Leitsatz

1. Die Wertgrenze in Höhe von 15.500 € (R 33a.1 Abs. 2 Satz 3 der Einkommensteuer-Richtlinien) für "ein geringes Vermögen" im Sinne des § 33a Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 1 des Einkommensteuergesetzes (sogenanntes Schonvermögen) ist für das Streitjahr 2019 nicht zu beanstanden.

2. Angesparte und noch nicht verbrauchte Unterhaltsleistungen werden grundsätzlich erst nach Ablauf des Kalenderjahres ihres Zuflusses zu (abzugsschädlichem) Vermögen.

 

Normenkette

§ 33a Abs. 1 Sätze 1 und 2, Satz 4 Halbsatz 1, Abs. 3 Satz 1, § 10 Abs. 1 Nr. 3, § 11 Abs. 1 Satz 2, § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG, R 33a.1 Abs. 2 Satz 3 EStR, § 1589 Satz 1, § 1601, § 1612 BGB

 

Sachverhalt

Die Kläger machten in ihrer ESt-Erklärung für das Streitjahr (2019) im Zeitraum 1.1. bis 30.9.2019 geleistete Unterhaltszahlungen an ihren während dieser Zeit studierenden Sohn als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG geltend. Das Bankkonto des Sohnes wies zum 1.1.2019 ein Guthaben 15.950 EUR aus. Darin enthalten war eine Ende Dezember 2018 geleistete Unterhaltsvorauszahlung für Januar 2019 i. H. v. 500 EUR. Das FA lehnte den Abzug der Unterhaltszahlungen als außergewöhnliche Belastungen ab, da der Sohn über ausreichend eigenes (nicht nur geringes) Vermögen verfüge. Davon sei nach den ESt-Richtlinien und der ständigen Rechtsprechung des BFH auszugehen, wenn das Vermögen die Grenze von 15.500 EUR überschreite. Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage wies das FG ab (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26.8.2021, 6 K 1098/21, Haufe-Index 14799797, EFG 2021, 1829).

 

Entscheidung

Auf die Revision der Kläger hob der BFH die Vorentscheidung auf und gab der Klage im Wesentlichen statt.

 

Hinweis

1. Voraussetzung für die steuerliche Berücksichtigung von Unterhaltsaufwendungen als außergewöhnliche Belastungen nach § 33a Abs. 1 Satz 4 EStG ist – unter weiteren, hier nicht streitigen Voraussetzungen –, dass die unterhaltene Person kein oder nur ein geringes Vermögen besitzt. Unter Vermögen i. S. d. § 33a Abs. 1 Satz 4 EStG ist dabei das Nettovermögen zu verstehen und damit der Wert der aktiven Vermögensgegenstände, vermindert um die Schulden des Unterhaltsempfängers.

2. Der Gesetzgeber geht dabei typisierend davon aus, dass bei eigenem, nicht nur geringem Vermögen eine Unterhaltsbedürftigkeit nicht gegeben ist und die Unterhaltsaufwendungen damit nicht zwangsläufig anfallen. Denn der Unterhaltsberechtigte steht grundsätzlich in der Pflicht, eigenes Vermögen im Rahmen des Zumutbaren für seinen Unterhalt einzusetzen und zu verwerten, und zwar ungeachtet der Art der Anlage gegebenenfalls auch durch Substanzverbrauch (BFH, Urteil vom 12.12.2002, III R 41/01, BFH/NV 2003, 560)

3. Ob der Unterhaltsempfänger über kein oder nur ein geringes Vermögen i. S. d. § 33a Abs. 1 Satz 4 EStG verfügt (sog. Schonvermögen), ist unabhängig von der Anlageart nach dem gemeinen Wert des Vermögens beziehungsweise dessen Verkehrswert zu entscheiden; ein Wert von bis zu 15.500 EUR ist in der Regel gering.

4. An dieser, von den Finanzbehörden bereits seit 1975 angewandten Wertgrenze (s. R 33a.1 Abs. 2 Satz 3 EStR), an der sich bislang auch die finanzgerichtliche Rechtsprechung orientiert hat, hält der Senat trotz der hieran geäußerten Kritik und der seither eingetretenen Geldentwertung auch für das Streitjahr fest. Denn ein Vermögen oberhalb dieser Wertgrenze lässt die Bedürftigkeit des Unterhaltsempfängers bei typisierender (steuerlicher) Betrachtung auch im Jahr 2019 entfallen. Dies folgt aus dem Umstand, dass dieser Betrag deutlich über dem für den VZ 2019 geltenden Grundfreibetrag i. H. v. 9.168 EUR (§ 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG) liegt und damit zur Sicherung des (Jahres-)Existenzminimums des Unterhaltsberechtigten ausreicht. Auch unterschreitet die dahin gehende Quantifizierung jedenfalls nicht das, was das Zivil- und Sozialrecht dem Bedürftigen als "Notgroschen" zugestehen.

5. Anders als FA und FG hat der BFH allerdings darauf erkannt, dass der Sohn der Kläger im maßgeblichen Zeitraum vom 1.1. bis 30.9.2019 lediglich über ein geringes Vermögen i. S. d. § 33a Abs. 1 Satz 4 EStG verfügte. Denn es liegt nach Bereinigung um die elterlichen Unterhaltsleistungen unterhalb der Wertgrenze von 15.500 EUR.

a) Die monatlichen Unterhaltsleistungen der Kläger sind nicht sofort in die Vermögensberechnung einzubeziehen. Denn es handelt sich hierbei um die notwendigen Mittel zur Deckung des Lebensbedarfs. Unterhaltszahlungen lassen die Bedürftigkeit des Unterhaltsempfängers nicht entfallen, sie sind ihr vielmehr geschuldet. Dies gilt auch für solche Unterhaltszahlungen, die vom Unterhaltsempfänger bis zum Ablauf des VZ beziehungsweise bis zum unterjährigen Ende der gesetzlichen Unterhaltspflicht angespart und noch nicht verbraucht werden. Gesetzliche Unterhaltszahlungen, die dazu gedacht sind, eine zivilrechtlich unterhaltsberechtigte Person dazu zu befähigen, die Kosten ihres Lebensunterhalts zu bestreiten, können vor diesem Hintergrund nicht bereits im Zeitpunkt des Zuflusses dem (a...

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