Leitsatz
1. Wird in dem Rechtsstreit zwischen FA und einem Ehegatten um die Zulässigkeit eines Antrags auf getrennte Veranlagung das FA gerichtlich verpflichtet, den Ehegatten getrennt zu veranlagen, erstreckt sich diese im Tenor des Urteils ausgesprochene Verpflichtung nur auf die Veranlagung des Ehegatten, der den Rechtsstreit geführt hat, nicht auch auf die Veranlagung des anderen Ehegatten, selbst wenn er zum Verfahren beigeladen war.
2. Der gegenüber dem beigeladenen Ehegatten ergangene Zusammenveranlagungsbescheid ist nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO aufzuheben und eine getrennte Veranlagung durchzuführen. Auf Festsetzungsverjährung kann sich der beigeladene Ehegatte nicht berufen. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist solange gehemmt, bis über den Antrag auf getrennte Veranlagung unanfechtbar entschieden worden ist (Fortführung des Senatsurteils vom 3.3.2005, III R 22/02, BFH/NV 2005, 1657).
Normenkette
§ 26 Abs. 1, § 26a, § 26b EStG
Sachverhalt
Der Ehemann A und seine frühere Ehefrau B wurden für die Streitjahre 1982 und 1983 antragsgemäß zusammen veranlagt. Nach einer Änderung der bestandskräftigen Bescheide 1988 beantragte B die getrennte Veranlagung. Gegen den ablehnenden Bescheid erhob B Klage und Revision beim BFH.
Der BFH gab B Recht und entschied, es sei getrennt zu veranlagen (BFH, Urteil vom 20.1.1999, XI R 31/96, BFH/NV 1999, 1333). Das FA veranlagte dementsprechend im Jahr 2000 getrennt. Dagegen klagte A mit der Begründung, wegen Festsetzungsverjährung hätten die Bescheide ihm gegenüber nicht mehr geändert werden dürfen.
Entscheidung
Dem folgte der BFH nicht. Zwar ergab sich die Verpflichtung zur getrennten Veranlagung gegenüber A nicht bereits aus dem BFH-Urteil XI R 31/96, da dieses nur gegenüber B ergangen war und A lediglich zum Verfahren beigeladen worden war. Die Befugnis des FA folgt jedoch aus der Wirkung des Antrags der B als rückwirkendes Ereignis. Der Ablauf der Festsetzungsfrist gegenüber A war bis zur Entscheidung über den Antrag der B auf getrennte Veranlagung gehemmt.
Hinweis
Eheleute können zwischen der Zusammenveranlagung (§ 26b EStG) und der getrennten Veranlagung (§ 26a EStG) frei wählen. Sie können die getroffene Wahl auch widerrufen, solange der ESt-Bescheid noch anfechtbar ist. Ändert das FA einen Zusammenveranlagungsbescheid, steht jedem Ehegatten bis zur Unanfechtbarkeit des Änderungsbescheids erneut das Recht zu, statt der Zusammenveranlagung die getrennte Veranlagung zu wählen. Eine Einschränkung besteht nur für den Fall, dass die Rechtsausübung ausnahmsweise willkürlich oder rechtsmissbräuchlich erscheint, z.B. wenn der die getrennte Veranlagung wählende Ehegatte keine oder nur geringe Einkünfte bezogen hat.
Da Eheleute nur einheitlich – entweder zusammen oder getrennt – veranlagt werden können, ist, wenn sich einer der Ehegatten nach einer Zusammenveranlagung nunmehr für die getrennte Veranlagung entscheidet, notwendigerweise auch für den anderen Ehegatten eine getrennte Veranlagung durchzuführen, und zwar auch dann, wenn der Zusammenveranlagungsbescheid ihm gegenüber bereits bestandskräftig geworden ist und auch wenn die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen ist.
Verfahrensrechtliche Grundlage ist § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO. Der Antrag auf getrennte Veranlagung stellt ein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung auf den Veranlagungszeitraum dar, durch das die vierjährige Festsetzungsfrist erneut in Lauf gesetzt wird. Allerdings ist das FA bei der getrennten Veranlagung an die tatsächliche und rechtliche Beurteilung der Besteuerungsgrundlagen in dem Zusammenveranlagungsbescheid gebunden (BFH, Urteil vom 3.3.2005, III R 60/03, BFH-PR 2005, 285).
Das Besprechungsurteil führt diese Rechtsprechung in dem Sinn fort, dass der Zusammenveranlagungsbescheid gegenüber dem anderen Ehegatten auch dann noch geändert werden kann, wenn die durch den Antrag auf getrennte Veranlagung mit dem Ablauf des Antragsjahrs in Lauf gesetzte vierjährige Festsetzungsfrist ihm gegenüber regulär bereits abgelaufen ist. Denn der Fristablauf ist solange gehemmt, bis über den innerhalb der Festsetzungsfrist gestellten Antrag des Ehegatten auf getrennte Veranlagung unanfechtbar entschieden worden ist.
Das stützt sich auf § 171 Abs. 3 AO. Zwar hat nicht der Ehegatte, der an der Zusammenveranlagung festhalten will, sondern der andere, der sich von der Zusammenveranlagung lösen will, den Änderungsantrag gestellt. Da Ehegatten bei der Zusammenveranlagung aber als ein Steuerpflichtiger behandelt werden, kann der einheitliche Steueranspruch nur einer Festsetzungsfrist unterliegen.
Die Problematik dürfte wohl nur bei einem Zerwürfnis der Eheleute eine Rolle spielen, da die Zusammenveranlagung regelmäßig die günstigere Veranlagungsart ist. Da ein Ehegatte sein Wahlrecht auf getrennte Veranlagung bis zur Unanfechtbarkeit des ihm gegenüber ergangenen Zusammenveranlagungsbescheids – auch eines Änderungsbescheids – ausüben kann, muss der andere Ehegatte wegen der Fristhemmung auch nach Ablauf der regulären Festsetzungsfrist m...