 EStG, wenn eine im übrigen vermögensverwaltende Personengesellschaft gewerbliche Einkünfte aus der Beteiligung an einer Mitunternehmerschaft bezog, die mit Photovoltaikanlagen Strom erzeugte.
Suspendierung der gewerblichen Infektion: Verwirklicht eine im übrigen vermögensverwaltende Personengesellschaft ab dem VZ 2022 gewerbliche Einkünfte aus dem Betrieb einer nach § 3 Nr. 72 S. 2 EStG von der Besteuerung insgesamt befreiten Stromerzeugung oder ist an dieser als Mitunternehmerin beteiligt, wird die gewerbliche Infektion nach § 3 Nr. 72 S. 3 EStG suspendiert.
Aufdeckung stiller Reserven durch Zwangsentnahme: Hieraus folgert die Finanzverwaltung, dass in Bestandsfällen aus der nunmehr suspendierten gewerblichen Infektion eine Zwangsentnahme der der vermögensverwaltenden Tätigkeit dienenden Wirtschaftsgüter unter Aufdeckung der stillen Reserven folgt.
Vertrauensschutz: Aus Gründen des Vertrauensschutzes sieht die Finanzverwaltung von einer Entnahme ab, wenn die Verstrickung der stillen Reserven bis zum 31.12.2023 aus anderen Gründen wiederhergestellt ist.
Beraterhinweis Es ist fraglich, ob eine Gesetzesänderung eine zwangsweise Entnahme aus dem Betriebsvermögen begründen kann. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung setzt eine Entnahme vielmehr einen Entnahmewillen sowie eine Entnahmehandlung voraus. Dies erfordert regelmäßig ein aktives Tun. In diesen Fällen betreibt die Personengesellschaft die Photovoltaikanlagen jedoch unverändert weiter bzw. ändert an ihrer Stellung als Mitunternehmerin nichts. Auch bleibt die zugrunde liegende Tätigkeit steuerbar, wenn auch steuerfrei gestellt. Hinzu tritt, dass die weitreichenden Folgen einer Zwangsentnahme den Zielen des § 3 Nr. 72 EStG entgegenstehen. Vielmehr soll diese Neuregelung die Installation und den Betrieb von Photovoltaikanlagen fördern und die Energiewende unterstützen. Eine bewusste Entscheidung für eine – diesen Zielen zuwiderlaufende – gesetzliche Zwangsentnahme ist weder aus dem Regierungsentwurf des JStG 2022 noch aus der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages ersichtlich. Es ist daher im Einzelfall abzuwägen, die Verwaltungsauffassung gerichtlich prüfen zu lassen.