Prof. Dr. jur. Tobias Huep
Grundsätzlich muss die Krankheit kausal für den Eintritt der Arbeitsunfähigkeit sein. An der geforderten Kausalität fehlt es, wenn der Arbeitnehmer trotz Erkrankung seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbringen kann. Darüber hinaus muss die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit auch alleinige Ursache für die Arbeitsverhinderung sein, sog. Monokausalität der Erkrankung. Der erkrankte Arbeitnehmer soll nicht mehr erhalten, als er im Fall seiner Gesundheit bekommen würde. Durch Arbeits- oder Tarifvertrag kann zugunsten des Arbeitnehmers hiervon abgewichen werden. Im Grundsatz besteht daher kein Entgeltfortzahlungsanspruch, wenn der Arbeitnehmer im Fall der Nichterkrankung aus anderen Gründen nicht gearbeitet und kein Entgelt erhalten hätte. Liegt ein Fall der Doppel- oder Mehrfachkausalität für den Arbeitsausfall vor, entfällt in der Regel der Anspruch auf Entgeltfortzahlung. So hat der Arbeitnehmer für einen arbeitsfreien, nicht vergüteten Tag, der in den Zeitraum der Erkrankung fällt, keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Der Arbeitnehmer kann gleichwohl nach einer anderen Anspruchsgrundlage einen Anspruch auf Vergütung haben.
Wichtige Fälle in der Praxis:
- Im Fall von Kurzarbeit entfällt der Entgeltfortzahlungsanspruch in dem Umfang, in dem die Kurzarbeit Ursache des Arbeitsausfalls ist.
- Beim Zusammentreffen von Urlaub und Krankheit werden gemäß § 9 BUrlG die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der AU auf den Jahresurlaub nicht angerechnet – an Stelle des Urlaubsentgelts entsteht ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Gleiches gilt für die Teilnahme am Bildungsurlaub.
Erkrankt der Arbeitnehmer während einer Streikteilnahme oder während einer Aussperrung, entsteht kein Entgeltfortzahlungsanspruch.
Keine Anrechnung böswillig unterlassenen anderweitigen Erwerbs nach § 615 Satz 2 BGB in Zeiten krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit.
- Im Fall eines Beschäftigungsverbots nach § 11 MuSchG entsteht kein Anspruch; stattdessen erhält die Arbeitnehmerin Vergütung nach § 11 MuSchG.
- Eine behördliche Absonderungsanordnung steht der Krankheit als alleinige Ursache der Arbeitsunfähigkeit nicht entgegen, weil die Anordnung als unmittelbare Folge den Kausalzusammenhang nicht unterbricht. Der Anspruch nach dem EFZG entfällt auch nicht deshalb, weil der Arbeitnehmer einen öffentlich-rechtlichen Entschädigungsanspruch nach § 56 IfSG hat.
Befindet sich der Arbeitgeber im Annahmeverzug, entsteht ein Entgeltfortzahlungsanspruch, wenn der Arbeitnehmer erkrankt, da er in diesem Fall seine Arbeitskraft nicht anbieten kann.
Die dienstplanmäßige Einteilung zur Erbringung von Bereitschaftsdiensten gehört zu den wegen Arbeitsunfähigkeit zu berücksichtigenden Zeiten, die einen Entgeltfortzahlungsanspruch begründen.
Von den Fällen der Doppelkausalität ist die Frage eines hypothetischen Kausalverlaufs abzugrenzen. Eine hypothetische "Ersatzursache" ist gegeben, wenn ein Kausalverlauf ohne Arbeitsunfähigkeit unterstellt wird und der Anspruch auf Lohnzahlung aus anderen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen entfallen wäre. Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung setzt nicht voraus, dass bei fehlender Krankheit der Arbeitnehmer kein weiteres hypothetisches Arbeitshindernis gesetzt hätte. Es ist nur darauf abzustellen, ob bereits bestehende andere Ursachen zu einem Arbeitsausfall führen würden.