Beispiel
(vgl. BFH v. 20.5.2021 – IV R 31/19): Die A-GmbH ist mittelbar über eine 100%ige Tochtergesellschaft am Besitzunternehmen und an der Betriebsgesellschaft beteiligt. Das Besitzunternehmen überlässt das Betriebsgelände an die Betriebsgesellschaft. Begründung, Änderung und Kündigung von Mietsverhältnissen bedürfen in der Besitz-GmbH & Co. KG der Zustimmung in der Gesellschafterversammlung. Die A-GmbH beherrscht die Komplementär-GmbH in der Besitz-GmbH & Co. KG. Die Kommanditanteile an der Besitz-GmbH & Co. KG hält die A-GmbH mehrheitlich treuhänderisch für fremde Dritte.
1. Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG?
Keine erweiterte Kürzung bei Besitz-Gesellschaft: Der BFH stellt klar, dass die Voraussetzungen der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG bei einer Besitz-Gesellschaft im Rahmen einer Betriebsaufspaltung nicht vorliegen.
Überschreitung der Gewerblichkeits-Grenze: Die Grenze der Gewerblichkeit i.R.d. Vermögensverwaltung bei der Beurteilung zur Inanspruchnahme der erweiterten Kürzung gem. § 9 Nr. 1 GewStG wird insbesondere dann überschritten, wenn das Grundstücksunternehmen in Folge einer Betriebsaufspaltung
- als Besitz-Unternehmen (originär) gewerbliche Einkünfte erzielt und
- damit der Zweck der sog. Besitz-Gesellschaft in diesem Fall von vornherein nicht auf die Vermögensverwaltung, sondern auf die Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr und die Partizipation an der durch die Betriebsgesellschaft verwirklichten Wertschöpfung gerichtet ist.
Einheitlicher geschäftlicher Betätigungswille führt zur Gewerblichkeit: Nach Auffassung des BFH führt der hinter Besitz-Unternehmen und Betriebsgesellschaft stehende einheitliche geschäftliche Betätigungswille über die Betriebsgesellschaft zur gewerblichen Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr.
2. Personelle Verflechtung
Der BFH stellt klar, dass i.R.d. personellen Verflechtung die mittelbare Beherrschung der Betriebsgesellschaft ausreicht. Die Frage, ob auch die mittelbare Beherrschung des Besitzunternehmens ausreicht, lässt der BFH in diesem Urteil erneut offen.
Treuhänderisch gehaltene Anteile: Der BFH spricht ferner aus, dass der Treuhänder seinen Willen in der Gesellschafterversammlung der Besitzgesellschaft oder auch der Betriebsgesellschaft i.S.d. personellen Verflechtung nicht durchsetzen kann, wenn er die Mehrheit der Anteile treuhänderisch für fremde Dritte hält bzw. die im eigenen Namen und auf eigene Rechnung gehaltenen Anteile nicht ausreichen, um das erforderliche Stimmrechtquorum in der Gesellschafterversammlung zu erreichen. Beachten Sie: Gemäß § 39 AO sind die treuhänderisch gehaltenen Anteile steuerrechtlich nicht dem Treuhänder zuzurechnen. Dies gilt auch für die Stimmrechte.
Interessant an dieser Entscheidung ist, dass der BFH ausdrücklich klarstellt, "dass bei der Prüfung der Beherrschungsidentität der Frage der Mehrheitsbeteiligung an Besitz- und Betriebsunternehmen auch Bedeutung zukommt, wenn eine Person oder eine Personengruppe nach ihren Befugnissen zur Geschäftsführung bei der Besitz- wie auch bei der Betriebsgesellschaft in Bezug auf die, die sachliche Verflechtung begründenden Wirtschaftsgüter ihren Willen durchsetzen kann."
Maßgebend = Durchsetzung des Willens in der Gesellschafterversammlung: Auch diese Entscheidung weist m.E. daraufhin, dass es entscheidend auf die Durchsetzung des Willens in der Gesellschafterversammlung ankommt. Die Befugnisse zur Geschäftsführung dienen allenfalls als negatives Abgrenzungskriterium. Kann sich der Wille der Gesellschafterversammlung nicht auf das Überlassungsverhältnis durchsetzen aufgrund vertraglich zugesicherter oder faktisch gegebener Geschäftsführungsbefugnisse, liegt die personelle Verflechtung nicht vor.
Umgekehrt führen
- gesellschaftsvertraglich zugesicherte oder
- faktisch gegebene
Geschäftsführungsbefugnisse aber nicht zur personellen Verflechtung, wenn dieselbe Person oder Personengruppe ihren Willen nicht in der Gesellschafterversammlung durchsetzen kann.