Betrieb einer steuerbefreiten PV-Anlage
Umfang einer Photovoltaikanlage
Eine Photovoltaikanlage besteht aus Solarmodul(en), Wechselrichter(n) und einem Einspeisezähler. Zu beachten ist insbesondere, dass "eine" bzw. "einem" jeweils im mathematischen Sinne zu verstehen ist. Mit anderen Worten: Ist nur ein Einspeisezähler vorhanden, liegt auch nur eine PV-Anlage vor.
Dies wurde im Erlass v. 7.12.2023 des FinMin Schleswig-Holstein (vgl. Kommentierung) noch anders gesehen. Trotz nur eines gemeinsamen Einspeisezählers sollten mehrere getrennte PV-Anlagen vorliegen; daran wird nun nicht mehr festgehalten.
Umfang der Steuerbefreiung
Ob die Einnahmen einer Photovoltaikanlage insgesamt steuerfrei sind, richtet sich nach der Summe der für die jeweiligen Gebäude geltenden Leistungsgrenzen.
Beispiel 1
Die Hofstelle besteht aus EFH, einem Stallgebäude und einer Maschinenhalle. Die Solarmodule auf dem EFH bringen eine Leistung mit 20 kWp, die auf dem Stallgebäude mit 30 kWp und auf der Maschinenhalle mit 30 kWp. Der Strom aus allen Modulen wird über einen Einspeisezähler ins Netz eingespeist.
Es liegt nur eine PV-Anlage mit 80 kWp vor. Die Einnahmen daraus sind nach § 3 Nr. 72 EStG steuerfrei, da bei gebäudebezogener Betrachtungsweise die jeweils geltenden Leistungsgrenzen nicht überschritten werden.
Eine Photovoltaikanlage kann nicht teilweise steuerbegünstigt sein.
Abwandlung Beispiel 1
Die Hofstelle besteht aus EFH, einem Stallgebäude und einer Maschinenhalle. Die Solarmodule auf dem EFH bringen eine Leistung mit 20 kWp, die auf dem Stallgebäude mit 30 kWp und auf der Maschinenhalle mit 40 kWp. Der Strom aus allen Modulen wird über einen Einspeisezähler ins Netz eingespeist.
Es liegt nur eine PV-Anlage mit 90 kWp vor. Die Einnahmen daraus sind nicht steuerfrei, da bei gebäudebezogener Betrachtungsweise die für die Maschinenhalle geltende Leistungsgrenze von 30 kWp überschritten wird.
Dies gilt auch, wenn sich Teile der PV-Anlage nicht auf, an oder in einem Gebäude befinden, z. B. einige Solarmodule auf einer Gartenfläche montiert sind. Beträgt die Leistung der Gartenmodule jedoch maximal 10 % der Gesamtleistung der PV-Anlage, bleibt dies für die Steuerbefreiung unschädlich.
Beispiel 2
Auf einem EFH befinden sich Solarmodule mit 20 kWp. Später werden im Garten des EFH noch weitere Module mit einer Leistung von 2 kWp installiert.
Die PV-Anlage ist insgesamt nach § 3 Nr. 72 EStG steuerfrei; denn die Gartenmodule überschreiten nicht 10 % der gesamten auf, an oder in einem Gebäude installierten PV-Leistung.
Liebhabereiprüfung
Bei der Prüfung, ob ein Totalgewinn erzielt werden kann, ist die Bewertung des eigenverbrauchten Stroms – abweichend von einer früheren Auffassung – ab sofort mit den Herstellungskosten anzusetzen. Hierzu wird auf die prognostizierten Gesamtkosten der voraussichtlich erzeugten Gesamtstrommenge in 20 Jahren zurückgegriffen.
Beispiel 3
Für eine PV-Anlage sollen 60 % des Stroms eingespeist werden, 40 % werden im privaten Haushalt verbraucht. Auf 20 Jahre wird eine Gesamtstrommenge mit 250.000 kWh erwartet und dazu werden Betriebsausgaben in 20 Jahren i.H.v. 30.000 EUR prognostiziert.
Damit betragen die Herstellungskosten = 0,12 EUR je kWh Strom. Neben den voraussichtlichen Einspeisevergütungen in den 20 Jahren sind weitere Betriebseinnahmen mit 12.000 EUR für den selbstverbrauchten Strom anzusetzen.
Betriebsausgabenüberhang
Der Abzug eines Betriebsausgabenüberhangs aufgrund der veranlagungszeitraumübergreifenden Betrachtung ist nach § 3c Abs. 1 EStG nicht möglich. Hierzu gehören insbesondere die Fälle mit nachlaufenden Betriebsausgaben zu ab dem VZ 2022 steuerfrei gestellten Photovoltaikanlagen. Dies sind z. B. Umsatzsteuerzahlungen oder Steuerberatungskosten für das Jahr 2021, die erst im Jahr 2022 bezahlt wurden. Diese Rechtsauffassung ist umstritten.
Die Finanzverwaltung gewährt für Einsprüche hiergegen mit Zustimmung des Einspruchsführenden ein Ruhen des Verfahrens aus Zweckmäßigkeitsgründen nach § 363 Abs. 2 Satz 1 AO. Aktuell sind folgende Klageverfahren anhängig: FG Nürnberg, Az. 4 K 1440/23, FG Münster, Az. 7 K 105/24 und 7 K 219/24, Niedersächsisches Finanzgericht, Az. 2 K 45/24, 5 K 52/24 und 3 K 131/24.
Investitionsabzugsbeträge
Nach Auffassung der Finanzverwaltung sind vor 2022 gewährte Investitionsabzugsbeträge nach § 7g Abs. 3 EStG für eine nach § 3 Nr. 72 EStG begünstigte Photovoltaikanlage wieder rückgängig zu machen. Auch dies ist umstritten.
Mit Zustimmung der Einspruchsführenden wird hierzu ebenfalls ein Ruhen des Verfahrens aus Zweckmäßigkeitsgründen nach § 363 Abs. 2 Satz 1 AO gewährt. Aktuell sind folgende Klageverfahren anhängig: FG Rheinland-Pfalz, Az. 2 K 1110/24 und Hessischses FG, Az. 10 K 162/24.
Gewerblich infizierten Mitunternehmerschaften
Kehrseite einer nach § 3 Nr. 72 EStG steuerbefreiten Photovoltaikanlage ist, dass eine bisher mögliche gewerbliche Infizierung bei ansonsten vermögensverwaltenden oder freiberuflichen Personengesellschaften nicht mehr erfolgt.
Dazu hat das BMF (Schreiben v. 17.7.2023, vgl. News) eine Vertrauensschutzregelung geschaffen. Nach dieser konnte von einer Besteuerung der stillen Reserven abgesehen werden, wenn bis zum 31.12.2023 die steuerliche Verstrickung des (ehemaligen) Betriebsvermögens anderweitig wieder hergestellt worden ist.
Die Inanspruchnahme dieser Übergangsregelung ist bereits im VZ 2022 zu überprüfen. Wurde diese nicht in Anspruch genommen, liegt mangels gewerblicher Infizierung bereits zum 1.1.2022 eine Betriebsaufgabe vor. Sämtliche Wirtschaftsgüter sind zu entnehmen und die darauf entfallenden stillen Reserven zu besteuern.
FinMin des Landes Schleswig-Holstein, Erlass v. 27.8.2024, VI 3010-S 2240-186
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