Rz. 6
Mit dem Antrag optierte der Erwerber zur rückwirkenden Anwendung der durch das ErbStRG geänderten Vorschriften des ErbStG und des BewG. Hierbei handelte es sich insb. um folgende erbschaftsteuerlich günstiger wirkende Normen:
- §§ 5 Abs. 1, 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2, 17 Abs. 1 ErbStG: Überlebende Lebenspartner wurden bei durch Tod beendeter Zugewinngemeinschaft sowie hinsichtlich der Haushalts- und Versorgungsfreibeträge überlebenden Ehegatten gleichgestellt.
- § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b und c ErbStG: Die dortigen Freibeträge für Hausrat und für bewegliche Gegenstände, die nicht nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG privilegiert sind, wurden von 10.300 EUR auf 20.000 EUR erhöht.
- § 13 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. a ErbStG: In öffentlichem Interesse erhaltenswerter Grundbesitz konnte nunmehr zu mindestens 85 % steuerfrei erworben werden.
- § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG: Der Pflegefreibetrag wurde von 5.200 EUR auf 20.000 EUR erhöht.
- § 19 ErbStG: Die Tarifstufen wurden nach oben gerundet und für Erwerber der Steuerklasse III beträgt der Steuersatz bei einem steuerpflichtigen Erwerb zwischen 512.001 EUR und 6.000.000 EUR nur noch 30 %.
Rz. 7
Mit dem ErbStRG wurden aber auch neue Vorschriften kodifiziert, deren rückwirkende Geltung besonders wünschenswert war. Doch folgt man konsequent dem Wortlaut des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 ErbStRG, waren gerade diese neu eingeführten Normen überhaupt nicht optionsfähig. Im ErbStG (zum BewG s. Anh. zu § 37 Rz. 12) handelt es sich insb. um
- § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b und c ErbStG: Diese Normen gab es vorher nicht. Sie gelangten auch erst durch Initiative des Bundesrats im Finanzausschuss kurz vor Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens in den Gesetzentwurf. Dass sie nicht zu den wählbaren Vorschriften zählen, indiziert zusätzlich die unterlassene Anpassung des Art. 3 Abs. 3 ErbStRG.
- § 13a/b und § 19a ErbStG: In der Begründung des frühen Gesetzentwurfs der Bundesregierung zu Art. 3 ErbStRG wurde zwar ausdrücklich die "neue Begünstigung nach §§ 13a, 19a ErbStG" erwähnt. Ursprünglich wollte man demnach die rückwirkende Anwendung der an deren Stelle tretenden Begünstigungsvorschriften ermöglichen. Doch schon damals war klar, dass es hierbei nicht nur um eine bloße Änderung bestehen bleibender Rechtsnormen ging, sondern – unter Beibehaltung der äußeren Paragrafenhülle – um eine umfassende Neukonzeption der Privilegierung betrieblicher Vermögensübertragungen.
- §§ 13c, 28 Abs. 3 ErbStG: Danach wurde – erstmals – privates Wohnungsvermögen durch einen Wertabschlag und die Gewährung einer zehnjährigen Steuerstundung begünstigt.
- § 25 ErbStG: Diese Vorschrift wurde ausdrücklich aufgehoben. Beim Erwerb nießbrauchs- oder rentenbelasteten Vermögens waren diese Belastungen daher künftig stets und ohne Differenzierung nach der Person des Berechtigten bereicherungsmindernd zu berücksichtigen.
Rz. 8
Die Finanzverwaltung sah zwar den Wortlaut des Art. 3 Abs. 1 ErbStRG, wollte aber auch diese "neu eingeführten sachlichen Steuerbefreiungen" rückwirkend gewähren. Dagegen werden sich die Antragsteller zunächst nicht gewehrt haben. Im Falle einer späteren Nachversteuerung auf der Basis der höheren Bewertungsansätze nach dem BewG (Art. 3 Abs. 3 ErbStRG), ist es allerdings nicht ausgeschlossen, dass ein Finanzgericht vielleicht doch problematisiert, ob die Antragsvoraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 ErbStRG einst wirklich vorlagen und für eine Nacherhebung der Erbschaftsteuer die Rechtsgrundlage fehlen würde. Entsprechende Fälle wurden bislang jedoch nicht publik.
Rz. 9
Mit dem ersatzlosen Wegfall des § 25 ErbStG fehlte es, selbst bei großzügigster Interpretation, nicht nur an einer geänderten, sondern überhaupt an einer Vorschrift, deren rückwirkende Anwendung möglich gewesen wäre. Doch die Erbschaftsteuerfinanzämter waren – contra legem(?) – ausdrücklich angewiesen, auf Antrag auch diesen Wegfall zu berücksichtigen. Daher konnte von Todes wegen erworbenes Vermögen, das zugunsten des überlebenden Ehegatten des Erblassers nießbrauchs- und/oder rentenbelastet war, bereits für Steuerentstehungszeitpunkte ab dem 1.1.2007 unter Außerachtlassung des § 25 ErbStG besteuert werden – in Anwendung der Steuerklassen nach § 16 ErbStG a.F. und im Übrigen sämtlicher Vorschriften des ErbStG und BewG i.d.F. des ErbStRG. Ob dies dem Text des Art. 3 Abs. 1 ErbStRG entsprach, erscheint zweifelhaft.
Rz. 10
Nimmt man den Gesetzgeber ernst, entschied er sich bewusst für die verabschiedete Formulierung des Art. 3 Abs. 1 ErbStRG. Rechtsfolge eines Antrags konnte daher nur die rückwirkende Anwendung der geänderten, also lediglich einzelner Vorschriften des neuen ErbStG und BewG sein. Doch musste der Antragsteller damit rechnen, dass die Finanzbehörden alle Vorschriften des ErbStG und – zwingend – des BewG, mit Ausnahme des § 16 ErbStG, in ihrer durch das ErbStRG aktualisierten Fassung auf seinen – gesamten – Erwerb von Todes wegen a...