Leitsatz
1. Leistet der Kommanditist zusätzlich zu der im Handelsregister eingetragenen, nicht voll eingezahlten Hafteinlage eine weitere Bareinlage, so kann er im Weg einer negativen Tilgungsbestimmung die Rechtsfolge herbeiführen, dass die Einlage nicht mit der eingetragenen Haftsumme zu verrechnen ist, sondern im Umfang ihres Werts die Entstehung oder Erhöhung eines negativen Kapitalkontos verhindert und auf diese Weise nach § 15a Abs. 1 S. 1 EStG zur Ausgleichs- und Abzugsfähigkeit von Verlusten führt (Anschluss an Senatsurteil vom 11.10.2007, IV R 38/05, BFH/NV 2008, 274, BFH/PR 2008, 94).
2. Wird das im Rahmen eines sog. Vier-Konten-Modells eingerichtete "Darlehenskonto" eines Gesellschafters infolge von gesellschaftsvertraglich nicht vorgesehenen Auszahlungen negativ, so weist das nunmehr aktivische "Darlehenskonto" eine Forderung der Gesellschaft gegenüber dem Gesellschafter aus mit der Folge, dass es in die Ermittlung des Kapitalkontos des Kommanditisten nach § 15a Abs. 1 EStG nicht einzubeziehen ist.
Normenkette
§ 15a Abs. 1 EStG, § 167 Abs. 2 HGB
Sachverhalt
Eine Schiffsholding GmbH & Co. KG mit einem voll eingezahlten Kommanditkapital von 25 Mio. DM hatte ihren Kommanditisten im Jahr 1993 einen Liquiditätsüberschuss aus dem Verkauf eines Schiffs von ca. 15 Mio. DM ausgezahlt. Diese Beträge wurden auf Gesellschafter-Verrechnungskonten gebucht, die dadurch einen Aktivsaldo auswiesen. Mitte 1994 beschlossen die Gesellschafter zunächst eine Kapitalerhöhung um 5 Mio. DM, die nicht ins Handelsregister eingetragen werden sollte, und leisteten entsprechende auf einem Konto Kapitalrücklage gebuchte Einlagen. Ende 1994 wurde eine weitere, diesmal aber einzutragende Kapitalerhöhung von 18 Mio. DM beschlossen. Die Eintragung erfolgte noch im Dezember, Einzahlungen auf diese Einlage wurden 1994 nicht mehr geleistet.
Von dem Verlust des Jahrs 1994 i.H.v. ca. 23 Mio. DM behandelte das FA knapp 6 Mio. DM als lediglich verrechenbar und erließ einen entsprechenden Feststellungsbescheid nach § 15a Abs. 4 EStG. Die aktivischen Gesellschafterkonten waren nach Meinung des FA Bestandteil des Kapitalkontos i.S.d. § 15a EStG. Die nicht eingetragene Einlage sei auf die Hafteinlage (zurück-)gezahlt worden.
Das FG sah die zusätzliche Einlage nicht als auf die Hafteinlage geleistet an und gab der Klage insoweit statt.
Entscheidung
Die gegen das FG-Urteil (FG Hamburg, Urteil vom 20.10.2006, 7 K 151/04, Haufe-Index 1680946, EFG 2007, 405) eingelegte Revision des FA wies der BFH zurück. Der zugleich von der KG eingelegten Revision gab der BFH statt, weil er die aktivischen Gesellschafterkonten als das Kapital i.S.d. § 15a EStG nicht mindernde Forderungskonten ansah.
Hinweis
1. Das Urteil enthält über die von den beiden Leitsätzen erfassten Rechtsfragen hinausgehende grundsätzliche Ausführungen zur Behandlung der gesetzlichen und gesellschaftsvertraglich vereinbarten Kapitalkonten von Kommanditisten im Rahmen des § 15a EStG.
a)Gesetzlicher Grundfall ist ein Zwei-Konten-System. Das Kapitalkonto ist beweglich und erfasst alle Einlagen, Entnahmen und Verluste sowie bis zur vollständigen Erbringung der Hafteinlage auch Gewinnanteile. Nach Erbringung der Hafteinlage entstehende Gewinnanteile können vom Kommanditisten jederzeit entnommen werden und sind einem zweiten Konto gutzuschreiben. Dieses Konto weist also eine Forderung des Gesellschafters gegenüber der KG aus und ist deshalb nicht Bestandteil des Kapitalkontos i.S.d. § 15a EStG.
b)Gesellschaftsvertraglich werden meist Zwei-, Drei- und Vierkontensysteme gewählt.
Beim Zwei-Konten-Modell ist nicht nur das Kapitalkonto I für § 15a EStG von Bedeutung, sondern auch das Kapitalkonto II, weil auf dem Kapitalkonto II Gewinne, Verluste und Entnahmen gebucht werden.
Beim Drei-Konten-Modell werden auf dem Kapitalkonto II nicht entnehmbare Gewinne sowie die Verluste, auf dem Kapitalkonto III entnehmbare Gewinne, sonstige Einlagen und Entnahmen gebucht. Das Kapitalkonto III ist deshalb ein Forderungskonto und nicht Bestandteil des für § 15a EStG maßgeblichen Kapitals.
Das Vier-Konten-Modell unterscheidet sich vom Drei-Konten-Modell durch ein eigenständiges Verlustvortragskonto. Dadurch wird das sog. Kapitalkonto II ebenfalls zum Forderungskonto, denn ein Guthaben wird nicht mehr mit Verlusten verrechnet. Für Zwecke des § 15a EStG sind danach nur Kapitalkonto I und Verlustvortragskonto zu berücksichtigen.
c) Im Besprechungsfall war ein Vier-Konten-Modell vereinbart, sodass grundsätzlich die dort "laufende Gesellschafterkonten" genannten Konten als Darlehen zu beurteilen waren. Das FA behandelte die Konten aber deshalb als Kapitalkonten, weil sie negativ waren. Der BFH stellt nun klar, dass jedenfalls bei gesellschaftsvertraglich nicht vorgesehenenAuszahlungen der Forderungscharakter – mit umgekehrten Vorzeichen – unberührt bleibt: Die Gesellschaft hat eine Rückzahlungsforderung. Lediglich bei gesellschaftsvertraglich vorgesehenen Auszahlungen ist von einem Gewinnvorschuss auszugehen, der nicht zurückgezah...