Dipl.-Finanzwirt Rüdiger Happe
Rz. 988
[Anschaffungs-/Veräußerungszeitpunkt → Zeile 31]
Die Veräußerung eines privaten Grundstücks innerhalb von zehn Jahren nach dessen Erwerb unterliegt als Spekulationsgeschäft der Besteuerung. Ohne Belang sind die Gründe für den Verkauf, sodass eine Steuerpflicht auch z. B. dann eintritt, wenn die Versteigerung droht (BFH, Urteil v. 27.9.2012, III R 19/11, BFH/NV 2013 S. 1027). Für die Fristenberechnung in § 23 EStG kommt es darauf an, wann der Kaufvertrag schuldrechtlich abgeschlossen wurde (BFH, Urteil v. 8.4.2014, IX R 18/13, BFH/NV 2014 S. 1612). Steht die Grundstücksveräußerung unter einem Genehmigungsvorbehalt (aufschiebende Bedingung), ist dieser für die Fristberechnung unerheblich (BFH, Urteil v. 10.2.2015, IX R 23/13, BFH/NV 2015 S. 728). Wird ein bebautes Grundstück veräußert, unterliegt der Veräußerungsgewinn der Besteuerung, wenn das Grundstück innerhalb der Zehnjahresfrist erworben wurde. Die Fertigstellung des Gebäudes ist unmaßgeblich. Gebäude und Außenanlagen sind einzubeziehen, soweit sie innerhalb dieses Zeitraums errichtet, ausgebaut oder erweitert werden. Das gilt auch, wenn sie in einem teilfertigen Zustand verkauft werden.
Die Nutzung einer Rückerwerbsoption setzt eine neue Spekulationsfrist in Gang. Sie wird nicht als Rückabwicklung gewertet (FG Münster, Urteil v. 30.10.2012, 1 K 2240/09 E).
Bei einer Ratenzahlung über mehrere Jahre wird der Veräußerungspreis in mehreren Vz. erfasst (BFH, Urteil v. 11.11.2009, IX R 57/08, BFH/NV 2010 S. 717). Das gilt auch in Verlustfällen (BFH, Urteil v. 6.12.2016, IX R 18/16, BFH/NV 2017 S. 668).
Rz. 989
Bei dem Verkauf eines geschenkten oder geerbten Grundstücks kommt es für die Berechnung der Frist auf den Zeitpunkt des Erwerbs durch den Vorbesitzer an. Erwirbt ein Miterbe entgeltlich den Erbteil eines anderen Miterben, so entstehen ihm insoweit AK. Bei einem Verkauf innerhalb der Spekulationsfrist führt dies dazu, dass der Gewinn aus der Veräußerung dieses Grundstücks versteuert werden muss (FG München, Urteil v. 21.7.2021, 1 K 2127/20, EFG 2022 S. 1907, Revision beim BFH unter Az. IX R 13/22).
Eine unentgeltliche Übertragung eines Hauses auf die Kinder mit anschließendem Verkauf innerhalb der Spekulationsfrist, den der ursprüngliche Besitzer angebahnt hat, stellt keinen Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten dar und ist somit bei den Kindern zu erfassen (BFH, Urteil v. 23.4.2021, IX R 8/20, BFH/NV 2021 S. 1418).
Rz. 990
Die Enteignung ist kein privates Veräußerungsgeschäft i. S. v. § 23 EStG und somit nicht steuerpflichtig (BFH, Urteil v. 23.7.2019, IX R 28/18, BFH/NV 2019 S. 1285). Anders wird das bei einer Zwangsversteigerung gesehen (FG Düsseldorf, Urteil v. 28.4.2021, 2 K 2220/20 E).
Rz. 991
Wird ein Gebäude auf fremdem Grund und Boden ohne das Grundstück veräußert, fällt dieses nicht unter § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Das trifft auch auf ein Gebäude zu, das auf einem langfristig angemieteten Grundbesitz steht. Ein Mobilheim gilt zwar bewertungsrechtlich als Gebäude, ist jedoch ein anderes Wirtschaftsgut i. S. d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG.
Für diese Gebäude gilt: Die Besteuerung des Verkaufserlös unterliegt nicht der Spekulationsfrist für Grundstücke. Sie sind aber auch keine Gebrauchsgegenstände, deren Verkaufserlös generell von der Besteuerung ausgenommen sind. Bei einem Verkauf nach Ablauf der 1-Jahresfrist ist der Gewinn jedoch grundsätzlich nicht mehr steuerpflichtig.
Ausgenommen davon sind aber Wirtschaftsgüter, die als Einkunftsquelle zur Erzielung von Einkünften zumindest in einem Kalenderjahr gedient haben. Hierfür gilt die verlängerte Veräußerungsfrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 EStG von 10 Jahren (BFH, Urteil v. 24.5.2022, IX R 22/21, BFH/NV 2023 S. 71, BStBl 2023 II S. 108) (→ Tz 1000 ff.).
Rz. 992
Die Veräußerung eines unentgeltlich bestellten Erbbaurechts ist kein privates Veräußerungsgeschäft i. S. d. § 23 EStG (BFH, Urteil v. 8.11.2017, IX R 25/15, BFH/NV 2018 S. 560). Wird ein mit einem Erbbaurecht belastetes Grundstück angeschafft und später lastenfrei weiterveräußert, ist der Veräußerungsgewinn nur anteilig steuerpflichtig (BFH, Urteil v. 12.6.2013, IX R 31/12, BFH/NV 2013 S. 1701).
Rz. 993
Auch die Entnahme eines betrieblichen Grundstücks (auch im Rahmen einer Betriebsaufgabe) wird als Erwerb angesehen. Zu diesem Zeitpunkt beginnt die Zehnjahresfrist (z. B. Entnahme des Grundstücks, anschließend Verkauf innerhalb der Zehnjahresfrist, Folge: Besteuerung). Der Entnahmewert gilt als Anschaffungswert. Dies gilt aber nur, soweit dieser der Steuerfestsetzung tatsächlich zugrunde gelegt wurde (BFH, Urteil v. 6.12.2021, IX R 3/21, BFH/NV 2022 S. 643).
Rz. 994
Die Einlage eines privat erworbenen Grundstücks während der Spekulationsfrist in ein Betriebsvermögen stellt keine Veräußerung dar. Ein nachfolgender Veräußerungsvorgang aus dem Betriebsvermögen wird aber auch auf der privaten Ebene steuerpflichtig, wenn das Grundstück noch während der Spekulationsfrist veräußert wird.
Immer als Veräußerung gilt eine verdeckt...