Oberste Finanzbehörden der Länder, Erlasse v. 22.12.2023 – S 3812a, BStBl. I 2024, 69
[Ohne Titel]
Dipl.-Kfm. Dr. Michael Knittel, WP/StB/FB IntStR/RA/FASt
Die neuen Ländererlasse (Oberste Finanzbehörden der Länder, Erlasse v. 22.12.2023 – S 3812a, BStBl. I 2024, 69) zur Anwendung der die Optionsverschonung betreffenden Vorschriften des ErbStG gehen auf eine Entscheidung des BFH v. 26.7.2022 – II R 25/20, BStBl. II 2024, 21, zurück. Der vorliegende Beitrag stellt die Erlassregelungen vor dem Hintergrund weiterer von der BFH-Entscheidung betroffener Vorschriften des ErbStG vor.
I. Einführung
Das ErbStG sieht bei der Übertragung von Betriebsvermögen zwei Verschonungsmodelle vor. Zum einen die ohne Antrag des Steuerpflichtigen (Stpfl.) zu gewährende Regelverschonung, bei der 85 % des Wertes des begünstigungsfähigen Betriebsvermögens steuerfrei bleiben, wenn der Übernehmer den Betrieb fünf Jahre unverändert fortführt. Sofern der Übernehmer den Betrieb sieben Jahre lang in unverändertem Umfang fortführt kann alternativ auf Antrag des Stpfl. die Optionsverschonung gewährt werden, bei der das begünstigungsfähige Betriebsvermögen vollständig steuerfrei bleibt. Sofern bei einer Übertragung gleichzeitig mehrere wirtschaftliche Einheiten (z.B. Einzelunternehmen und GmbH-Beteiligung) übertragen werden, konnte sich nach Ansicht der Finanzverwaltung der Erwerber bislang lediglich für ein Verschonungsmodell bzgl. aller wirtschaftlichen Einheiten entscheiden. Unterschiedliche Anträge für die einzelnen Einheiten waren demnach ausgeschlossen. Aufgrund einer BFH-Entscheidung bzw. den daran anschließenden gleichlautenden Ländererlassen ergibt sich nun für den Erwerber unterschiedlicher wirtschaftlicher Einheiten die Möglichkeit individuell für jede wirtschaftliche Einheit jeweils eines der beiden Verschonungsmodelle zu wählen.
Die neuen Ländererlasse zur Anwendung der die Optionsverschonung betreffenden Vorschriften des ErbStG gehen auf eine Entscheidung des BFH v. 26.7.2022 – II R 25/20 (im Folgenden kurz "BFH-Entscheidung") zurück. Dieser Entscheidung liegt der folgende Sachverhalt zugrunde: Die Stpfl. erhielt schenkweise Beteiligungen an vier KGs übertragen, für die sie die vollständige Steuerbefreiung nach § 13a Abs. 8 ErbStG a.F. beantragte (sog. Optionsverschonung). Im Streitjahr 2010 betrug die für die Inanspruchnahme der Optionsverschonung höchstens zulässige Verwaltungsvermögensquote 10 %. Diese Voraussetzung erfüllten nur drei Beteiligungen. Daher gewährte das FA die Optionsverschonung nur für diese drei Beteiligungen und behandelte die vierte Beteiligung als uneingeschränkt steuerpflichtig. Die Beschenkte trug dagegen vor, bei einheitlicher Stellung des Antrags auf Optionsverschonung müsse auch die Verwaltungsvermögensquote einheitlich ermittelt werden. Diese läge für alle vier Anteile zusammen unter 10 %. Hilfsweise beantragte sie für den vierten Anteil die Regelverschonung von 85 %.
Der BFH hat dazu entschieden, dass die Verwaltungsvermögensquote bei der einheitlichen Schenkung mehrerer Kommanditanteile für jede übertragene wirtschaftliche Einheit gesondert zu ermitteln sei. Nach dem System der Steuerbegünstigung i.S.d. §§ 13a, 13b ErbStG a.F. gelte dies für Regelverschonung und Optionsverschonung. Der Antrag auf Optionsverschonung könne für jede wirtschaftliche Einheit gesondert abgegeben werden. Damit könne der Beschenkte oder Erbe für jeden Übertragungsfall individuell entscheiden, ob er sich der Optionsverschonung und deren strengeren Voraussetzungen unterwerfen möchte. Für die Anforderung der Finanzverwaltung auf einen einheitlichen, d.h. für alle wirtschaftlichen Einheiten gleichen Optionsantrag bestehe keine gesetzliche Grundlage. Der BFH hat damit gegen die Auffassung der Finanzverwaltung (vgl. R E 13a.21 Abs. 1 Satz 1 ErbStR 2019) entschieden. Die Möglichkeit zum sog. Rückfall zur Regelverschonung bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen für eine Vollverschonung verneint dagegen der BFH.
II. Regelungen der Ländererlasse
Nach Ansicht der Finanzverwaltung hat die BFH-Entscheidung über den Einzelfall hinausgehende Ausstrahlungswirkung auf weitere erbschaftsteuerlichen Vorschriften in Zusammenhang mit den Optionsverschonungsmodellen. In diesem Zusammenhang hat die Finanzverwaltung Anpassungsbedarf hinsichtlich der Anwendung eines Teils der für die Optionsverschonung einschlägigen Vorschriften gesehen. Sie hat daher in gleichlautenden Ländererlassen Vorgehensweisen für weitere die Anwendung der die Optionsverschonung betreffenden Vorschriften des ErbStG festgelegt. Die Finanzverwaltung folgt in den gleichlautenden Ländererlassen den vom BFH entschiedenen Grundsätzen und erläutert diese anhand von Berechnungsbeispielen.
Zentral geht es dabei wiederkehrend um die Frage, ob diese Vorschriften jeweils nur einheitlich hinsichtlich der an einer Übertragung beteiligten wirtschaftlichen Einheiten angewendet werden können (Einheitsmodell) bzw. jeweils gesondert bezogen auf eine beteiligte wirtschaftliche Ein...