Leitsatz
Wurden Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt und wählt ein Ehegatte vor Bestandskraft des ihm gegenüber ergangenen Bescheids die getrennte Veranlagung, sind die Ehegatten auch dann getrennt zur Einkommensteuer zu veranlagen, wenn der gegenüber dem anderen Ehegatten ergangene Zusammenveranlagungsbescheid bereits bestandskräftig geworden ist. Der Antrag auf getrennte Veranlagung stellt hinsichtlich des gegenüber dem anderen Ehegatten ergangenen Zusammenveranlagungsbescheids ein rückwirkendes Ereignis dar. Die dementsprechend erneut in Lauf gesetzte Festsetzungsfrist beginnt ihm gegenüber mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Antrag auf getrennte Veranlagung gestellt wird.
Normenkette
§ 26 EStG , § 26a EStG
Sachverhalt
Das FA hatte den Zusammenveranlagungsbescheid für 1985 im Jahr 1992 zugunsten der Eheleute geändert. Innerhalb der Einspruchsfrist beantragte die Ehefrau die getrennte Veranlagung, die das FA für beide Eheleute entsprechend diesem Antrag im Jahr 1993 durchführte. Der Ehemann wandte ein, die Festsetzungsfrist sei Ende 1992 abgelaufen.
Entscheidung
Der BFH entschied, der Antrag der Ehefrau auf getrennte Veranlagung sei ein Ereignis, das auf den Veranlagungszeitraum zurückwirke. Die vierjährige Festsetzungsfrist sei daher mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Ehefrau den Antrag auf getrennte Veranlagung gestellt habe (1992), erneut in Lauf gesetzt worden, so dass das FA den Zusammenveranlagungsbescheid in 1993 noch habe aufheben und einen Bescheid über die getrennte Veranlagung habe erlassen können.
Hinweis
Ehegatten können zwischen getrennter Veranlagung (§ 26a EStG) und Zusammenveranlagung (§ 26b EStG)wählen. Sie können dieses Wahlrecht bis zur Unanfechtbarkeit eines Berichtigungs- oder Änderungsbescheids ausüben und die einmal getroffene Wahl innerhalb dieser Frist frei widerrufen. Eine Ausnahme gilt nur für den Fall, dass das Wahlrecht willkürlich oder rechtsmissbräuchlich ausgeübt wird. Das wird angenommen, wenn der die getrennte Veranlagung wählende Ehegatte keine eigenen Einkünfte hat oder wenn diese so gering sind, dass sie weder einem Steuerabzug unterlegen haben noch zu einer Einkommensteuerveranlagung führen können.
Der nachträglichen Wahl der getrennten Veranlagung steht nicht entgegen, dass der Zusammenveranlagungsbescheid gegenüber dem anderen Ehegatten bereits bestandskräftig geworden ist. Wählt ein Ehegatte nach erfolgter Zusammenveranlagung der Eheleute nachträglich innerhalb der Rechtsbehelfsfrist die getrennte Veranlagung, hat dies daher notwendig zur Folge, dass auch die Steuerfestsetzung gegenüber dem anderen Ehegatten zu ändern ist, unabhängig davon, ob diese schon bestandskräftig ist. Denn jeder Ehegatte kann selbst über die Veranlagungsart bestimmen und die Veranlagungsart kann für beide Eheleute nur einheitlich angewandt werden. Verfahrensrechtliche Grundlage für die Änderung der Veranlagung ist § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Der zulässige Antrag eines Ehegatten statt der bisherigen Zusammenveranlagung eine getrennte Veranlagung durchzuführen, ist ein die Korrektur auslösendes rückwirkendes Ereignis. Denn die Änderung der Veranlagungsart wirkt sich rückwirkend auch auf die Einkommensteuerschuld des anderen Ehegatten aus.
Die Beurteilung des nachträglichen Antrags auf Änderung der Veranlagungsart als rückwirkendes Ereignis hat zur Folge, dass der gegenüber dem anderen Ehegatten ergangene Bescheid auch nach Bestandskraft und auch nach Ablauf der für ihn geltenden regulären vierjährigen Festsetzungsfrist aufzuheben und ein entsprechender Bescheid über die getrennte Veranlagung zu erlassen ist. Mit dem Antrag auf getrennte Veranlagung wird die vierjährige Festsetzungsfrist ab Ablauf des Jahrs, in dem der Antrag gestellt wurde, erneut in Lauf gesetzt (§ 175 Abs. 1 Satz 2 AO). Das FA kann daher nach einem zulässigen Antrag auf getrennte Veranlagung den gegenüber dem anderen Ehegatten ergangenen Bescheid innerhalb einer vierjährigen Anpassungsfrist ändern.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 3.3.2005, III R 22/02