Entscheidungsstichwort (Thema)
Teilzeitwunsch des Arbeitnehmers nach Beendigung der Elternzeit (Erziehungsurlaub)
Leitsatz (amtlich)
1. Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Verringerung der Arbeitszeit nebst deren Verteilung nach § 8 TzBfG kann im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens vorläufig durchgesetzt werden, wenn die Teilzeitarbeit zur Abwendung wesentlicher Nachteile des Arbeitnehmers geboten ist und betriebliche Gründe nicht entgegenstehen.
2. Wesentliche Nachteile liegen vor, wenn die Kindesbetreuung ohne die Verringerung der Arbeitszeit nicht gewährleistet werden kann.
Normenkette
TzBfG § 8; ZPO § 940
Tenor
I.
Die Verfügungsbeklagte wird verpflichtet, die Verfügungsklägerin bis 14 Tage nach Verkündung einer abweisenden Entscheidung im Hauptsacheverfahren 31 Ca 13371/01 mit einer verringerten wöchentlichen Arbeitszeit von 19,25 Stunden in der Weise zu beschäftigen, dass die Arbeitszeit auf drei beliebige Wochentage verteilt wird, wobei die Verfügungsklägerin an einem dieser drei Wochentage die Betriebsstätte spätestens um 13.00 Uhr verlassen kann.
II.
Im übrigen wird die Verfügungsklage abgewiesen.
III.
Von den Kosten haben die Verfügungsklägerin 10 % und die Verfügungsbeklagte 90 % zu tragen.
IV.
Streitwert: 16.386,– DM.
Tatbestand
Die am 10.12.1964 geborene Verfügungsklägerin trat als Reiseverkehrskauffrau mit Vertrag vom 01.02.1990 ab diesem Datum in ein Arbeitsverhältnis zu der Firma H. Reisebüro GmbH. Die Fa. H. fusionierte später mit der Fa. T. GmbH zu der jetzigen Verfügungsbeklagten. Im April 1992 Wurde die Klägerin Leiterin eines neu eröffneten Reisebüros der Beklagten in Berlin-Mitte, bis sie nach der Geburt ihres zweiten Kindes Erziehungsurlaub auf der Grundlage des BErzGG in Anspruch nahm. Die Klägerin ist Mutter eines 6-jährigen, nunmehr schulpflichtigen Sohnes sowie einer 3-jährigen Tochter. Der Erziehungsurlaub der Klägerin endete am 28.08.2001. Mit Schreiben vom 29.05.2001 teilte die Klägerin der Beklagten u. a. Folgendes mit:
„…
Mein Wunsch wäre natürlich halbtags zu arbeiten oder 2–3 Tage Vollzeit in der Woche. Ich würde mich freuen, wenn wir bei einem Ihrer nächsten Besuche in Berlin miteinander sprechen und die Möglichkeiten miteinander erörtern könnten…”
Mit Schreiben vom 19.07.2001 lehnte die Beklagte endgültig die genannten Wünsche der Klägerin ab. Daraufhin wiederholte die Klägerin mit Anwaltschreiben vom 02.08.2001 ihre Wünsche auf Verringerung der Arbeitszeit. Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 17.08.2001 ab. Dort heißt es u. a.:
„…
Allerdings möchten wir Sie darauf hinweisen, dass Ihrer Mandantin ein Anspruch auf Teilzeitarbeit nur zusteht, soweit betriebliche Gründe nicht entgegen stehen. In unserem Fall liegen jedoch solche Gründe vor. Unter anderem war es leider nicht möglich, eine geeignete zusätzliche Arbeitskraft zu finden. Dieses ist bekanntermaßen ein Ablehnungsgrund, der sich aus der Gesetzesbegründung zu § 8 Abs. 4 TZBFG ergibt. Entgegen Ihrer Auffassung steht Ihrer Mandantin daher nicht in jedem Fall ein Anspruch auf Teilzeitarbeit zu, den wir durch Vornahme entsprechender Maßnahmen zu erfüllen haben …”
Am 24.08.2001 wies die Beklagte der Klägerin eine Vollzeitstelle im Reisebüro Karl-Marx-Str. 127 zur Arbeitsaufnahme zu. Die Parteien führten dann noch Verhandlungen, wobei die Klägerin als „Zwischenlösung” zur Regelung der vorläufigen Arbeitszeit eine Arbeitsleistung von 25 Wochenstunden anbot. Auch dies wurde von der Beklagten abgelehnt. Unter dem 30.08.2001 wies die Beklagte der Klägerin dann das Reisebüro Rheinstr. 11 zur Arbeitsaufnahme zu. Die Klägerin ist seit dem 31.08.2001 „vorübergehend” krank geschrieben.
Mit dem am 10.09.2001 bei Gericht eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nimmt die Klägerin die Beklagte jetzt auf Verringerung der wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 auf 19,25 Stunden und Verteilung dieses Arbeitsvolumens auf drei beliebige Tage in der Woche, wobei an einem dieser drei Arbeitstage die Klägerin die Betriebsstätte spätestens um 13.00 Uhr verlassen kann, in Anspruch.
Mit bei Gericht am 12.09.2001 eingegangenen Klage hat die Klägerin das Hauptsacheverfahren eingeleitet.
Die Verfügungsklägerin trägt vor:
Die Verfügungsbeklagte betreibe in Berlin etwa 36 Reisebüros mit jeweils vier bis fünf Mitarbeitern. Die Kinder der Klägerin könnten an zwei Tagen in der Woche von der Schwiegermutter nach Schließung der Kindertagesstätte bzw. der Schule am Nachmittag auch bis abends 19.00 Uhr betreut werden. Eine weitergehende Betreuung durch die Schwiegermutter sei nicht möglich. Der Ehemann der Klägerin sei beruflich nicht in der Lage, die Kinder nachmittags zu betreuen. Eine Betreuung durch Drittpersonen sei nicht möglich und auch nicht zumutbar.
Die Verfügungsklägerin stellt deshalb den Antrag:
Der Antragsgegnerin wird bei Meidung von Zwangsgeld ersatzweise Zwangshaft aufgegeben, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens der Verringerung der wöchentlichen Arbeitszeit der Antragstellerin von 38,5 Stunden auf 19,25 Stunden...