1. Verwaltungsauffassung
Verwaltungsauffassung: Zur Anwendung des § 32a KStG bei fehlender Auswirkung einer vGA auf die Körperschaftsteuer vertritt das FinMin. Schleswig-Holstein folgende Rechtsauffassung:
„Soweit gegenüber einer Körperschaft ein Steuerbescheid hinsichtlich der Berücksichtigung einer verdeckten Gewinnausschüttung erlassen, aufgehoben oder geändert wird, kann ein Steuerbescheid oder ein Feststellungsbescheid gegenüber dem Gesellschafter, dem die verdeckte Gewinnausschüttung zuzurechnen ist, oder einer diesem nahe stehenden Person erlassen, aufgehoben oder geändert werden (§ 32a Abs. 1 KStG).
§ 32a Abs. 1 S. 1 KStG ist auch bei fehlender Auswirkung einer zu berücksichtigenden verdeckten Gewinnausschüttung auf die Höhe der festgesetzten KSt. anzuwenden – maßgeblich ist, dass ein Steuerbescheid gegenüber der Körperschaft auch tatsächlich hinsichtlich der Berücksichtigung einer verdeckten Gewinnausschüttung erlassen, aufgehoben oder geändert wird.
Durch den einschränkenden Wortlaut "soweit" in § 32a Abs. 1 S. 1 KStG ist klargestellt, dass die Änderungsbefugnis auf den zu beurteilenden Sachverhalt beschränkt ist, der auf der Ebene des KSt.-Subjekts zur Korrektur des Steuerbescheids geführt hat – eine betragsmäßige Begrenzung der Änderungsmöglichkeit liegt insoweit nicht vor. Die Anwendung weiterer Änderungsvorschriften bleibt unberührt”.
2. Kritische Würdigung der Verwaltungsauffassung
Enge Auslegung des Gesetzeswortlauts: Der Wortlaut des § 32a Abs. 1 KStG lässt auch die Auslegung zu, wonach eine Änderung des ESt-Bescheids der Gesellschafter
- nur möglich ist, wenn der KSt-Bescheid der Gesellschaft geändert wird,
- während es nicht genügt, wenn nur der Verlustfeststellungsbescheid geändert wird.
Denn auf Gesellschaftsebene spricht das Gesetz nur von einem "Steuerbescheid", während es auf Ebene der Gesellschafter zwischen Steuerbescheiden und Feststellungsbescheiden differenziert.
Erweitertes Verständnis des Norm: Nach Auffassung des FG Berlin-Brandenburg ist § 32a Abs. 1 S. 1 KStG so zu verstehen, dass als "Steuerbescheid" in dessen Sinn
- nicht nur der KSt-Bescheid gilt,
- sondern auch der Verlustfeststellungsbescheid.
Dies folgt aus Sinn und Zweck der Regelung, die auf eine korrespondierende Besteuerung von vGA auf Gesellschafts- und Gesellschafterebene hinwirken soll. § 32a KStG ist damit vom Gesetzgeber im Ergebnis – unter Durchbrechung des Trennungsprinzips – auf die Kongruenz der Besteuerung der Ebenen der Gesellschaft bzw. des Anteilseigners angelegt. Dies rechtfertigt es auch, die Regelung des § 32a Abs. 1 S. 1 KStG dahingehend zu verstehen, dass auch die Änderung von Verlustfeststellungsbescheiden zur Körperschaftsteuer zur Anwendung des § 32a KStG führt, weil anderenfalls das gesetzgeberische Anliegen ohne sachliche Rechtfertigung nur teilweise umgesetzt wäre.
Kein Widerspruch zum Gesetzeswortlaut: Diese Auslegung steht auch nicht im Widerspruch zum Wortlaut der Regelung in § 32a Abs. 1 S. 1 KStG; denn der Gesetzgeber musste auf Ebene der Gesellschafter deshalb zwischen Steuerbescheiden und Feststellungsbescheiden differenzieren, weil die Beteiligung an der Kapitalgesellschaft häufig in Gesamthands- oder Sonderbetriebsvermögen von Personengesellschaften gehalten werden. Dem musste der Gesetzgeber gerecht werden, in dem er in solchen Fällen eine Änderung der Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gem. § 180 Abs. 1 Nr. 2a AO vorgesehen hat. Dasselbe gilt in den Fällen der gesonderten Feststellung gem. § 180 Abs. 1 Nr. 2b AO.
Ausnahme im Insolvenzverfahren: Der BFH hat sich in einem Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung weiter dafür ausgesprochen, dass eine sinngemäße Anwendung des § 32a Abs. 1 KStG auch in Betracht komme, wenn die Änderung des KSt-Bescheids wegen des zwischenzeitlich eröffneten Insolvenzverfahrens unterbleibe und das Finanzamt lediglich die zur Insolvenztabelle angemeldete Forderung im Hinblick auf eine vGA gemindert habe. Die im Insolvenzverfahren vorgenommene Änderung der Körperschaftsteuerberechnung, die zu einer Verminderung der zur Insolvenztabelle angemeldeten Steuerforderungen geführt habe, komme jedenfalls im Ergebnis einer Änderung eines KSt-Bescheids gleich.
Beraterhinweis Teilweise wird darin die Tendenz des BFH gesehen, trotz des eindeutigen Wortlauts eine analoge Anwendung des § 32a KStG nicht generell ausschließen zu wollen.