Leitsatz (amtlich)
Die Regelungen des Art. 102§ 6 EGInsO und des § 346 InsO über die abgespaltene verbindliche Prüfungszuständigkeit des Insolvenzgerichts bei Anträgen auf Eintragung des Insolvenzvermerks über ein ausländisches Insolvenzverfahren in ein deutsches Grundbuch sind nicht auf andere Fälle analog anzuwenden, in denen das Grundbuchamt anlässlich einer einzelnen Entscheidung vor der Frage steht, welche Rechtswirkungen die Eröffnung eines bestimmten ausländischen Insolvenzverfahrens hat und in welchem Umfang die Wirkungen im Inland anzuerkennen sind.
Die Eintragung des Insolvenzvermerks ist nicht Voraussetzung für die Anerkennugn der Befugnisse des ausländischen Insolvenzverwalters im deutschen Grundbuchverfahren.
Normenkette
EuInsVO Art. 22; EGInsO Art. 102 § 6; InsO § 346
Tenor
Aufgrund der Vorlage des Amtsgerichts Duisburg-Hamborn (Grundbuchamt) vom 04.01.2010 ergeht kein Eintragungsersuchen des Amtsgerichts Duisburg (Insolvenzgericht).
Tatbestand
I.
Beim Amtsgericht Duisburg-Hamborn ist im Grundbuch von Hamborn auf Blatt … in Abteilung III unter Nr. 1 eine Grundschuld zugunsten der H. B.V. mit Sitz in Maastricht, Niederlande, eingetragen. Mit Entscheidung vom 12. 5. 2009 hat die Rechtbank Maastricht diese Gesellschaft für im Zustand des Faillissements erklärt („verklaart … in staat van faillissement”) und den niederländischen Rechtsanwalt B. zum Curator bestellt.
Am 9. 12. 2009 ist beim Grundbuchamt der Antrag des Notars Dr. F. eingegangen, diese Grundschuld zu löschen. Dem Antrag ist eine notariell beglaubigte Erklärung beigefügt, mit der Rechtsanwalt B „als Insolvenzverwalter über das Vermögen der H. B.V.” die Löschung bewilligt. Das Grundbuchamt hat den Antrag mit der Bitte um Prüfung und ggf. weitere Veranlassung gemäß Art. 102§ 6 EGInsO dem Amtsgericht Duisburg als Insolvenzgericht vorgelegt.
Entscheidungsgründe
II.
Die Vorlage ist nicht als Weiterleitung eines Eintragungsantrags nach Art. 102§ 6 Abs. 1, 3 EGInsO, Art. 22 EuInsVO zu behandeln. Das Amtsgericht Duisburg als Insolvenzgericht ist für die Entscheidung über insolvenzrechtliche Vorfragen im Zusammenhang mit dem Löschungsantrag des Notars Dr. F. vom 7. 12. 2009 nicht zuständig. Das Insolvenzgericht kann dem Grundbuchamt nur seine nicht bindende Rechtsauffassung mitteilen.
1. Ist im Geltungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 (im Folgenden: EuInsVO) ein anerkennungsfähiges Hauptinsolvenzverfahren, d.h. ein Insolvenzverfahren über das gesamte Vermögen eines Schuldners im Sinne von Art. 3 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 lit. a), Art. 27 EuInsVO, eröffnet worden und gehören zur Insolvenzmasse Rechte an Grundstücken, so ist auf Antrag des Insolvenzverwalters die Verfahrenseröffnung in den übrigen EU-Mitgliedsstaaten in das Grundbuch einzutragen (Art. 22 EuInsVO). Nach den deutschen Ausführungsbestimmungen zu dieser Vorschrift (Art. 102§ 6 Abs. 1, § 1 Abs. 3 EGInsO) und dem deutschen autonomen Internationalen Insolvenzrecht (§§ 343 ff., 346 InsO) ist ein solcher Antrag des ausländischen Insolvenzverwalters an das Insolvenzgericht zu richten, in dessen Bezirk das inländische Grundvermögen des Schuldners liegt. Das Grundbuchamt trägt den Insolvenzvermerk nur auf Ersuchen des Insolvenzgerichts ein. Die gesamte Prüfung der kollisions- und insolvenzrechtlichen Voraussetzungen des beantragten Insolvenzvermerks, insbesondere der rechtlichen Einordnung (Qualifikation) und Anerkennungsfähigkeit des ausländischen Verfahrens sowie seiner Auswirkungen auf die Verfügungsbefugnis des Schuldners obliegt allein dem Insolvenzgericht. Seine rechtliche Beurteilung ist für das Grundbuchamt bindend. Diese Regelungen, die dem Insolvenzgericht abgespaltene Teilfunktionen des Grundbuchamts zuweisen (vgl. MünchKomm-InsO/Schmahl, 2. Aufl. 2007, §§ 32, 33 RdNr. 46, § 31 RdNr. 55), beruhen auf der Überlegung, dass sich bei den Insolvenzgerichten im Laufe der Zeit ein gewisser Sachverstand über grenzüberschreitende Insolvenzverfahren bildet und sie deshalb in besonderer Weise geeignet sind, die Voraussetzungen für die Eintragung des Insolvenzvermerks zu überprüfen (vgl. Begr. RegE des Gesetzes zur Neuregelung des Internationalen Insolvenzrechts, 2002, zu Art. 102§ 5 EGInsO, BT-Drucks. 15/16, S. 15 f.). Die Zuständigkeitskonzentration soll die Grundbuchämter entlasten und einander widersprechende Entscheidungen verschiedener Gerichte über die Anerkennung desselben ausländischen Verfahrens vermeiden (Begr. RegE zu Art. 102§ 6 EGInsO und § 346 InsO, BT-Drucks. 15/16, S. 16, 22).
2. Der vorgelegte Löschungsantrag vom 9. 12. 2009 enthält keinen ausdrücklichen Antrag des niederländischen Curators, vor der Löschung der Grundschuld noch die Eröffnung eines niederländischen Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Grundschuldgläubigerin in das Grundbuch einzutragen. Der Antrag kann auch nicht so ausgelegt werden. Dem ausländischen Insolvenzverwalter ist es nämlich durch Art. 22 Abs. 1 EuInsVO nicht verwehrt, nach pflichtgemäßem Ermessen von einem Antrag auf Eintragung des allgeme...