Leitsatz
1. Eine Rentennachzahlung der gesetzlichen Rentenversicherung, die dem Rentenempfänger nach dem 31.12.2004 zufließt, wird mit dem Besteuerungsanteil gem. § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG besteuert, auch wenn sie für einen Zeitraum gezahlt wird, der vor dem Inkrafttreten des AltEinkG liegt.
2. Die Anwendung des AltEinkG auf Nachzahlungen einer Rente, deren Beginn vor 2005 liegt, ist verfassungsgemäß.
Normenkette
§ 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa, § 11 Abs. 1, § 52 Abs. 1 EStG, Art. 20 Abs. 3 GG
Sachverhalt
Im Streitjahr 2005 erhielt die 1951 geborene Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, die bis Ende 2006 befristet war. Ihr Rentenantrag vom 05.02.2003 war zunächst abgelehnt worden. Er wurde erst mit dem Rentenbescheid vom 18.02.2005 positiv beschieden. Das FA besteuerte auch die bis Ende 2004 entstandenen, aber erst 2005 nachgezahlten Renten gem. § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG mit einem Besteuerungsanteil von 50 %. Die Kläger waren der Auffassung, die Nachzahlung sei mit einem Ertragsanteil i.H.v. 4 % aufgrund des bis Ende 2004 geltenden Recht zu besteuern, da bei einem üblichen Verlauf des Bewilligungsverfahrens die Renten noch vor 2005 ausgezahlt worden wären.
Das FG gab den Klägern recht (Niedersächsisches FG, Urteil vom 18.11.2009, 2 K 309/07, Haufe-Index 2330172, EFG 2010, 719). Der Anwendungsbereich des § 52 Abs. 1 EStG müsse teleologisch so reduziert werden, dass Nachzahlungen für Zeiträume bis Ende Dezember 2004, die erst ab 2005 ausgezahlt würden, jedenfalls dann noch der bisherigen Ertragsanteilsbesteuerung zu unterwerfen seien, wenn die Rente so rechtzeitig beantragt worden sei, dass eine Zahlung bis Ende 2004 zu erwarten gewesen wäre.
Entscheidung
Die Revision des FA war aus den oben dargestellten Gründen erfolgreich. Der BFH hat das finanzgerichtliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Hinweis
Wer zu spät kommt, den straft nicht nur das Leben, sondern in einigen Fällen auch der Fiskus bzw. der BFH. Auf diesen kurzen Nenner könnte man das vorliegende Urteil bringen.
Renten, die zwar vor dem Inkrafttreten des AltEinkG zum 01.01.2005 entstanden waren, jedoch erst unter dem Regime des neuen Rechts ausgezahlt wurden, werden nach dem neuen Recht besteuert. Das führt gerade bei den abgekürzten Leibrenten zu einer erheblichen Schlechterstellung, wie der Streitfall zeigt, in dem die Erwerbsminderungsrente der Klägerin nicht mehr mit einem Ertragsanteil von 4 %, sondern mit dem Besteuerungsanteil von 50 % besteuert wird.
Der BFH sah keine Notwendigkeit, die Anwendungsvorschrift des § 52 Abs. 1 EStG teleologisch so zu reduzieren, dass Nachzahlungen nicht nach der Rechtslage des Zuflusszeitpunkts, sondern der ihres Entstehungszeitpunkts besteuert werden. Auch liegt in der Neuregelung keine verfassungswidrige Rückwirkung – selbst bei Zugrundelegung der neuen Rechtsprechung des BVerfG zur Rückwirkung (BVerfG-Beschlüsse vom 07.07.2010, BFH/NV 2010; BFH/NV 2010, 1959; BFH/NV 2010, 1968). Grund dafür ist, dass dem Zuflussprinzip als Ordnungsprinzip des ESt-Rechts ein so hoher Stellenwert eingeräumt wird, dass das Vertrauen des Steuerpflichtigen auf den Schutz vor der Entwertung seiner verfestigten Rechtsposition – hier der nach §§ 40, 43 SGB VI bereits entstandene Anspruch auf Erwerbsminderungsrente – zurücktritt.
Sollte sich die Anwendung des AltEinkG im Einzelfall als unbillig erweisen, kann ggf. eine einzelfallbezogene Billigkeitsentscheidung gem. §§ 163, 227 AO geprüft werden.
Diese Entscheidung hat seine besondere Bedeutung für die Nachzahlungen von Leibrenten, die vor dem Systemwechsel bei der Rentenbesteuerung durch das AltEinkG entstanden sind. Nachzahlungen von Renten, die ab dem Jahr 2005 entstanden sind, werden nach § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG besteuert: Der Besteuerungsanteil richtet sich nach dem Jahr des Rentenbeginns und damit nach dem Jahr des Entstehens der Rente.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 13.04.2011 – X R 1/10