[Ohne Titel]
cand. iur. Lennart Jacobs
Im ersten Teil des Beitrags wurden zunächst die Merkmale und Rechtsfolgen des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dargestellt. Im zweiten Teil werden nun die verschiedenen Möglichkeiten einer nachträglichen Änderung von Erbschaftsteuerbescheiden vorgestellt und die Problematik der veränderten Festsetzungsfrist (Ablaufhemmung des § 171 Abs. 14 AO) erörtert.
Inhaltsübersicht
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I. Einleitung (Teil I) |
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II. Änderung von Steuerbescheiden gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO (Teil I)
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1. Inhalt und Hintergrund der Norm (Teil I) |
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2. Anwendungsbereich (Teil I)
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a) Zeitlicher Anwendungsbereich |
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b) Sachlicher Anwendungsbereich |
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3. Die Tatbestandsmerkmale des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO (Teil I)
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a) Ereignis |
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b) Nachträglicher Eintritt |
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c) Steuerliche Wirkung für die Vergangenheit |
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4. Rechtsfolgen (Teil I) |
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III. Die nachträgliche Änderung von Erbschaftsteuerbescheiden (Teil II)
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1. Gesetzliche Änderungsvorbehalte (Teil II)
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a) Der Nachsteuervorbehalt in § 13 Abs. 1 ErbStG |
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b) Die Übertragung betrieblichen Vermögens
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aa) Verschonungsabschlag |
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bb) Lohnsummenregelung |
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cc) Fünfjährige Behaltensfrist |
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dd) Vorwegabschlag für "Familienunternehmen" |
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ee) Investitionsklausel |
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ff) Abschmelzmodell |
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gg) Keine Anwendbarkeit bei der Verschonungsbedarfsprüfung |
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c) Gesetzliche Fiktion mit Rückwirkung |
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2. Sonstige Änderungsmöglichkeiten (Teil II) |
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IV. Die veränderte Festsetzungsverjährung nach § 171 Abs. 14 AO (Teil II)
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1. Regelungsinhalt der Norm (Teil II) |
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2. Die Problematik des Wortlauts des § 171 Abs. 14 AO (Teil II) |
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3. Voraussetzungen der Norm (Teil II) |
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4. Relevanz für die Änderung von Erbschaftsteuerbescheiden (Teil II)
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a) Die Ablaufhemmung bei fehlender Steuerfestsetzung |
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b) Lösungsansätze für die Praxis |
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V. Fazit (Teil II) |
III. Die nachträgliche Änderung von Erbschaftsteuerbescheiden
Nichtperiodische Steuern wie die Erbschaftsteuer knüpfen punktuell an Einzelereignisse an. Im Rahmen des ErbStG tritt ein solches Ereignis in Gestalt eines Erbfalls oder einer Schenkung auf. Hierbei entsteht der Steueranspruch i.d.R. einmalig und ist der Begründung und Höhe nach eindeutig (vgl. § 38 AO i.V.m. §§ 9, 11 ErbStG), was damit den Abschluss des Sachverhalts zur Folge hat.
Aus der Fixierung des Steueranspruchs folgt, dass eine steuerliche Rückwirkung durch den nachträglichen Eintritt eines Ereignisses häufig feststellbar (Lehnert in Zugmaier/Nöcker, AO, 2022, § 175 Rz. 226) und die Erbschaftsteuer daher besonders empfänglich für die Anwendung des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist (v. Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, Stand: 4/2023, § 175 Rz. 300).
Im ErbStG gibt es eine Reihe von Vorbehalten, die materiell-rechtlich eine Steuer nachträglich entstehen lassen oder eine bereits gezahlte Steuer nachträglich entfallen lassen können. Greift der Tatbestand eines solchen Vorbehalts, so wird der bereits bestehende Bescheid rechtswidrig, was die potentielle Anwendbarkeit des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO begründet (Klomp in BeckOK/AO, Stand: 4/2023, § 175 Rz. 130).
1. Gesetzliche Änderungsvorbehalte
a) Der Nachsteuervorbehalt in § 13 Abs. 1 ErbStG
§ 13 ErbStG sieht für bestimmte Vermögensanfalle Befreiungen bzw. Teilbefreiungen von der Erbschaftsteuer vor. Diese stehen häufig unter einem Nachsteuervorbehalt, der bei Nichterfüllung bestimmter Voraussetzungen Anwendung findet. Greift dieser Vorbehalt, so stellt dies die materiell-rechtliche Grundlage für die Anwendung des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar.
Nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG wird ein Katalog von "Kulturgütern" (Hannes/Holtz in Meincke/Hannes/Holtz, ErbStG, 18. Aufl. 2021, § 13 Rz. 8; Kobor in Fischer/Pahlke/Wachter, ErbStG, 8. Aufl. 2023, § 13 Rz. 10) teilweise (lit. a) oder unter den Voraussetzungen von lit. b gänzlich von der Erbschaftsteuer befreit. Wird ein solches Kulturgut aber innerhalb von zehn Jahren nach Erwerb veräußert, so entfällt gem. § 13 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG die Steuerbefreiung. Die Veräußerung stellt dabei ein rückwirkendes Ereignis und damit die Grundlage für die nachträgliche Änderung des Steuerbescheids dar (Viskorf in Viskorf/Schuck/Wälzholz, ErbStG/BewG, 6. Aufl. 2020, § 13 ErbStG Rz. 30).
§ 13 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 ErbStG befreit Grundbesitz für Zwecke der Volkswohlfahrt (insb. Parks und Grünanlagen; Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, Stand: 2/2023, § 13 Rz. 50), der der Allgemeinheit freiwillig zugänglich gemacht wird und dessen Erhaltung im öffentlichen Interesse liegt, vollständig von der Erbschaft- und Schenkungsteuer. Auch diese Steuerbefreiung steht gem. Satz 2 unter der Bedingung einer zehnjährigen Behaltensfrist nach Erwerb des Grundbesitzes. Wird diese Frist nicht eingehalten, greift der Nachsteuervorbehalt und der Steuerbescheid kann nachträglich geändert werden (Gibhardt in BeckOK/ErbStG, Stand: 4/2023, § 13 Rz. 105).
Der todesbedingte Erwerb eines Familienheims, bei dem ein Ehegatte vor dem anderen verstirbt, ist grundsätzlich gem. § 13 Abs. 1 Nr...