Eine seit langem kontrovers diskutierte Frage hinsichtlich des Umfangs der Akteneinsicht im Steuerstrafverfahren ist, ob von dem Recht auch die Einsicht in das Fallheft der Betriebsprüfung und der Steuerfahndung umfasst ist. Hier wird entsprechend den obigen Ausführungen zur Handakte der Staatsanwaltschaft die Ansicht vertreten, dass ein finanzbehördliches Fallheft dem Einsichtsrecht unterliegt. Da diese Problematik eine hohe Praxisrelevanz aufweist, soll diese näher beleuchtet werden. Das Fallheft kann im Steuerstrafverfahren insofern eine Rolle spielen, als der jeweilige Prüfer als Zeuge seine Aussagen auf Feststellungen im Fallheft stützt oder – wesentlich bedeutender – entlastende Vorgänge lediglich im Fallheft dokumentiert werden bzw. gezielt aus der Ermittlungsakte in das Fallheft aussortiert werden. Hierbei kommt es in der Praxis häufig zum Streit zwischen Finanzbehörde und dem Verteidiger des Beschuldigten. Die Finanzbehörden lehnen regelmäßig die Einsicht in die Fallhefte ab. Die Überprüfung der Vollständigkeit der Akten obliegt dabei dem Gericht, wobei das Gericht allerdings keinen Einblick in die internen behördlichen Vorgänge erhält.
Beachten Sie: Vorab ist allerdings die weit verbreitete Fehlvorstellung auszuräumen, dass das sog. Fallheft des Betriebsprüfers oder Steuerfahnders nicht vergleichbar ist mit der korrekt geführten Handakte des Staatsanwalts, die meist nur die Anklageschrift, ein paar Notizen zur öffentlichen Hauptverhandlung sowie Notizen für das spätere Plädoyer enthält. Bereits der Umfang der Akten der Betriebsprüfer und Steuerfahnder, die diese bei einer Zeugenvernehmung gerne mit in die Hauptverhandlung bringen, legt auf die Hand, dass diese sog. Fallhefte nicht mit der Handakte des Staatsanwalts vergleichbar sind.
Nach einer in der Verwaltung verbreiteten und von der Rspr.teilweise gestützten Ansicht bezieht sich die Akteneinsicht nicht auf die Fallhefte des Betriebsprüfers und des Steuerfahndungsprüfers, da diese ausschließlich behördeninterne Vorgänge enthalten, die mit der Handakte der Staatsanwaltschaft gleichzusetzen seien. Die Einsicht in die Handakte der Staatsanwaltschaft sei ausgeschlossen. Dabei steht außer Frage, dass Unterlagen nicht bewusst in die Handakte eingeheftet werden dürfen, einzig um sie dem Akteneinsichtsrecht zu entziehen. Darüber hinaus soll ein Einsichtsrecht nur dann in Betracht kommen, wenn die Verteidigung konkrete Anhaltspunkte vorträgt, die auf verfahrensrelevante Erkenntnisse in dem Fallheft hindeuten. Nicht ausreichend sei der abstrakte Hinweis, dass es in der Vergangenheit Verfahren gegeben habe, in denen Steuerfahnder in der Hauptverhandlung Aussagen getätigt und sich hierbei auf das Fallheft bezogen hätten. Ansonsten entscheide die Ermittlungsbehörde, welche Vorgänge zum Inhalt der Ermittlungsakten werden. Die verfassungsrechtlichen Stützen des Akteneinsichtsrechts hätten nicht den Sinn und Zweck, dem Beschuldigten einen Zugang zu dem Gericht nicht bekannten Tatsachen zu erzwingen. Ein solcher eine Vorlagepflicht begründender Anhaltspunkt stellt bspw. das Fehlen des Rotberichts in der Ermittlungsakte dar.
Gegen diese Ansicht bestehen indes generelle Bedenken. Das Fallheft enthält oftmals nicht nur behördeninterne Vorgänge. Vielmehr betreffen sämtliche Vorgänge den Steuerpflichtigen. In den Fallheften ist keine einzige persönliche nur den Fahnder oder Prüfer betreffende Notiz enthalten. Vielmehr wird in dem Fallheft (auch) der Ablauf der – den Beschuldigten betreffenden – Prüfung dokumentiert. Das Fallheft eines Prüfers kann bspw. Rückschlüsse darauf geben, auf welcher Tatsachengrundlage dieser eine Schätzung durchgeführt oder ggf. verworfen hat, die aufgrund der Besonderheit des materiellen Steuerstrafrechts insoweit auch Grundlage für eine Schätzung im Steuerstrafverfahren sein kann. Die Praxis zeigt darüber hinaus, dass das Fallheft jedenfalls in Einzelfällen dazu verwendet wird, für das Strafverfahren relevante Vorgänge mithilfe des Fallhefts der Einsicht zu entziehen. Für die Verteidigung besteht ohne eine Einsicht keine Möglichkeit zu prüfen, ob Unterlagen bewusst im Fallheft der Einsicht entzogen wurden. Sie müsste hellseherische Fähigkeiten haben, um ihrer Pflicht nachzukommen, ohne Kenntnis des Inhalts konkrete Anhaltspunkte vortragen, die auf verfahrensrelevante Erkenntnisse in dem Fallheft hindeuten. Die Verteidigung muss daher die Möglichkeit erhalten, sich während des gesamten Verfahrens jederzeit selbst davon zu überzeugen, dass alle auch nur möglicherweise relevanten Dokumente aus den Betriebsprüfungsakten tatsächlich zu den Strafakten gelangt sind. Der Vorsitzende hat im Rahmen seiner Sachaufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO von Amts wegen zu prüfen, ob es sich um für das Verfahren möglicherweise relevante Vorgänge handelt, und wenn ja, für ihre Beziehung Sorge zu tragen und sie dann auch der Verteidigung zur Einsichtnahme zu Verfügung zu stellen.
Das Argument, dass auch die Fina...