Leitsatz
Die bei Vermögensübertragungen von Eltern auf Kinder bestehende Vermutung für das Vorliegen einer privaten Versorgungsrente ist jedenfalls dann entkräftet, wenn die Vertragsparteien Leistung und Gegenleistung wie unter Fremden nach kaufmännischen Gesichtspunkten gegeneinander abgewogen haben und subjektiv davon ausgegangen sind, dass die Leistungen im maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses in etwa wertgleich sind (Fortführung der Rechtsprechung; vgl. z.B. BFH, Urteil vom 29.1.1992, X R 193/87, BStBl II 1992, 465).
Normenkette
§ 4 Abs. 1 EStG , § 5 EStG , § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG , § 22 Nr. 1 EStG
Sachverhalt
Der Kläger betreibt auf dem Grundstück X eine Apotheke. Er hatte das Grundstück zunächst von seinem Vater (V) gemietet. Ende Oktober 1993 übertrug der damals 73-jährige V das Grundstück durch notariellen Kaufvertrag auf den Kläger. Besitz, Nutzungen und Lasten gingen am 1.11.1993 auf den Kläger über. Als Kaufpreis für das von den Vertragsparteien (realitätsgerecht) mit einem Verkehrswert von 1.120.000 DM bewertete Grundstück erbrachte der Kläger folgende Leistungen an V:
- In Höhe von 108.000 DM übernahm der Kläger Schulden des V.
- Ca. 74.000 DM wurden mit Darlehensschulden des V an den Kläger verrechnet.
- Der Kläger gewährte V bis an dessen Lebensende ab 1.11.1993 eine monatliche Leibrente i.H.v. 12.800 DM (Rentenbarwert ca. 937.000 DM).
V verstarb bereits im Februar 1994 und wurde allein vom Kläger beerbt. Der Kläger ermittelte den Gewinn aus seiner Apotheke für das vom Kalenderjahr abweichende Wirtschaftsjahr (1.5. bis 30.4.) durch Bestandsvergleich.
Das FA ging von einer betrieblichen Erwerbsrente aus. Es passivierte deshalb die Rentenverbindlichkeit zum 1.11.1993 mit ihrem Barwert (937.000 DM), setzte die vom Kläger an V gezahlten vier Monatsrenten als Betriebsausgaben an und löste mit Wirkung zum Abschlussstichtag (30.4.1994) den Passivposten "Rentenverbindlichkeit" (937.000 DM) gewinn- und gewerbeertragserhöhend auf. Dagegen setzte sich der Kläger mit dem Argument zur Wehr, es habe sich nicht um eine betriebliche Erwerbsrente, sondern um eine (nicht zu passivierende) private Versorgungsrente gehandelt.
Klage (EFG 2001, 756) und Revision des Klägers blieben erfolglos.
Entscheidung
Zu Recht habe das FG angenommen, dass der durch den Tod des V bewirkte Wegfall der Rentenverbindlichkeit zu einer Erhöhung des vom Kläger im Streitjahr (1994) erzielten laufenden Gewinns und des Gewerbeertrags geführt habe. Entgegen der Ansicht des Klägers habe es sich bei den an V gezahlten wiederkehrenden Bezügen nicht um eine private Versorgungsrente, sondern auf Seiten des V um eine Veräußerungsrente und auf Seiten des Klägers um eine betriebliche Erwerbsrente gehandelt. Denn die Vertragsbeteiligten hätten im notariellen Kaufvertrag Leistung und Gegenleistungen nach kaufmännischen Grundsätzen gegeneinander abgewogen. Damit sei die nach der Rechtsprechung bei Vermögensübertragungen zwischen nahen Angehörigen gegen wiederkehrende Bezüge bestehende – widerlegbare – Vermutung für den familiären und unentgeltlichen Charakter der Rente widerlegt.
Hinweis
1. Übertragen Eltern den Kindern ertragbringendes und existenzsicherndes Vermögen, so ist im Regelfall anzunehmen, dass Leistung und Gegenleistung nicht wie unter Fremden nach kaufmännischen Gesichtspunkten gegeneinander abgewogen sind. Vielmehr wird widerlegbar vermutet, dass die Rente unabhängig vom Wert des übertragenen Vermögens nach dem Versorgungsbedürfnis der Eltern und/oder nach der Ertragskraft des übertragenen Vermögens bemessen worden ist und insoweit familiären – außerbetrieblichen – Charakter hat (ständige Rechtsprechung). Diese für eine private Versorgungsrente sprechende – widerlegbare – Vermutung besteht indessen dann nicht, wenn die übertragenen Vermögenswerte einerseits und die Rentenverpflichtung (zuzüglich etwaiger weiterer Gegenleistungen) andererseits einander gleichwertig sind. Voraussetzung für eine (entgeltliche) Veräußerungs-/Erwerbsrente ist, dass die Vertragsbeteiligten subjektiv von der Gleichwertigkeit der beiderseitigen Leistungen ausgegangen sind (z.B. BFH, Urteil vom 16.12.1993, X R 67/92, BStBl II 1996, 669).
2. Im Streitfall hatten Vater und Sohn (Kläger) die gegenseitigen Leistungen nach kaufmännischen Gesichtspunkten gegeneinander abgewogen, so dass auf Seiten des Sohns, der das übertragene Grundstück für betriebliche Zwecke nutzte, eine betriebliche Erwerbsrente vorlag. Dies führte im Zusammenwirken mit dem frühzeitigen Tod des Vaters bereits vier Monate nach der Übertragung des Grundstücks zu der für den Sohn (Kläger) ertragsteuerlich gravierend nachteiligen Folge, dass der Wegfall der Rentenverbindlichkeit einen außerordentlichen betrieblichen Ertrag und damit eine Erhöhung der Einkommensteuer und Gewerbesteuer auslöste. Gehört – wie im Streitfall – das übertragene Vermögen beim Vermögensübergeber (Vater) zum Privatvermögen und wird es beim Vermögensübernehmer Betriebsvermögen, so sollten die Vertragspartner von dem hier gewählten...