Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmung bei Versetzung eines Betriebsratsmitgliedes - Tendenzschutz
Orientierungssatz
Soweit im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren nach § 94 Abs 2 Satz 2 ArbGG neben der Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm ausdrücklich die Angabe verlangt wird, worin die Rechtsverletzung bestehen soll, wird nach ganz herrschender Auffassung angenommen, daß die Anforderungen an die Rechtsbeschwerdebegründung über die Anforderungen an eine Revisionsbegründung hinausgehen. Der Rechtsbeschwerdeführer muß sich mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen und darlegen, warum er die Begründung des Beschwerdegerichts für unrichtig hält.
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluß des
Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg - Kammern Freiburg -
vom 3. März 1999 - 22 TaBV 1/98 - wird als unzulässig
verworfen.
Gründe
A. Die Beteiligten streiten um die Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung der Betriebsratsvorsitzenden G.
Der Arbeitgeber (Beteiligter zu 1)) betätigt sich im Bereich der offenen Altenhilfe, der Schwerstbehinderten- und Aussiedlerbetreuung mit Aufgaben der Pflege und Versorgung. Er beschäftigt in der Hauptstelle in E und in der Außenstelle in B ca. 48 Arbeitnehmer, darunter bis Januar 1998 zwei Sozialarbeiterinnen.
Der Beteiligte zu 2) ist der Betriebsrat des Arbeitgebers, dessen Vorsitzende die von der streitgegenständlichen Versetzung betroffene Arbeitnehmerin G ist. Frau G ist bei dem Arbeitgeber seit 1987 als Diplom-Sozialarbeiterin (FH) beschäftigt. Sie ist mit folgenden Tätigkeiten befaßt: -
Koordination-
Abteilungsle-
Leiterin "A--
Fachvertretung in Gremien bei Behörden und Verbänden.
Frau G ist dem Geschäftsführer des Arbeitgebers direkt unterstellt.
Nachdem der Betriebsrat bereits auf einen Antrag des Arbeitgebers vom 17. Juli 1997 die Zustimmung zur Versetzung von Frau G von E auf einen Arbeitsplatz "Koordination der Betreuung Schwerstbehinderter im Rahmen der ISB (Individuelle Schwerbehindertenbetreuung)" im B zum 1. Januar 1998 abgelehnt und das Arbeitsgericht den Antrag auf Ersetzung der Zustimmung rechtskräftig abgewiesen hatte, verweigerte er die Zustimmung zur Versetzung von Frau G auf den Antrag des Arbeitgebers vom 9. Dezember 1997 erneut. Er hat das damit begründet, daß die Informationen des Arbeitgebers verwirrend seien und es sich bei dem vorgesehenen Arbeitsplatz nicht um eine gleichwertige Tätigkeit handle, Frau G somit auf eine niedrigere Hierarchieebene versetzt und dadurch einen Nachteil iSv. § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG erleiden würde.
Der Arbeitgeber teilte dem Betriebsrat mit Schreiben vom 17. Dezember 1997 mit, daß er Frau G vorläufig - im Sinne von § 100 BetrVG - mit Wirkung ab 1. Januar 1998 in die Dienststelle B versetze.
Der Arbeitgeber hat die Auffassung vertreten, der Zustimmung des Betriebsrats habe es nicht bedurft, weil es sich um eine tendenzbezogene Maßnahme im Hinblick auf eine Tendenzträgerin in einem Tendenzbetrieb handle. Das hierbei lediglich bestehende Informationsrecht des Betriebsrats habe er erfüllt. Im übrigen gelte die Zustimmung des Betriebsrats als erteilt, da dieser mit seinem Schreiben vom 11. Dezember 1997 die Zustimmung aus unbeachtlichen Gründen verweigert habe. Der Betriebsrat habe außerdem nicht innerhalb einer Woche die Zustimmungsverweigerung erklärt.
Der Arbeitgeber hat beantragt: 1. Es wird festgestellt, daß die
Versetzung der Sozialarbeiterin Frau Ulrike G in die
Dienststelle B ab 01.01.1998 der Zustimmung des Betriebsrates
nicht bedarf.
2. Fürsorglich: Es wird festgestellt, daß die Zustimmung des
Betriebsrates zur Versetzung von Frau Ulrike G in die
Dienststelle in B ab 01.01.1998 als erteilt gilt.
3. Fürsorglich: Die Zustimmung zur Versetzung von Frau Ulrike
Gl in die Dienststelle in B ab 01.01.1998 wird ersetzt.
4. Fürsorglich: Es wird festgestellt, daß die Versetzung von
Frau G schon zum 01.01.1998 als vorläufige Maßnahme aus
sachlichen Gründen dringend erforderlich war.
Der Betriebsrat hat beantragt, die Anträge abzuweisen.
Er hat gemeint, die Versetzung der Betriebsratsvorsitzenden G sei mitbestimmungspflichtig. Frau G sei weder Tendenzträgerin noch handele es sich um eine tendenzbezogene Maßnahme. Der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß beteiligt worden. Es fehle an einer vollständigen und richtigen Unterrichtung zu der Versetzung. Der Betriebsrat habe daher zu Recht eine den Anforderungen des § 99 Abs. 2 BetrVG genügende Zustimmungsverweigerung erklärt.
Das Arbeitsgericht hat die Anträge abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Beschwerde des Arbeitgebers die Entscheidung des Arbeitsgerichts abgeändert und festgestellt, daß die Versetzung der Sozialarbeiterin Ulrike G in die Dienststelle in B nicht der Zustimmung des Betriebsrats bedarf. Mit der Rechtsbeschwerde begehrt der Betriebsrat die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses. Hilfsweise beantragt er erstmals in der Rechtsbeschwerdeinstanz festzustellen, daß der Arbeitgeber die Unterrichtungspflicht gegenüber dem Betriebsrat im Zusammenhang mit der Versetzung von Frau G in die Dienststelle B zum 1. Januar 1998 nicht erfüllt hat. Der Arbeitgeber beantragt Zurückweisung der Rechtsbeschwerde und Abweisung des Hilfsantrags.
B. Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig.
I. Die Begründung der Rechtsbeschwerde entspricht nicht den Anforderungen des § 94 Abs. 2 Satz 2 ArbGG iVm. § 554 Abs. 3 Nr. 3 a ZPO.
1. Gemäß § 94 Abs. 2 Satz 2 ArbGG muß die Rechtsbeschwerdebegründung angeben, inwieweit die Abänderung des angefochtenen Beschlusses beantragt wird, welche Bestimmungen verletzt sein sollen und worin die Verletzung bestehen soll.
Die ordnungsgemäße Begründung einer Revision erfordert grundsätzlich die Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen des angefochtenen Urteils. Die Revisionsbegründung muß den Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts aufzeigen; Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs müssen erkennbar sein. Die Revisionsbegründung muß zu den gemäß § 554 Abs. 3 Nr. 3 ZPO gerügten Punkten unter konkreter Darlegung der Gründe, aus denen das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft sein soll, eine Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils enthalten (BAG 29. Oktober 1997 - 5 AZR 624/96 - AP ZPO § 554 Nr. 30 = EzA ZPO § 554 Nr. 7, zu 1 der Gründe).
Soweit im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren nach § 94 Abs. 2 Satz 2 ArbGG neben der Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm ausdrücklich die Angabe verlangt wird, worin die Rechtsverletzung bestehen soll, wird nach ganz herrschender Auffassung angenommen, daß die Anforderungen an die Rechtsbeschwerdebegründung über die Anforderungen an eine Revisionsbegründung hinausgehen (BAG 10. April 1984 - 1 ABR 62/82 - AP ArbGG 1979 § 94 Nr. 1 = EzA ArbGG 1979 § 94 Nr. 2; Germelmann/Matthes/Prütting ArbGG 3. Aufl. § 94 Rn. 15 mwN; GK-ArbGG/Leinemann/Senne Stand Dezember 1999 § 94 Rn. 20). Der Rechtsbeschwerdeführer muß sich mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen und darlegen, warum er die Begründung des Beschwerdegerichts für unrichtig hält.
2. Diesen Anforderungen genügt die Rechtsbeschwerdebegründung des Betriebsrats nicht.
Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung, daß die Versetzung der Sozialarbeiterin Ulrike G in die Dienststelle in B nicht der Zustimmung des Betriebsrats bedürfe, tragend damit begründet, das Mitbestimmungsrecht sei nach § 118 Abs. 1 BetrVG eingeschränkt, weil der Arbeitgeber ein Tendenzbetrieb, die zu versetzende Arbeitnehmerin Frau G Tendenzträgerin und die beabsichtigte Versetzung eine tendenzbezogene Maßnahme sei. Mit diesen Ausführungen setzt sich die Rechtsbeschwerdebegründung nicht auseinander. Der Betriebsrat macht vielmehr geltend, der Beschluß des Landesarbeitsgerichts sei im Ergebnis unrichtig. Er legt ausführlich dar, seine Information durch den Arbeitgeber sei nicht ordnungsgemäß. Die tragende Begründung des Landesarbeitsgerichts, das Mitwirkungsrecht des Betriebsrats bei der beabsichtigten Versetzung sei wegen des Tendenzcharakters der Maßnahme eingeschränkt (§ 118 BetrVG), greift die Rechtsbeschwerdebegründung nicht an. Sie legt nicht dar, warum die diesbezüglichen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zu beanstanden sein sollen, insbesondere worin der Fehler des Landesarbeitsgerichts insoweit liegen soll und wie er sich auf die Entscheidung auswirkt.
Im Gegenteil führt die Rechtsbeschwerde aus, daß selbst dann, wenn dem Betriebsrat im Hinblick auf § 118 Abs. 1 BetrVG kein Zustimmungsverweigerungsrecht zustehe, der Unterrichtungs- bzw. Anhörungsanspruch nach § 99 Abs. 1 BetrVG bestehen bleibe. Diesen habe der Arbeitgeber aber - entgegen der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts - nicht erfüllt. Die Frage der ordnungsgemäßen Information des Betriebsrats durch den Arbeitgeber war jedoch nicht Gegenstand der in den Tatsacheninstanzen gestellten Anträge. Trotz der Ausführungen des Landesarbeitsgerichts hierzu kann die Rechtsbeschwerde nicht mit der Fehlerhaftigkeit der Betriebsratsinformation begründet werden.
II. Der von dem Betriebsrat in der mündlichen Anhörung vor dem Senat erstmals gestellte Hilfsantrag auf Feststellung, daß die Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers im Zusammenhang der Versetzung von Frau G in die Dienststelle B zum 1. Januar 1998 nicht erfüllt worden sei, ist unzulässig.
Soweit überhaupt in der Rechtsbeschwerdeinstanz erstmals ein weiterer Antrag gestellt werden kann, setzt das jedenfalls voraus, daß die Rechtsbeschwerde zulässig ist, den Rechtsstreit also in die Dritte Instanz bringt (BAG 28. Juni 1994 - 1 ABR 59/93 - BAGE 77, 165, zu B II 1 der Gründe, für den Fall einer wirksamen Erledigterklärung in der Rechtsbeschwerdeinstanz nur bei einer zulässigen Rechtsbeschwerde). Diese Voraussetzung ist aber nach dem unter I. Ausgeführten nicht gegeben. Wißmann
Rost Hauck Bayer
Wohlgemuth
Fundstellen