Bei der Verschmelzung der Organgesellschaft stellte sich die Frage,
- ob ein Übertragungsgewinn der Zurechnung an den Organträger unterliegt, oder
- ob die Organgesellschaft diesen Übertragungsgewinn selbst zu versteuern hat.
Nach bisheriger Auffassung der Finanzverwaltung im UmwSt-Erlass 2011 war dem Organträger der steuerliche Übertragungsgewinn nicht nach § 14 Abs. 1 S. 1 KStG zuzurechnen, sondern von der Organgesellschaft selbst als eigenes Einkommen zu versteuern. Daher hätte die T-GmbH ihren Verlustvortrag "nutzen" können, da der steuerpflichtige Übertragungsgewinn durch die – eine logische Sekunde vorher – beendete Organschaft nicht mehr der Sperre i.S.d. § 15 S. 1 Nr. 1 KStG unterliegt.
Finanzverwaltung folgt nunmehr BFH: Nachdem der BFH jedoch mit Urteil 11.8.2021 zum Ergebnis gelangte, dass der umwandlungsbedingte Übertragungsgewinn (wie auch das laufende Einkommen) der Organgesellschaft der Zurechnung nach § 14 Abs. 1 S. 1 KStG an den Organträger unterliegt, ist die Finanzverwaltung dem durch Veröffentlichung des Urteils im Bundessteuerblatt gefolgt.
Beachten Sie: In einem zeitgleich veröffentlichten BMF-Schreiben v. 10.2.2023 weist die Finanzverwaltung aber darauf hin, dass in diesem Fall eine Verrechnung vororganschaftlicher Verluste – entgegen einer Aussage im BFH-Urteil – nur unter den Voraussetzungen des § 15 S. 1 Nr. 1 KStG zulässig sei.
Beispiel
Die T-GmbH (Organgesellschaft) wird mit Wirkung zum 31.12.2022 auf die X-GmbH (Schwestergesellschaft) verschmolzen. Die T-GmbH verfügt über vororganschaftliche Verlustvorträge bei der KSt und GewSt i.H.v. jeweils 1.000.000 EUR, die während der Organschaft nicht mit positivem Einkommen der T-GmbH verrechnet werden konnten (§ 15 S. 1 Nr. 1 KStG). Diese Verluste gehen umwandlungsbedingt unter (§§ 12 Abs. 3 Halbs. 2 i.V.m. 4 Abs. 2 S. 2 UmwStG). Daher überlegt die Geschäftsführung der T-GmbH, die stillen Reserven des Betriebsvermögens durch einen Zwischenwertsansatz (§ 11 Abs. 2 UmwStG) aufzudecken, um den dadurch entstehenden Übertragungsgewinn "in der letzten Sekunde" am Umwandlungsstichtag mit dem Verlustvortrag zu verrechnen.
Die Finanzverwaltung lässt nach dem BMF-Schreiben v. 10.2.2023 in diesem Fall keine Verlustverrechnung bei der Organgesellschaft zu.
Eigene Stellungnahme: Wenn die Voraussetzungen der Organschaft bis zur letzten logischen Sekunde vor der Umwandlung (steuerliche Vermögensübertragung) bestehen und daher neben dem laufenden Ergebnis auch ein Übertragungsgewinn (§ 11 Abs. 2 UmwStG) der Zurechnungsnorm des § 14 Abs. 1 S. 1 KStG unterliegt – so die Entscheidung des BFH –, ist es konsequent, alle Rechtswirkungen der Organschaft – d.h. auch das Verlustverrechnungsverbot des § 15 S. 1 Nr. 1 KStG – "bis zur letzten Sekunde" anzuwenden. Es wäre widersprüchlich, wenn der Übertragungsgewinn aus der Umwandlung (positives Einkommen)
- zunächst ohne Anwendung einer Organschaftsregel (§ 15 S. 1 Nr. 1 KStG) mit dem vororganschaftlichen Verlustvortrag verrechnet werden dürfte,
- um dieses (geminderte) Einkommen danach mit Anwendung einer Organschaftsregel (hier: § 14 Abs. 1 S. 1 KStG) dem Organträger zuzurechnen.