OFD Hannover, Verfügung v. 11.2.2002, S 2410 - 30 - StO 223/S 2400 - 83 - StH 234
1. Allgemeines
(aus FinMin Niedersachsen vom 15.3.1993, S 2252 – 49 – 31 2)
Nach § 44a Abs. 5 EStG ist der Zinsabschlag bei betrieblichen Kapitalerträgen nicht einzubehalten, wenn die Kapitalertragsteuer und die anrechenbare Körperschaftsteuer bei dem Gläubiger der Kapitalerträge auf Grund der Art seiner Geschäfte auf Dauer höher wären als die gesamte festzusetzende Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer. Dies ist durch eine Bescheinigung des für den Gläubiger der Kapitalerträge zuständigen Finanzamts nachzuweisen. Mit dieser Regelung wird eine zeitweilige Überbesteuerung bei solchen Unternehmen vermieden, die große Wertpapierbestände besitzen, aufgrund der Art ihrer Geschäfte aber auf Dauer weniger Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer zu zahlen haben, als ihnen in Gestalt des Zinsabschlag und/oder der Kapitalertragsteuer von den Wertpapiererträgen einbehalten wird.
Als typischer Beispielsfall für einen derartigen Sachverhalt wird in der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (BT-Drucksache 12/2501) der Abzug des Zinsabschlags von Wertpapiererträgen der Lebensversicherungsunternehmen angeführt. Diese Wertpapiererträge werden größtenteils an die Versicherten weitergegeben. Die Vorbelastung der Versicherungsunternehmen durch den Zinsabschlag wäre folglich ständig höher als die letztlich für die Gewinne zu zahlende Körperschaftsteuer. Eine ähnliche Überbesteuerungsproblematik besteht bei Zinserträgen von Verwertungsgesellschaften gemäß Urheberrechtswahrnehmungsgesetz. Diese ausdrückliche Benennung von Unternehmen aus Bereichen, in denen regelmäßig Gewinn erzielt wird, zeigt, dass der Gesetzgeber mit der Regelung des § 44a Abs. 5 EStG „Verlustbranchen” oder Unternehmen, die – auch für längere Zeit – Verluste erzielen, nicht generell vom Zinsabschlag befreien wollte.
Eine großzügige Auslegung der Tatbestandsmerkmale „aufgrund der Art seiner Geschäfte” und „auf Dauer” steht mit dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift nicht in Einklang. Während „auf Dauer” einen zum Zeitpunkt der Beurteilung nicht feststehenden und nicht absehbaren Zeitraum bezeichnet, ist das Tatbestandsmerkmal „aufgrund der Art seiner Geschäfte” jedenfalls dann nicht erfüllt, wenn die längerfristige Verlustsituation des Gläubigers von Kapitalerträgen, die zu einer niedrigeren Einkommen- oder Körperschaftsteuer als der einbehaltene Zinsabschlag führt, auf der jeweiligen Marktsituation bzw. auf individuellen rechtlichen Gestaltungen beruht.
Die Erteilung einer Bescheinigung nach § 44a Abs. 5 EStG kommt daher in derartigen Fällen nicht in Betracht.
2. Anwendung des § 44a Abs. 5 EStG auf Holdinggesellschaften
Zu der Frage, ob bei Holdinggesellschaften aufgrund der Art der Geschäfte vom Steuerabzug nach § 44a Abs. 5 EStG Abstand genommen werden kann, wird gebeten folgende Auffassung zu vertreten:
Holdinggesellschaften erfüllten nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 27.8.1997, BStBl 1997 II S. 817) bisher nicht die Voraussetzungen des § 44a Abs. 5 EStG, dass bei ihnen nach der Art ihrer Geschäfte die Kapitalertragsteuer auf Beteiligungserträge auf Dauer höher ist als die gesamte festzusetzende Einkommen- und Körperschaftsteuer. Diese Rechtsprechung wurde vom BFH damit begründet, dass neben den laufenden Beteiligungserträgen auch mögliche Gewinne aus dem Verkauf der Beteiligungen zu berücksichtigen seien. Daher ergebe sich die Überzahlungssituation nicht aus der Art der Geschäfte, sondern aus der konkreten Entscheidung, wie das Geschäft geführt werde.
Aufgrund der Einführung der Steuerbefreiung von Beteiligungserträgen und den Gewinnen aus der Veräußerung von Kapitalbeteiligungen durch die Neufassung des § 8b KStG erfüllen Holdingunternehmen in der Rechtsform von Kapitalgesellschaften in der Regel ab 2002 die Voraussetzungen des § 44a Abs. 5 EStG, wenn ihre Einkünfte fast ausschließlich aus steuerfreien Beteiligungseinkünften stammen. Andere steuerpflichtige Erträge, z.B. Zinseinnahmen in geringem Umfang, stehen der Erteilung einer Bescheinigung nach § 44a Abs. 5 EStG nicht entgegen.
Gesellschaften i.S. des § 8b Abs. 7 KStG (Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsunternehmen und Finanzunternehmen i.S. des Gesetzes über das Kreditwesen) haben keinen Anspruch auf die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung nach § 44a Abs. 5 EStG.
Sofern einzelne Beteiligungsverträge bzw. Veräußerungsgewinne bei der Holdinggesellschaft im Veranlagungszeitraum 2002 nicht unter die Steuerbefreiungsvorschriften in § 8b Abs. 1 und 2 KStG fallen, ist im Einzelfall zu prüfen, ob dies für die Erteilung der Bescheinigung nach § 44a Abs. 5 EStG schädlich ist oder die Bescheinigung aufgrund der Geringfügigkeit der steuerpflichtigen Erträge ungeachtet dessen ausgestellt werden kann.
3. Anwendung des § 44a Abs. 5 EStG bei Versicherungsunternehmen, die Organgesellschaften sind
Nach dem FinMin Niedersachsen vom 24.9.1997, S 2405 – 8 – 31 2, wird gebeten zu der Frage, ob Versicherungsunternehmen, die ...