Zusammenfassung
Ein Austritts- oder Abgangsinterview (auch "Exit-Gespräch" genannt) sollte stets geführt werden, wenn ein Mitarbeiter sein Arbeitsverhältnis kündigt. In diesem Moment gehen dem Unternehmen spezifisches Fach- und/oder Branchen-Know-how, Kontakte und Potenzial verloren. Investitionen, die Sie in die Aus- und Weiterbildung des Mitarbeiters getätigt haben, haben sich möglicherweise noch nicht "ausgezahlt". Natürlich haben Sie ein Interesse daran, wenigstens detailliertes und ehrliches Feedback zu den Beweggründen des Mitarbeiters zu erhalten. Nutzen Sie dieses Feedback, um "besser" zu werden und zukünftige, ungewollte Fluktuation zu vermeiden.
1 Austrittsinterview als Instrument des Personalmanagements
Rückmeldungen austretender Mitarbeiter erlauben es, Schwachstellen in der Personalführung aufzudecken und Lösungen zu erarbeiten. Wenn sich ungewollte Fluktuation häuft, ist i. d. R. auch der "Leidensdruck" bei den Führungskräften so hoch, dass selbst ungern gehörtes Feedback (Kritik an Führungsstil, Personalpolitik, Personalplanung u. a.) zumindest angehört und eventuell auch berücksichtigt wird. Sie haben so die Chance, wirklich etwas zu verändern und zu bewegen und somit weiterer ungewollter Fluktuation vorzubeugen und in Ihre Mitarbeiterbindung zu investieren.
2 Ziele des Austrittsinterviews
Führungskräfte können aus einem Austrittsinterview wichtige Informationen gewinnen:
- den Austrittsgrund erfahren (familiäre Gründe, gesundheitliche Gründe, Fortbildung, fehlende Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten, Gehalt/Sozialleistungen, sonstige Gründe)
- Feedback vom Mitarbeiter erhalten (betriebliche Regelungen, Betriebs- und Abteilungsklima, Führungskompetenz der Vorgesetzten, Gestaltung der Position, Arbeitsbedingungen usw.),
- unterstützende Informationen für die Zeugniserstellung einholen.
Im absoluten Einzelfall kann es vorkommen, dass es Ziel des Austrittsinterviews ist, die vom Mitarbeiter ausgesprochene Kündigung rückgängig zu machen.
Kündigungsentscheidung akzeptieren
Den Versuch zu starten, eine Kündigung rückgängig zu machen, sollte gut überlegt und abgewogen werden, da die Erfahrungen zeigen, dass sich Mitarbeiter – die sich die Kündigungsentscheidung ja nicht leicht gemacht haben – nur selten "halten" lassen. Und wenn, dann nur durch Versprechungen, die langfristig einen hohen Preis haben (z. B. Gehaltserhöhungen, die das Gehaltsgefüge zerstören, Beförderungsversprechen, die nicht eingehalten werden können oder die die Unzufriedenheit bei anderen Mitarbeitern steigen lässt). Hier muss im Einzelfall entschieden werden.
Ein Mitarbeiter, der seine Kündigung einmal ausgesprochen hat, dann aber zum Bleiben "überredet" wurde, hat erstens betriebsintern einen schwereren Stand (Stichwort "versuchte Fahnenflucht") und zweitens kündigt er/sie häufig innerhalb relativ kurzer Zeit doch, weil die eigentlichen Kündigungsgründe nicht oder nur unvollständig beseitigt wurden. Besser ist es, eventuell vorhandene Wechselabsichten – insbesondere bei hochqualifizierten Mitarbeitern – über ein "Frühwarnsystem" deutlich vor Kündigungsentscheidung aufzugreifen und zu adressieren.
Normalerweise werden Austrittsinterviews dann geführt, wenn der Mitarbeiter selbst gekündigt hat bzw. sein Weggang von Firmenseite nicht gewollt war ("ungewollte Fluktuation"). Es kann aber auch sinnvoll sein, ein Abgangsinterview zu führen, wenn das Unternehmen das Arbeitsverhältnis beendet hat (z. B. bei Ablauf der Vertragsbefristung oder betrieblichen Gründen), um ehrliches Feedback zu bestimmten Punkten (z. B. Vorgesetztenverhalten, Unternehmensklima, Qualität der Personalbetreuung o. Ä.) zu erhalten. Dies muss im Einzelfall entschieden werden und die Gesprächsinhalte sollten an die jeweiligen Umstände/Zielsetzung angepasst werden.
Kritik einfordern
Es ist ein menschliches Bedürfnis, seinem Ärger/Missfallen "Luft" zu machen. Daher ist es so wichtig, etwaige Kritik aktiv einzufordern. Tun Sie dies nicht, wird der scheidende Mitarbeiter seinen Unmut u. U. in einem der Unternehmensbewertungsportale (z. B. www.kununu.com) erst recht tun!
3 Formen des Austrittsinterviews
Fragebogen oder persönliches Gespräch
Das standardisierte Verfahren in Form eines Fragebogens, der z. B. mit der Kündigungsbestätigung verschickt wird, hat enorme Vorteile, weil das Verschicken eines Fragebogens kaum Arbeit und Zeit kostet. Dieses Verfahren bringt erfahrungsgemäß aber auch kaum etwas, sondern hat eher "Alibi-Funktion". Das persönliche Gespräch zeigt dem austretenden Mitarbeiter, dass Sie ihm eine gewisse Wertschätzung entgegen bringen. Ein anonym mitgeschickter Fragebogen signalisiert genau das Gegenteil. Die Praxis zeigt, dass austretende Mitarbeiter – wenn man sich vertraulich, ernsthaft und interessiert mit ihnen unterhält – offen und ehrlich über ihre Erfahrungen im Betrieb und Meinungen zum Unternehmen, organisatorische und andere Missstände äußern. Dieses Feedback ist sehr wertvoll und es sollte vertraulich und mit Wertschätzung behandelt werden (alles Andere spricht sich schnell herum und man erhält Rückmeldungen von dieser Qualität zukünftig nicht mehr).