Prof. Dr. Reinhold Hölscher, Dr. Matthias Michael Nelde
Der Lieferantenkredit, als Teil der Handelskredite, stellt eine Form der kurzfristigen Fremdfinanzierung dar. Als kurzfristige Fremdfinanzierung gilt die Zuführung von Fremdkapital, das dem Unternehmen nicht länger als ein Jahr zur Verfügung steht. Handelskredite sind Kredite, die von einem Handelspartner des Unternehmens (Kunde, Lieferant) gewährt werden.
Dem Lieferantenkredit liegt ein Kaufvertrag zwischen einem Käufer bzw. Abnehmer (Kreditnehmer) und einem Lieferanten (Kreditgeber) zugrunde, wobei der Käufer vom Lieferanten Waren oder Dienstleistungen auf Ziel erhält, d. h. ihm wird die Zahlung des Kaufpreises gestundet. Das Zahlungsziel ergibt sich durch die im Kaufvertrag geregelte Verzögerung der Zahlung an den Lieferanten. Dem Kreditnehmer fließen folglich keine finanziellen Mittel direkt zu, er verschiebt lediglich die zu erbringende Auszahlung auf einen späteren Zeitpunkt. So kann er die Zahlung u. U. aus den erwarteten Verkaufserlösen der bezogenen Waren leisten.
Die Gewährung des Lieferantenkredits erfolgt i. d. R. formlos, d. h. der Kreditnehmer führt keine systematische Kreditwürdigkeitsprüfung durch, und die entstehenden Forderungen werden häufig durch Eigentumsvorbehalt abgesichert.
Für den Lieferantenkredit wird zwar kein expliziter Kreditzins in Rechnung gestellt, kostenlos ist der Lieferantenkredit jedoch nicht. Meist wird der Lieferantenkredit in Form von Skonto gewährt (so genannter Buchkredit), d. h. der Käufer erhält das Recht, innerhalb einer gesetzten Frist (Skontofrist) den Rechnungsbetrag um den angegebenen Skontobetrag (= Rechnungsbetrag × Skontosatz) zu verringern. Die Höhe des Skontosatzes und damit letztlich die Höhe der Kreditkosten einer Inanspruchnahme des Zahlungsziels sind abhängig von der Länge des Zahlungsziels, von branchenbedingten Usancen und von der Verhandlungsstärke der Geschäftspartner. Nach Ablauf der Skontofrist ist der Rechnungsbetrag in voller Höhe zu begleichen. Die effektiven Kosten des Lieferantenkredits entstehen, sobald die Skontofrist überschritten ist und können nach der folgenden Formel berechnet werden:
Ermittlung der Kosten des Lieferantenkredits
Ein Händler liefert eine Anlage zum Preis von 8.500 EUR. Die Zahlungsbedingungen lauten: "Zahlbar innerhalb von 30 Tagen netto Kasse oder innerhalb von 10 Tagen abzüglich 2 % Skonto." Der Skontosatz von 2 % bezieht sich dabei auf den Rechnungsbetrag von 8.500 EUR und stellt die Kosten für die Kreditgewährung vom zehnten Tag nach Lieferung bis zum dreißigsten Tag nach Lieferung dar. Wird der Skontoabzug genutzt, beläuft sich der Rechnungsbetrag auf lediglich 8.330 EUR (= 98 % × 8500 EUR). Die hinter dem Skontoabzug liegenden Opportunitätskosten in Höhe von 170 EUR sind als Finanzierungkosten für die 20-tägige Gewährung eines Kredits über 8.330 EUR zu verstehen. Um die Kosten des Lieferantenkredits mit anderen Kreditangeboten vergleichen zu können, muss der effektive Jahreszins berechnet werden. Die auf ein Jahr bezogenen Zinskosten ergeben sich, indem der Skontosatz, der für den Zeitraum vom Ablauf der Skontofrist bis zum Verstreichen der Zahlungsfrist gilt (hier: 20 Tage), auf ein ganzes Jahr resp. 360 Zinstage umgerechnet wird:
Das Beispiel, in dem durchaus marktgerechte Zahlungsbedingungen verwendet werden, verdeutlicht, dass der Lieferantenkredit erheblich teurer als ein banküblicher Kontokorrentkredit ist. Die Kreditkosten des Lieferantenkredits sinken allerdings, wenn die Skontobezugsspanne, d. h. also die Länge des Zahlungsziels, verlängert wird. Dies kann dadurch geschehen, dass der Abnehmer den Lieferantenkredit beansprucht, das Zahlungsziel aber überschreitet, ohne dass der Lieferant aufgrund einer schwächeren Marktposition Verzugszinsen erheben kann. Die trotz der hohen Kosten weite Verbreitung des Lieferantenkredits beruht einerseits auf der eher informellen Gewährung eines Lieferantenkredits. Der Abnehmer muss bei einem Lieferantenkredit keinen Kreditantrag stellen und wird auch nicht einer Kreditwürdigkeitsprüfung unterzogen. Ferner besteht durch das Hinauszögern der Zahlung über die Zahlungsfrist hinaus die Möglichkeit der kostenlosen Verlängerung des Kredits. Der Lieferant vereinbart zur Besicherung des Lieferantenkredits häufig einen Eigentumsvorbehalt.
Vor- und Nachteile des Lieferantenkredits
Der zentrale Nachteil eines Lieferantenkredits sind die mit ihm verbundenen hohen Kosten. Die Berechnung der Kreditkosten (Verzicht auf Skonto) hat gezeigt, dass hier erheblich schlechtere Konditionen gelten als bei anderen kurzfristigen Finanzierungsmöglichkeiten. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass der Kreditnehmer (bzw. Käufer) in eine starke Abhängigkeit gegenüber dem Lieferanten gerät. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn ein Unternehmen hohe Schulden bei einem einzigen Lieferanten hat. Des Weiteren haben Unternehmen häufig keine oder nur unzureichende Kenntnisse über den effektiven Zinssatz und somit über die letztendlichen Kosten des Kredits.
Der Vorteil des Lieferantenkredits lie...