Leitsatz
Der Antrag auf Entstrickung einbringungsgeborener Anteile nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG kann im Regelfall nicht widerrufen oder zurückgenommen werden.
Normenkette
§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG
Sachverhalt
Der Kläger brachte 1996 seine StB-Einzelpraxis zu Buchwerten in eine StB-Gesellschaft mbH gegen Gewährung von Gesellschafterrechten zum Nennwert i.H.v. 10.000 DM ein. Für diese einbringungsgeborenen Anteile beantragte er am 30.10.1998 die Entstrickung gem. § 21 Abs. 2 UmwStG. Diesen Antrag nahm er mit Schreiben vom 17.11.1998 zurück. Am 3.12.1998 stellte er erneut einen Antrag auf Entstrickung der Anteile.
In ihrer am 23.2.2000 beim FA eingereichten Einkommensteuererklärung 1998 erklärten die Kläger einen Veräußerungsgewinn des Klägers aus selbstständiger Tätigkeit, der sich aus einem Gewinn aus der Veräußerung der StB-Praxis und einem Gewinn gem. § 21 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 UmwStG zusammensetzte. Das FA setzte die ESt 1998 hiernach mit Bescheid vom 20.7.2000 fest. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Die Kläger legten dagegen am 17.8.2000 Einspruch ein und nahmen darin den Antrag auf Entstrickung der einbringungsgeborenen Anteile zurück. Demzufolge sei im Streitjahr kein Entstrickungsgewinn entstanden. Das FA folgte dem nicht.
Das FG wies die dagegen gerichtete Klage ab (EFG 2004, 1175).
Entscheidung
Der BFH gab dem FA Recht. Die Systemzusammenhänge des § 21 Abs. 2 Satz 1 UmwStG beließen keinen begründbaren Zweifel daran, dass es auf die Tatsache der Antragstellung ankomme und dass das Entstrickungsantragsrecht nicht als "normales" steuerliches Wahlrecht ausgestaltet sei.
Hinweis
1. Wird ein Betrieb, ein Teilbetrieb oder ein Mitunternehmeranteil in eine Kapitalgesellschaft eingebracht und erhält der Einbringende dafür neue Anteile an der Kapitalgesellschaft, so sind gem. § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG die auf die neuen Anteile (sog. einbringungsgeborene Anteile) übertragenen und ggf. auch die in ihnen künftig entstehenden stillen Reserven im Fall ihrer Realisierung als Veräußerungsgewinn i.S.d. § 16 EStG zu versteuern.
2. Gem. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG sind die stillen Reserven auch dann zu versteuern, wenn der Anteilseigner dies beantragt. In diesem Fall tritt der gemeine Wert der Anteile an die Stelle des Veräußerungspreises (§ 21 Abs. 2 Satz 2 UmwStG).
3. Dem UmwStG lässt sich unmittelbar nichts zu den Verfahrensmodalitäten der Antragstellung entnehmen, insbesondere auch nicht dazu, ob der einmal beim FA gestellte Antrag wieder zurückgenommen werden kann. Das entspräche zwar dem üblichen Verständnis zu den steuerlichen Wahlrechten, die gemeinhin bis zum Eintritt der Bestandskraft des Steuerbescheids oder bis zum Abschluss der FG- als der Tatsacheninstanz revidiert werden können. Es entspricht indes ganz einhelliger Rechtsauffassung im Schrifttum, dass eine derartige Rücknahme ausgeschlossen ist.
Grund hierfür ist in erster Linie ein rechtssystematischer Aspekt: Auch die anderen Ersatzrealisationstatbestände des § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG stellen auf den Eintritt tatsächlicher Umstände ab, z. B. die verdeckte Einlage der einbringungsgeborenen Anteile, die Liquidation der Gesellschaft oder der Wegfall des deutschen Besteuerungsrechts. Nichts anders, so wird geschlussfolgert, verhalte es sich bei dem Antrag gem. Nr. 1 der Vorschrift. Auch hier sei es der Umstand des tatsächlich gestellten Antrags, der die Enstrickung verwirkliche.
4. Der BFH hat sich dem angeschlossen, letztlich vorbehaltlos.
Will man ein derartig rigides Ergebnis in der Praxis vermeiden und sich die eine erwünschte Flexibilität vorbehalten, etwa um auf die "Ergebnisse" einer Betriebsprüfung oder auf das Entstehen von Verlustverrechnungspotential reagieren zu können, dann empfiehlt es sich, den Antrag von vornherein unter einen Widerrufsvorbehalt oder bezogen auf einen erst in der Zukunft liegenden Zeitpunkt zu stellen. Der BFH hat zumindest nicht ausgeschlossen, dass dann abweichend zu verfahren und dass die Antragsbindung gelockert ist.
5. Unabhängig davon ist der Steuerpflichtige naturgemäß nicht gehindert, einen von ihm gestellten Entstrickungsantrag – als Willenserklärung – zu einem späteren Zeitpunkt nach den Maßgaben der §§ 119 ff. BGB anzufechten, falls er bei Antragstellung z.B. einem Erklärungsirrtum unterlegen war.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 31.5.2005, I R 28/04