Mit sog. Cum-Ex-Aktiengeschäften werden Profite aus der unberechtigten Geltendmachung nicht einbehaltener KapESt nebst SolZ generiert und über den Abschluss von Kurssicherungsgeschäften unter den Beteiligten verteilt. Dabei verkaufte der Veräußerer in zeitlicher Nähe zum Tag der Hauptversammlung, aber noch vor dessen Ablauf, Aktien mit Dividendenanspruch ("Cum-Aktie"), die er nicht in seinem Bestand hatte, sondern sich zur Erfüllung seiner Lieferpflicht innerhalb der mit dem Käufer vereinbarten Frist im Rahmen eines Eindeckungsgeschäftes mit kürzerer Lieferfrist erst selbst noch besorgen musste (sog. Leerverkauf). Die Eindeckungsgeschäfte wurden schuldrechtlich über Aktien abgeschlossen, die keinen Dividendenanspruch mehr beinhalteten ("Ex-Aktien") und in den abgeurteilten Fällen regelmäßig aus dem Bestand von großen institutionellen Anlegern stammten. Zur Kompensation dafür, dass die dem Leerkäufer gelieferten Aktien keinen Dividendenanspruch mehr enthielten, zahlte der Leerverkäufer an die Anleger eine Dividendenkompensation in Höhe der Nettodividende (zum vormals sog. Dividendenstripping vgl. Tormöhlen in Korn, EStG, § 36a Rz. 1 [März 2020]).
Wenn der gesetzlich vorgesehene Steuerabzug (§ 44 Abs. 1 S. 3 EStG) durch die für den Verkäufer der Aktien den Verkaufsauftrag ausführende inländische Bank unterblieben ist und die Leerkäufer neben der Dividendenkompensationszahlung die begehrte Steuerbescheinigung nach § 45a EStG (vgl. zur materiell-rechtlichen Voraussetzung des Vorliegens der Steuerbescheinigung für die Steueranrechnung: Gosch in Kirchhof/Seer, EStG, 20. Aufl. 2021, § 36 Rz. 11; Weiland in Frotscher/Geurts, EStG, § 36 Rz. 41 [September 2021]; Tormöhlen in Korn, EStG, § 36 Rz. 37.1 [Mai 2020]) über einbehaltene KapESt nebst SolZ gem. § 45a EStG ausgestellt bekommen oder sich selbst als Depotbank ausgestellt haben und diese Steuerbescheinigungen bei der jeweils zuständigen FinBeh. vorlegten und damit erreichten, dass KapESt und SolZ erstattet oder angerechnet wurde, liegt hierin jeweils eine Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, da unrichtige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen gemacht wurden (vgl. Schott in Hüls/Reichling, Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2020, § 370 AO Rz. 100; Tormöhlen in Papperitz/Keller, ABC Betriebsprüfung, Fach 5 Stichwort "Steuerhinterziehung" Rz. 13.1 [September 2019]).
BGH v. 28.7.2021 – 1 StR 519/20