Im Fall hatte der Kläger (durch seinen Prozessbevollmächtigten) mit Schreiben vom 24.10.2023 (Eingang bei Gericht am 30.10.2023) per Post Klage erhoben. Unter dem 6.11.2023 wies das Gericht den Prozessbevollmächtigten darauf hin, dass er zu dem in § 52d FGO genannten Kreis derjenigen gehöre, die vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument zu übermitteln hätten (sog. aktive Nutzungspflicht). Die Klage sei daher nicht wirksam erhoben worden. Der Prozessbevollmächtigte teilte daraufhin unter dem 8.11.2023 mit, dass die elektronische Übermittlung zum damaligen Zeitpunkt aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich gewesen sei. Konkret handele es sich um die fehlende Rechtevergabe zur Nutzung des elektronischen Steuerberaterpostfaches (beSt) auf dem Datev Arbeitsplatz in der Version V. 14.22. (wird ausgeführt) Hilfsweise beantragte er die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 56 FGO.
Auf weitere Aufforderung des Gerichts zur Glaubhaftmachung und insb. nachvollziehbaren Schilderung der bisher lediglich behaupteten vorübergehenden technischen Störung, übersandte der Prozessbevollmächtigte am 17.11. eine Bestätigung seines Mitarbeiters aus der IT-Abteilung, in der die Einrichtung der beSt Postfächer und die Störung durch das Update und die Probleme mit der Rechtvergabe geschildert wurden.
Das Gericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Der Prozessbevollmächtigte sei gem. § 52d FGO verpflichtet gewesen, das beSt zu nutzen. Auch eine zulässige Ersatzeinreichung gem. § 52d S. 3 FGO liege nicht vor. Diese sei bereits dem Wortlaut der Vorschrift nach auf Fälle der vorübergehenden technischen Unmöglichkeit beschränkt. Der Gesetzgeber habe die Möglichkeit der Ersatzeinreichung zudem ausdrücklich nur für technische Gründe geschaffen, wenn – etwa wegen eines Serverausfalls – die elektronische Übermittlung vorübergehend nicht möglich ist. Auch greife die Vorschrift nur bei technischen Problemen im Rahmen der Verwendung des vollständig eingerichteten beSt ein.
Eine solche habe der Prozessbevollmächtigte mit dem Hinweis darauf, dass er bis zu dem sog. "großen" Jahresupdate der DATEV-Programme für die entsprechenden Funktionen zum Senden von beSt Nachrichten freigeschaltet gewesen sei und dass das Jahresupdate in seinem Büro immer ca. 4–8 Wochen nach dem Release installiert werde und es durch das Update eine Störung bei der Rechtevergabe gegeben, die nicht sofort bemerkt worden sei, nicht vorgetragen. Es fehle an Zeitpunkt und Dauer der Störung. Damit habe der Prozessbevollmächtigte nicht dargelegt, ab wann und bis wann die technische Störung vorgelegen habe.
Hinzu komme, dass der BFH bereits Zweifel daran formuliert hat, ob es sich bei einer "EDV- und Serverumstellung" überhaupt um eine technische Störung handelt (BFH v. 23.1.2024 – IV B 46/23, AO-StB 2024, 65 [Bick] = BFH/NV 2023, 392).
Dies könne aber letztlich dahinstehen, weil der Prozessbevollmächtigte die Störung nicht unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, glaubhaft gemacht habe. Denn die technische Störung sei bereits bei der Übersendung der Klage auf dem Postweg bekannt gewesen. Sie habe daher zusammen mit dieser Übersendung glaubhaft gemacht werden müssen. Etwas anderes könne allenfalls dann gelten, wenn das technische Defizit tatsächlich erst kurz vor Fristablauf bemerkt werde und daher nicht mehr genügend Zeit für die gebotene Darlegung und Glaubhaftmachung in dem ersatzweisen einzureichenden Schriftsatz verbleibe.
Eine Absage hat das Gericht den Rechtsausführungen in dem BFH-Beschl. v. 17.4.2024 – X B 68, 69/23 erteilt. Soweit der BFH darin ausgeführt habe, dass Zweifel daran bestünden, dass die StBPPV wirksam in Kraft getreten sei, seien diese Zweifel nicht geboten. Vielmehr sei unschädlich, dass die Ermächtigungsgrundlage, § 157d StBerG, erstmals nach Ablauf des 31.12.2022 anzuwenden und die StBPPV schon am 25.11.2022 erlassen und am 30.11.2022 (BGBl. I 2022, 2105 v. 30.11.2022) verkündet worden sei. Denn für die Verwendung einer Ermächtigungsgrundlage zum Erlass einer Verordnung komme es nicht auf deren Anwendbarkeit, sondern auf deren Inkrafttreten als Abschluss des gesetzgeberischen Willensbildungsprozesses an. Diese Handhabung sei auch gängige Staatspraxis (wird ausgeführt).
Nds. FG v. 2.7.2024 – 7 K 187/23, Revision zugelassen