Dr. Hans Flick, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
Einzelbegründung – (Auszug)
Zu Artikel 1 (Änderung des Einkommensteuergesetzes)
Zu Nummer 20a (§ 50d)
Allgemeines
Durch Urteil vom 11.10.2000 – I R 34/99 – hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass die Bescheinigung nach § 50d Abs. 3 EStG, durch die das Bundesamt für Finanzen den Schuldner von Kapitalerträgen im Sinne des § 43d EStG und Vergütungen im Sinne des § 50a Abs. 4 EStG ermächtigt, vom Steuerabzug abzusehen oder zu einem niedrigeren Satz vorzunehmen, kein Steuerbescheid im Sinne des § 155 AO sei, sondern ein sonstiger Verwaltungsakt, auf den die Festsetzungsfrist des § 169 AO keine Anwendung finde. Demnach könne auch noch nach Ablauf der Festsetzungsfrist für die geschuldete Steuer eine Freistellungsbescheinigung beantragt und erteilt werden. Die Entscheidung könnte dazu führen, dass der Schuldner des Kapitalertrags oder der Vergütung im Sinne des § 50a Abs. 4 EStG seine Verpflichtung, den Steuerabzug im Zuflusszeitpunkt vorzunehmen, praktisch ignorieren kann, selbst wenn ihm keine Freistellungsbescheinigung vorliegt. Dies entspricht jedoch nicht Sinn und Zweck eines Steuerabzugsverfahrens. Die vorgesehenen Änderungen sollen klarstellen, dass das Verfahren der Abstandnahme vom Steuerabzug der Vereinfachung dient und nur ein in die Zukunft gerichtetes Verfahren sein kann. Dieses Verfahren hat aber keine Berechtigung mehr, wenn die Kapitalerträge oder Vergütungen dem Gläubiger zugeflossen sind. Dann ist vielmehr durch Steuerbescheid (Freistellungsbescheid) über die Höhe des Steueranspruchs zu entscheiden, dem sich ggf. die Erstattung der einbehaltenen Steuer anschließt. Zur zeitlichen Anwendung vgl. die Änderung zu § 52 Abs. 59a EStG.
Zu Absatz 1
Sätze 1 und 2 sind unverändert. Geregelt wird, dass auch im Fall eines Doppelbesteuerungsabkommens die Vorschriften über den Steuerabzug anzuwenden sind. Satz 3 stellt gegenüber der bisherigen Fassung klar, dass über den Anspruch auf Erstattung einbehaltener und abgeführter Steuern durch Freistellungsbescheid (§ 155 Abs. 1 Satz 3 AO) entschieden wird. Die Erstattung der einbehaltenen Steuer ist das Ergebnis der Abrechnung des Freistellungsbescheids. Außerdem regelt Satz 3, dass nur der Gläubiger des Kapitalertrags oder der Vergütung im Sinne des § 50a EStG den Antrag auf Freistellung stellen kann. Er kann allerdings den Schuldner des Kapitalertrags bzw. der Vergütung zum Bekanntgabe und Erstattungsbevollmächtigten machen. Die Sätze 4 und 5 legen fest, dass die Auszahlung der zu erstattenden Steuer zurückgestellt oder von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden kann, wenn der Gläubiger von Vergütungen im Sinne des § 50a EStG zu diesem Zeitpunkt selbst nach § 50a Abs. 5 EStG verpflichtet ist, Abzugsteuer auf Vergütungen einzubehalten, die er beschränkt Steuerpflichtigen schuldet. Satz 6 berücksichtigt, dass insbesondere die Erstattung einbehaltener Kapitalertragsteuer an ausländische Anleger ein Massenverfahren ist, das nur noch unter Nutzung elektronischer Datenübermittlung bewältigt werden kann. Das Bundesamt für Finanzen kann deshalb zulassen, dass Anträge auf Erstattung der Kapitalertragsteuer auf maschinell verwertbaren Datenträgern gestellt werden. Neu ist die Aufnahme einer Antragsfrist von vier Jahren (Satz 7). Soweit Doppelbesteuerungsabkommen Verfahrensregelungen über die Entlastung von Abzugsteuern enthalten, beträgt die Frist für die Geltendmachung des Anspruchs auf Freistellung und Erstattung ebenfalls überwiegend vier Jahre. Satz 8 stellt gleichzeitig sicher, dass die Frist nicht vor Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt der Entrichtung der Steuer abläuft. Damit kann der Gläubiger der Kapitalerträge bzw. der Vergütungen seine Rechte aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens auch dann noch geltend machen, wenn ein vom Schuldner unterlassener Steuerabzug erst kurz vor dem Ablauf der Festsetzungsfrist nachgeholt wird, z. B. in Fällen verdeckter Gewinnausschüttungen. Satz 9 übernimmt unverändert den bisherigen Satz 3. Satz 10 stellt gegenüber der bisherigen Fassung klar, dass sich der Schuldner in keinem Verfahren außerhalb des Verfahrens nach Absatz 2 auf Freistellungsrechte des Gläubigers berufen kann.
Zu Absatz 2
Die Vorschrift räumt, wie schon Absatz 3 in der bisherigen Fassung, in den näher bezeichneten Fällen dem Gläubiger die Möglichkeit ein, den Anspruch aus § 43b EStG bzw. einem Doppelbesteuerungsabkommen schon geltend zu machen, bevor ihm die entsprechenden Kapitalerträge oder Vergütungen zufließen. Die neue Vorschrift stellt jedoch klar, dass die Freistellung vom Steuerabzug ein in die Zukunft gerichtetes Verfahren ist und deshalb nur in Betracht kommt, wenn in dem Zeitpunkt, zu dem der Antrag auf Freistellung gestellt wird, die Erträge oder Vergütungen dem Gläubiger noch nicht zugeflossen sind. Satz 1 regelt, dass nur der Gläubiger des Kapitalertrags bzw. der Vergütung nach § 50a der Antragsberechtigte ist; er ist gleichzeitig die Person, der die Bescheinigung über die Freistellung vom Steuerabzug zu erteilen ist. Satz 2 bestimmt...