Grundsätzliche Voraussetzung für den Abzug krankheitsbedingter Aufwendungen ist jedoch, dass die den Aufwendungen zugrunde liegende Behandlung mit der innerstaatlichen Rechtsordnung im Einklang steht. Denn eine nach nationalem Recht verbotene Behandlung kann keinen zwangsläufigen Aufwand i.S.d. § 33 Abs. 1 EStG begründen. Vielmehr ist von den Steuerpflichtigen zu erwarten, dass sie gesetzliche Verbote beachten.
Verbotene Behandlungsmaßnahmen: Aufwendungen für nach objektiv-rechtlichen Maßstäben verbotene Behandlungsmaßnahmen sind daher selbst dann nicht zwangsläufig, wenn sie
- nicht straf- oder bußgeldbewehrt sind oder
- wegen eines Strafausschließungsgrunds nicht geahndet werden.
Kein Verstoß gegen das Embryonenschutzgesetz (ESchG): Als außergewöhnliche Belastungen sind daher Kosten für eine künstliche Befruchtung nur zu berücksichtigen, wenn die aufwandsbegründende Behandlung insbesondere nicht gegen das Embryonenschutzgesetz (ESchG) verstößt. Nach deutschem Recht ist die künstliche Befruchtung mit Hilfe einer Eizellenspende, d.h. eine künstliche Befruchtung unter Verwendung einer Eizelle, die nicht von der Frau stammt, deren Schwangerschaft mit der künstlichen Befruchtung herbeigeführt werden soll, unzulässig (§ 1 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 ESchG). Unmaßgebliche Aspekte: Es wird auch nicht danach differenziert,
- ob es sich um eine "kommerzielle" Spende handelt oder
- ob eine Verwandtschaftsbeziehung zwischen der Frau, deren Schwangerschaft herbeigeführt werden soll, und der Spenderin der Eizelle besteht.
a) Ungleiche Behandlung von Samen- und Eizellenspende: grundgesetzkonform
Der BFH sieht seine Rechtsprechung auch nicht im Widerspruch zu Art. 3 Abs. 2 und 3 GG stehend. Denn mit der ungleichen Behandlung von Samen- und Eizellenspende knüpft das Steuerrecht lediglich an die insoweit geltenden Regelungen des ESchG an, nach dessen Begründung mit dem Verbot der Eizellenspende eine Aufspaltung der Mutterschaft in
- eine genetische Mutter (die Eizellenspenderin) und
- eine austragende Mutter
verhindert werden soll.
Diese Erwägungen stellen aufgrund unterschiedlicher biologischer Gegebenheiten einen sachlichen Grund dar, der die unterschiedliche Behandlung der Eizellenspende gegenüber der grundsätzlich zulässigen Samenspende rechtfertigt.
b) Rechtsprechung ist auch europarechtskonform
Keine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs: Auch ein Widerspruch zu europarechtlichen Vorgaben liegt nicht vor. Insbesondere liegt keine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Union (Art. 56 AEUV) vor, da § 33 EStG weder den Steuerpflichtigen noch Dienstleister in anderen Mitgliedstaaten allein deswegen benachteiligt, weil sie von ihrer Freiheit, Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat nachzufragen bzw. einem Staatsbürger eines anderen Mitgliedstaats anzubieten, Gebrauch gemacht haben. Denn die streitigen Aufwendungen sind nicht deshalb von einem Abzug als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen, weil Leistungen im Ausland in Anspruch genommen wurden.
Ausschlaggebend ist der Verstoß der Behandlung gegen das ESchG: Vielmehr sind Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung unter Verwendung einer gespendeten Eizelle deshalb nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehbar, weil eine solche Behandlung gegen das ESchG verstößt – und zwar unabhängig davon, ob die Behandlung im In- oder im Ausland vorgenommen wird.
c) Ausnahmsweise kein Verstoß gegen § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG
Ein Verstoß gegen § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG liegt jedoch nicht vor, wenn zwar mehr als drei Eizellen befruchtet werden, aber lediglich ein oder zwei entwicklungsfähige Embryonen zum Zwecke der Übertragung entstehen sollen und der Behandlung eine vorherige sorgfältige individuelle Prognose zugrunde liegt (sog. deutscher Mittelweg).