Forderungen aus der Ukraine oder Russland müssen jetzt unter Berücksichtigung der Kriegssituation neu bewertet werden. Auch im palästinensischen Krisengebiet muss die Werthaltigkeit der Forderungen geprüft werden. Für viele Geschäftsbeziehungen in die Ukraine gibt es keine rechtlichen oder institutionellen Hindernisse. Auch für Beziehungen zu Kunden in Israel, den palästinensischen Gebieten oder in anderen arabischen Staaten unterliegen im Gegensatz zu vielen russischen Kunden keinen Sanktionen. Doch wird es das ukrainische Unternehmen nach dem Krieg noch geben und wird es in der Lage sein, seine Verbindlichkeiten zu bezahlen? Welchen Einfluss haben die Angriffe der Hamas oder anderer Terrororganisationen auf die wirtschaftliche Situation des israelischen oder arabischen Kunden? Diese Fragen gelten vergleichbar auch für Kunden in Russland, Belarus, Israel und anderen Ländern der Region. Die Trennung russischer Banken vom internationalen Zahlungsverkehr macht es den russischen Unternehmen zwar nicht unmöglich, ihre Verbindlichkeiten gegenüber westlichen Unternehmen zu erfüllen, es entstehen jedoch wesentliche Hürden. Wegen der politisch gewollten Schwächung der russischen Wirtschaft durch weitgehende Sanktionen werden viele russische Unternehmen auch nach Ende des Kriegs nicht in der Lage sein, die Schulden in deutschen und anderen westlichen Unternehmen zu begleichen. Die wirtschaftlichen und politischen Auswirkungen der kriegerischen Aktivitäten in Palästina werden vielen arabischen Kunden von deutschen Unternehmen Probleme bereiten.
Was zum nächsten Bilanzstichtag zu tun ist
Die Wertberichtigung der Forderungen in der Buchhaltung gegen die Kunden in den vom Krieg und von den Sanktionen betroffenen Ländern wird zwingend notwendig zum nächsten Bilanzstichtag. Doch ein ordentlicher Kaufmann muss wissen, ob und wie weit sein Unternehmen betroffen ist. Daher muss zumindest aktuell geschätzt werden, wie hoch die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf das Unternehmen noch sein werden und wie hoch die Auswirkungen aus den neuen Krisengebieten sind. Dazu gehört der Wert der ausgewiesenen Forderungen, aber auch alle noch folgenden Neueinschätzungen. Die Lage muss regelmäßig neu bewertet werden, wenn neue, aktualisierte Informationen vorliegen.
Die Anpassung der Bewertung der Forderungen an die Krisensituation muss einige Bedingungen erfüllen, die sich grundsätzlich nicht von den Bewertungen aller Forderungen des Unternehmens auch ohne kriegerische Verhältnisse unterscheiden. Wegen der besonderen Ausgangslage müssen diese Bedingungen jetzt besonders genau erfüllt werden:
Individualität: Jeder Debitor muss individuell geprüft und beurteilt werden. Für eine erste Einschätzung kann ein pauschaler Abwertungsprozentsatz sinnvoll sein, für eine steuerrechtlich zulässige Abwertung muss eine individuelle Entscheidung herbeigeführt werden.
Information: Die Entscheidung zur Bewertung der Forderungen muss auf aktuellen Informationen beruhen. Diese aus zuverlässigen Quellen zu erhalten ist im Ukraine-Krieg auch nach vielen Monaten noch schwierig. Im Konflikt in Palästina gibt es bislang kaum überprüfte Informationen und belastbare Zukunftseinschätzungen.
Zeitbezug: Für eine bilanzielle Bewertung der betroffenen Forderungen ist die Situation zum Bilanzstichtag zugrunde zu legen. Für die Einschätzung der Auswirkungen auf das Unternehmen werden auch die erwarteten Vorgänge in der Zukunft berücksichtigt.
Dokumentation: Die Bewertungsänderung der Forderungen hat Auswirkungen auf weitere Entscheidungen und Vorgänge. Sie bestimmt das Ergebnis des Unternehmens und damit die Steuerschuld. Sie hat Einfluss auf die Liquidität und wird für Bankverhandlungen benötigt. Daher ist die Neubewertung exakt zu dokumentieren, um die getroffenen Entscheidungen auch später noch genau nachvollziehen zu können.