Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
264 Im Fall eines unterkapitalisierten inländischen Kreditinstituts mit einer ausländischen Bankbetriebsstätte kann der Fremdvergleichsgrundsatz des § 1 Absatz 5 AStG Modifikationen bei der Ermittlung des steuerlich anzusetzenden Dotationskapitals für die ausländische Bankbetriebsstätte erfordern (s. auch Rn. 245 zu § 20 Absatz 4 BsGaV). § 21 Absatz 4 BsGaV regelt zwei relevante Fallgruppen, die im Zusammenhang mit der Anwendung von Waiver-Regelungen auftreten können, die es zulassen, dass die bankenaufsichtsrechtlichen Eigenkapitalanforderungen insgesamt auf einen Bankkonzern angewendet werden und nicht mehr auf das einzelne Kreditinstitut (z.B. § 2a KWG):
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Die erste Fallgruppe betrifft Sachverhalte, in denen ein inländisches Kreditinstitut, zu dem eine ausländische Bankbetriebsstätte gehört, Teil einer inländischen Kreditinstitutsgruppe ist, auf die § 2a KWG angewendet wird. |
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Die zweite Fallgruppe betrifft Sachverhalte, in denen auf ein inländisches Kreditinstitut, zu dem eine ausländische Bankbetriebsstätte gehört, eine Regelung angewendet wird, die Artikel 7 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 entspricht, weil das inländische Kreditinstitut Teil einer ausländischen Kreditinstitutsgruppe eines Staats der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums ist. |
265 In beiden Fallgruppen kann die Folge sein, dass das inländische Kreditinstitut – isoliert betrachtet – über ein geringeres Kernkapital verfügt, als es nach bankenaufsichtsrechtlichen Grundsätzen für die Summe der risikogewichteten Positionsbeträge erforderlich wäre (Unterkapitalisierung), wenn entweder § 2a KWG oder die Bestimmungen einer Regelung eines anderen Staats der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums (Waiver), die Artikel 7 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 entspricht, nicht anwendbar wären.
266 Verfügt das inländische Kreditinstitut wegen einer Waiver-Regelung nur über ein geringes Kernkapital und macht es oder eine ausländische Finanzverwaltung geltend, dass für eine ausländische Bankbetriebsstätte ein Mindestdotationskapital entsprechend § 21 Absatz 1 Satz 1 BsGaV zu berücksichtigen ist, so kommt es zu Besteuerungskonflikten, wenn nach Zuordnung dieses Mindestkapitals bankenaufsichtsrechtlich kein ausreichendes Kernkapital für das übrige Unternehmen, wäre es selbständig, verbleibt. Denn Kernkapital muss nach dem Fremdvergleichsgrundsatz auch für das übrige Unternehmen mindestens in Höhe des Betrags zur Verfügung stehen, den das übrige Unternehmen, wäre es ein selbständiges Kreditinstitut, bankenaufsichtsrechtlich nachweisen müsste, um in Deutschland Bankgeschäfte tätigen zu können.
Fall – Konfliktfall Waiver:
Ein inländisches Kreditinstitut X (X) gehört zu einer inländischen Waiver-Gruppe (§ 2a KWG) und hat eine ausländische Bankbetriebsstätte A (A) im Staat Y. Das nach deutschem Bankenaufsichtsrecht ohne Berücksichtigung der Waiver-Regelung zur Deckung aller gewichteten Risiken mindestens erforderliche Kernkapital von X beträgt 1 000 Einheiten. Das Kernkapital, das X innerhalb der Waiver-Gruppe tatsächlich zugeordnet ist, beträgt 900 Einheiten. Die gewichteten Risiken von X betragen 10 000 Einheiten. Auf A entfallen hiervon 2 000 Einheiten. Nach dem Bankenaufsichtsrecht des Staats Y ist A mindestens ein Dotationskapital von 200 Einheiten zuzuordnen. Nach deutschem Bankenaufsichtsrecht – ohne Waiver – wäre dem übrigen Unternehmen mindestens Kernkapital i.H.v. 800 Einheiten zuzuordnen.
Lösung:
Die Summe der Mindestkapitalausstattung für A und für das übrige Unternehmen beträgt 1 000 Einheiten. X verfügt tatsächlich aber nur über ein Kernkapital von 900 Einheiten. Nach § 21 Absatz 4 BsGaV kann A in diesem Fall lediglich so viel Dotationskapital zugeordnet werden, dass dem übrigen Unternehmen das nach deutschem Bankenaufsichtsrecht mindestens notwendige Kernkapital (800 Einheiten) verbleibt. Für A steht somit Dotationskapital lediglich i.H.v. 100 Einheiten zur Verfügung, Der daraus entstehende internationale Besteuerungskonflikt ist durch die Entscheidungen der Waiver-Gruppe verursacht worden, den Waiver zu nutzen und X lediglich ein Kernkapital von 900 Einheiten zur Verfügung zu stellen.
Abwandlung:
Wie der Grundfall, aber X gehört zu einer ausländischen Waiver-Gruppe.
Lösung:
Wie der Grundfall.