[Ohne Titel]
Dipl.-Fw. (FH) Thomas Rennar
Gerade in der durchgehenden Krisensituation kommt einer unternehmerischen Gesamtkostenersparnis praktische Relevanz zu. Hierbei sind es nicht nur multinationale Konzerngruppen, sondern auch gerade größere Mittelstandsbetriebe, welche eine Verlagerung der elektronischen Buchführung & Co. sowie klassischer "Back-Office-Funktionen" in personalgünstigere EU-Mitgliedstaaten oder gar Drittstaaten in Betracht ziehen. Steuerlich ist hierbei bereits vor Durchführung einer aktiven Verlagerung zwingend an eine förmliche Anzeigepflicht i.S.d. § 146 Abs. 2a f. AO in EU- und Drittstaaten-Fällen mit weiteren Folgen zu denken. Welche steuerlichen Implikationen und Rechtsrisiken sich aus diesen verfahrensrechtlich umfassend wirkenden Anzeigepflichten ergeben, betrachtet dieser Beitrag.
I. Hintergrund
Nach § 158 AO sind die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechen, der Besteuerung zugrunde zu legen, soweit nach den Umständen des Einzelfalls kein Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden. Werden Buchführung oder Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen im Einzelfall durch die Finanzverwaltung beanstandet, so ist durch die Finanzverwaltung der Grund der Beanstandung in geeigneter Form darzustellen (BMF v. 28.11.2019, BStBl. I 2019, 1269). Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind hierbei zu führen und aufzubewahren. Dies gilt nicht, soweit für Betriebstätten außerhalb des Geltungsbereichs eine Verpflichtung besteht, Bücher und Aufzeichnungen zu führen, und diese Verpflichtung erfüllt wird. In diesem Fall sowie bei Organgesellschaften außerhalb des Geltungsbereichs müssen die Ergebnisse der dortigen Buchführung in die Buchführung des hiesigen Unternehmens übernommen werden, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind. Dabei sind die erforderlichen Anpassungen an die steuerrechtlichen Vorschriften vorzunehmen und kenntlich zu machen, § 146 Abs. 2 AO. Die Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen können auch in der geordneten Ablage von Belegen bestehen oder auf Datenträgern geführt werden, soweit diese Formen der Buchführung einschließlich des dabei angewandten Verfahrens den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechen; bei Aufzeichnungen, die allein nach den Steuergesetzen vorzunehmen sind, bestimmt sich die Zulässigkeit des angewendeten Verfahrens nach dem Zweck, den die Aufzeichnungen für die Besteuerung erfüllen sollen. Bei der Führung der Bücher und der sonst erforderlichen Aufzeichnungen auf Datenträgern muss insb. sichergestellt sein, dass während der Dauer der Aufbewahrungsfrist die Daten jederzeit verfügbar sind und unverzüglich lesbar gemacht werden können, § 146 Abs. 5 AO.
Blick in die Statistik: Auslandsverflechtung multinationaler Unternehmensgruppen im Zeitverlauf
Quelle: Statista
II. Förmliche Anzeigepflicht bei Verlagerung in EU-Mitgliedstaaten
1. Zunehmende Verlagerungsaktivität durch Krisendruck
Es mehren sich in der Praxis die Anträge auf Verlagerung der Buchführung ins Ausland. Es ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass lediglich die elektronische Buchführung und elektronische Aufzeichnungen bzw. Teile hiervon verlagert werden können. Papierunterlagen sind grundsätzlich weiterhin im Inland aufzubewahren. Erlangt die Finanzbehörde letztlich Kenntnis davon, dass der Steuerpflichtige die elektronische Buchführung oder Teile davon ins Ausland – ohne förmliche Anzeige – verlagert hat, ist zu prüfen, ob gerade eine Rückverlagerung verlangt werden muss (s. hierzu auch BayLfSt v. 20.1.2017 – S 0316.1.1-3/5 St42).
2. Einordnung
Abweichend von § 146 Abs. 2 S. 1 AO kann der Steuerpflichtige elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon in einem anderen Mitgliedstaat oder in mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union führen und aufbewahren. Macht der Steuerpflichtige von dieser Befugnis Gebrauch, hat er sicherzustellen, dass der Datenzugriff (§ 146b Abs. 2 S. 2, § 147 Abs. 6 AO und § 27b Abs. 2 S. 2 und 3 UStG) in vollem Umfang möglich ist (§ 146 Abs. 2a AO).
Die formellen Anforderungen an die elektronische Auslandsbuchführung entsprechen denen der inländischen. Es muss somit sichergestellt sein, dass
- die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung vom Inland aus lückenlos geprüft werden kann und
- die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung (GoBD) eingehalten werden.
Dies setzt voraus, dass auch nach der Verlagerung die Voraussetzungen der §§ 140 bis 147 AO und alle sonstigen Anforderungen erfüllt sind, die nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer DV-gestützter Buchführungssysteme (sog. GoBS; s. hierzu bereits BMF v. 7.11.1995, BStBl. I 1995, 738) an ein DV-gestütztes Buchführungssystem gestellt werden. Ferner ist sicherzustellen, dass die Voraussetzungen des Datenzugriffs nach den Grundsätzen zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (sog. GDPdU für Alt-Jahre; s. hierzu auch BMF v. 16.7.2001, BStBl. I 2001, 415; sowie weitergehend bereits Rennar, StuB 2021, 780) in vollem Umfang erfüllt werden.
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