Prof. Dr. Andreas Herlinghaus
Leitsatz
1. Eine Betriebsveräußerung innerhalb der in § 13a Abs. 5 ErbStG a.F. bestimmten Behaltensfrist von fünf Jahren führt auch dann zum Wegfall der Steuervergünstigungen nach § 13a Abs. 1 und 2 ErbStG a.F., wenn sie aufgrund gesetzlicher Anordnung erfolgt.
2. Dies gilt auch für die Veräußerung der Praxis eines Freiberuflers.
Normenkette
§ 12 Abs. 5, § 13a Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2, Abs. 4 Nr. 1, Abs. 5 Nr. 1, Nr. 3 und Nr. 4 S. 2 ErbStG, § 13 Abs. 2a S. 3 ErbStG a.F., § 96 BewG, § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG
Sachverhalt
Der minderjährige Kläger war Alleinerbe seines 2006 verstorbenen Vaters (V), eines Arztes. Da der Kläger schon aus Altersgründen nicht über die für eine Fortführung der freiberuflichen Praxis erforderliche Berufsqualifikation verfügte, beantragten seine gesetzlichen Vertreter bei der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung, den Vertragsarztsitz des V öffentlich auszuschreiben. Nach erfolgreichem Abschluss der Ausschreibung verkauften sie die Praxis 2007 im Namen und für Rechnung des Klägers.
In seiner Erbschaftsteuer-Erklärung bezifferte der Kläger den Wert der zum Nachlass gehörenden Arztpraxis mit insgesamt 306 326 EUR und beantragte, ihm für das erworbene Betriebsvermögen die Steuerentlastungen des § 13a Abs. 1 und Abs. 2 ErbStG zu gewähren. Das FA lehnte dies jedoch ab, weil der Kläger die freiberufliche Praxis nicht fortgeführt habe, was aber nach § 13a ErbStG zu verlangen sei.
Die auf Gewährung der Vergünstigungen nach § 13a Abs. 1 und Abs. 2 ErbStG gerichtete Klage wies das FG (FG Köln vom 18.12.2008, 9 K 2414/08, Haufe-Index 2119677, EFG 2009, 422) als unbegründet ab. Zwar seien Betriebsvermögensfreibetrag und Bewertungsabschlag gem. § 13a Abs. 1 und Abs. 2 ErbStG auch beim Erwerb freiberuflichen Betriebsvermögens zu berücksichtigen. Diese Vergünstigungen entfielen jedoch mit Wirkung für die Vergangenheit, wenn und soweit der Erwerber das Betriebsvermögen innerhalb der fünfjährigen Behaltensfrist des § 13a Abs. 5 ErbStG veräußere oder aufgebe.
Dass der minderjährige Kläger die Praxis des V nicht habe fortführen können und dürfen, rechtfertige keine abweichende Beurteilung. Auch eine erzwungene Veräußerung bewirke den Verlust der Steuervergünstigungen des § 13a Abs. 1 und Abs. 2 ErbStG.
Entscheidung
Dem folgte jetzt im Ergebnis aus den unter den Praxis-Hinweisen genannten Gründen der BFH und wies die Revision des Klägers als unbegründet zurück.
Hinweis
1. Der erbweise Erwerb einer Freiberufler-Praxis bereitet mit Blick auf die in § 13a Abs. 1 und Abs. 2 ErbStG geregelten Steuervergünstigungen und ihre rückwirkende "Entziehung" nach § 13a Abs. 5 ErbStG erfahrungsgemäß dann Probleme, wenn der Erbe die Praxis nicht fortführt oder sogar – wie im Streitfall – gar nicht fortführen kann. Der Freibetrag des § 13a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ErbStG und der verminderte Wertansatz nach dessen Abs. 2 werden zunächst gewährt, wenn inländisches Betriebsvermögen i.S.d. § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStGbeim Erwerb von Todes wegen auf den Erwerber übergeht. Zum inländischen Betriebsvermögen i.S.d. § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG gehört auch das einem freien Beruf dienende Vermögen (arg.e. § 12 Abs. 5 S. 2 ErbStG i.V.m. § 96 BewG). Bereits mit Urteil vom 27.05.2009, II R 53/07 (BFH/NV 2009, 1899, BFH/PR 2009, 484) hat der BFH insoweit klargestellt, dass das Betriebsvermögen bei freiberuflicher Tätigkeit i.S.d. § 96 BewG i.V.m. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG die Wirtschaftsgüter umfasst, die der Ausübung des freien Berufs dienen und das freiberuflich genutzte Betriebsvermögen seine entsprechende Eigenschaft nicht durch den Tod des Erblassers verliert. Aus dem zuvor Gesagten folgt, dass der Fortbestand der Qualität als Betriebsvermögen bei dessen Erwerb von einem Freiberufler nicht tätigkeitsbezogen davon abhängt, dass der Erbe die freiberufliche Tätigkeit des Erblassers fortsetzt. § 13a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 4 Nr. 1 ErbStG stellt wegen der Anknüpfung an den Erwerb von Betriebsvermögen vielmehr allein betriebsbezogen auf die Aufrechterhaltung und Weiterführung des Betriebs des Erblassers ab.
2. Nach § 13a Abs. 5 Nr. 1 S. 1 ErbStG fallen allerdings der Freibetrag nach Abs. 1 und der verminderte Wertansatz nach Abs. 2 mit Wirkung für die Vergangenheit weg, soweit der Erwerber innerhalb von fünf Jahren nach dem Erwerb u.a. einen Gewerbebetrieb, einen Teilbetrieb oder einen Anteil an einer Gesellschaft i.S.d. § 18 Abs. 4 EStGveräußert.
a) Ein wenig erstaunlich ist es zunächst, dass der Gesetzeswortlaut des § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG die freiberufliche Einzelpraxis nicht erfasst.Dem Gesetzgeber ist insoweit bei der Abfassung des Abs. 5 Nr. 1 ganz offensichtlich ein Redaktionsversehen unterlaufen, denn immerhin knüpft doch § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG erkennbar an § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG an. Aus Sicht des BFH kann das Gesetz entsprechend schon aus diesem systematischen Grund nicht in dem Sinn verstanden werden, dass die Veräußerung einer freiberuflichen Einzelpraxis vom Anwendungsbereich des § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG ausgeschlossen wäre. Vielmehr er...