Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialauswahl bei Teilzeitbeschäftigung
Leitsatz (amtlich)
Ob bei der Kündigung teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer Vollzeitbeschäftigte und bei der Kündigung vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer Teilzeitbeschäftigte in die Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG einzubeziehen sind, hängt von der betrieblichen Organisation ab:
a) Hat der Arbeitgeber eine Organisationsentscheidung getroffen, aufgrund derer für bestimmte Arbeiten Vollzeitkräfte vorgesehen sind, so kann diese Entscheidung als sog. freie Unternehmerentscheidung nur darauf überprüft werden, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Liegt danach eine bindende Unternehmerentscheidung vor, sind bei der Kündigung einer Teilzeitkraft die Vollzeitkräfte nicht in die Sozialauswahl einzubeziehen;
b) will der Arbeitgeber in einem bestimmten Bereich lediglich die Zahl der insgesamt geleisteten Arbeitsstunden abbauen, ohne daß eine Organisationsentscheidung im Sinne von Buchstabe a) vorliegt, sind sämtliche in diesem Bereich beschäftigten Arbeitnehmer ohne Rücksicht auf ihr Arbeitszeitvolumen in die Sozialauswahl einzubeziehen.
Normenkette
BeschFG § 2; KSchG § 1 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 24. Februar 1998 - 12 Sa 168/97 - insoweit aufgehoben, als es über die Kündigungsschutzklage und die Kosten der Vorinstanzen entschieden hat.
2. In diesem Umfang wird der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Klägerin (geboren am 21. Mai 1965, zwei Kindern unterhaltspflichtig) war bei der Beklagten seit 21. März 1988 aufgrund des Arbeitsvertrages vom 31. März 1988 bei einer Arbeitszeit von seinerzeit 40 Stunden pro Woche als Sekretärin tätig. In der Zeit vom 26. November 1990 bis 30. Juni 1991 nahm die Klägerin wegen der Geburt ihres ersten Kindes Mutterschafts- und Erziehungsurlaub. Danach wechselte die Klägerin vom Sekretariat in die Buchhaltung, wo sie Buchhaltungsarbeiten unter Anleitung durch die leitende Buchhalterin verrichtete. Während ihrer dortigen Tätigkeit war die Klägerin zunächst mit einer Arbeitszeit von 19 Wochenstunden, später von 24 und 30 Wochenstunden sowie zuletzt bis zum 17. Februar 1994 mit 25 Wochenstunden beschäftigt. Von der Arbeitszeit abgesehen wurde der Arbeitsvertrag der Parteien bei dem Wechsel nicht geändert. Ab 18. Februar 1994 befand sich die Klägerin wegen der bevorstehenden Geburt ihres zweiten Kindes im Mutterschutz und im Anschluß daran bis zum 27. März 1997 im Erziehungsurlaub. Noch vor Ablauf des von der Klägerin in Anspruch genommenen Erziehungsurlaubs bot die Beklagte der Klägerin unter Hinweis auf das Fehlen von Beschäftigungsmöglichkeiten in der Buchhaltung einen Aufhebungsvertrag an, der jedoch von der Klägerin nicht angenommen wurde. Mit Schreiben vom 27. März 1997 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 30. Juni 1997 aus betriebsbedingten Gründen auf.
Die Klägerin hat geltend gemacht, für sie bestünden in der Buchhaltung noch ausreichende Beschäftigungsmöglichkeiten. Außerdem hat sie die Sozialauswahl im Verhältnis zu der Buchhalterin F und zu den beiden Sekretärinnen im Sekretariat gerügt; sie sei - wie schon früher - zu einer Anpassung der Arbeitszeit im Sekretariat bereit.
Die Klägerin hat - soweit für die Revisionsinstanz von Belang - beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 27. März 1997 nicht aufgelöst worden ist.
Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag vorgetragen, ihr Auftragsbestand, ihr Umsatz und die Zahl der Mitarbeiter sowie damit auch der Arbeitsaufwand in der Buchhaltung seien seit 1993 erheblich gesunken, so daß in der Buchhaltung nur noch das Bedürfnis für die Beschäftigung einer einzigen Arbeitskraft, nämlich der Buchhalterin F, bestehe. Mit der Buchhalterin F könne die Klägerin sich nicht vergleichen, da sie nicht ausgebildete Buchhalterin sei und immer nur unter Anleitung einer Buchhalterin gearbeitet habe. Auch auf eine fehlerhafte Sozialauswahl im Verhältnis zu den beiden 1994 eingestellten Sekretärinnen könne sich die Klägerin schon deshalb nicht berufen, weil diese mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38 Stunden beschäftigt seien; insoweit stellt die Beklagte die von der Klägerin geäußerte Bereitschaft, mit einer Arbeitszeit von 38 Stunden pro Woche zu arbeiten, in Abrede.
Das Arbeitsgericht hat nach dem obigen Klageantrag erkannt. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte nach wie vor die Klageabweisung.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung (§ 565 ZPO), weil der Senat mangels ausreichender Feststellungen, ob hinsichtlich der Beibehaltung der Vollzeitbeschäftigung im Sekretariat der Beklagten eine Organisationsentscheidung des Arbeitgebers vorliegt, noch nicht abschließend zur Frage ausreichender Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte im Sinne des § 1 Abs. 3 KSchG Stellung nehmen kann.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung - kurz zusammengefaßt - wie folgt begründet: Zwar sei die Kündigung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG betriebsbedingt, weil nach den Gesamtumständen anzunehmen sei, daß die Arbeiten in der Buchhaltung soweit zurückgegangen seien, daß nur noch das Bedürfnis für die Beschäftigung der Buchhalterin F. bestanden habe. Gleichwohl sei die Kündigung sozial ungerechtfertigt, weil die Beklagte soziale Gesichtspunkte bei der Auswahl der Klägerin nicht ausreichend berücksichtigt habe, denn die beiden im Sekretariat beschäftigten Sekretärinnen seien - auch als Vollzeitbeschäftigte - mit der Klägerin vergleichbar, zumal die Beklagte ein spezifisches betriebliches Interesse an der Aufrechterhaltung einer Vollzeitbeschäftigung nicht dargetan habe. Unabhängig davon habe die Beklagte der Klägerin kein Angebot unterbreitet, das Arbeitsverhältnis unter Erhöhung der bisherigen vertraglichen Stundenzahl als Sekretärin fortzusetzen.
II. Dem folgt der Senat nur in Teilen der Begründung. Die Rüge der Beklagten, § 1 Abs. 3 KSchG sei verletzt, greift auf der Basis der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts durch.
1. Nach den für den Senat nach § 561 ZPO verbindlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist davon auszugehen, daß dringende betriebliche Erfordernisse vorliegen, die einer Weiterbeschäftigung der Klägerin im Bereich Buchhaltung entgegenstehen, § 1 Abs. 2 KSchG. Das Berufungsgericht hat aufgrund einer Reihe von Indizien festgestellt, daß in dem von der Klägerin vor ihrem Erziehungsurlaub zuletzt wahrgenommenen Aufgabengebiet in der Buchhaltung nur noch ein Arbeitsvolumen verblieben ist, das von der Buchhalterin F allein erledigt werden kann. Hierzu liegt eine Gegenrüge der Klägerin nicht vor. Auch aus revisionsrechtlicher Sicht bestehen keine Bedenken gegen die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, damit lägen die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG vor.
2. Ferner ist die hierauf aufbauende Annahme des Landesarbeitsgerichts nicht zu beanstanden, die Klägerin sei unter dem Gesichtspunkt der sozialen Auswahl (§ 1 Abs. 3 KSchG) mit Frau F nicht vergleichbar. Das Landesarbeitsgericht hat hierzu eine unterschiedliche Qualifikation der Frau F und der Klägerin festgestellt; es ist davon ausgegangen, die Klägerin habe nur unter Anleitung der ausgebildeten Buchhalterin gearbeitet. Auch diese Würdigung wird von der Klägerin nicht mit einer Gegenrüge angegriffen.
3. Soweit das Landesarbeitsgericht darüber hinaus davon ausgegangen ist, die Klägerin sei jedenfalls vom Tätigkeitsbereich her mit den beiden Sekretärinnen vergleichbar, greift die Revision diese Würdigung ohne Erfolg an.
a) Das Landesarbeitsgericht hat dazu ausgeführt, die Klägerin habe zwar nur bis November 1990 im Sekretariat und ab Juli 1991 - nach der Geburt ihres ersten Kindes - nur noch in der Buchhaltung gearbeitet; allerdings sei der Arbeitsvertrag bis auf die Arbeitszeit nicht geändert worden, woraus nur der Schluß gezogen werden könne, daß beide Parteien diese Tätigkeitsbereiche als gleichartig angesehen hätten. Die Beklagte sei daher nach dem Arbeitsvertrag der Parteien berechtigt, die Klägerin im Wege des Direktionsrechts wieder mit Arbeiten im Sekretariat zu betrauen. Die Klägerin sei also ohne Veränderung ihres Status für das Sekretariat qualifiziert und mit den beiden Sekretärinnen austauschbar.
b) Die Revision hebt demgegenüber darauf ab, die Tätigkeiten in der Buchhaltung und als Sekretärin unterschieden sich von der Qualifikation her, wobei die Tatsache, daß die Klägerin beide Qualifikationen aufweise, noch nicht zur Vergleichbarkeit führe; außerdem schulde die Klägerin nur noch eine Tätigkeit als Buchhalterin. Diese Einwände verfangen nicht.
Wie der Senat in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, fehlt es an der Vergleichbarkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 KSchG, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht einseitig auf einen anderen Arbeitsplatz um- oder versetzen kann (vgl. BAG Urteile vom 15. Juni 1989 - 2 AZR 580/88 - BAGE 62, 116, 123 = AP Nr. 18 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl, zu B II 2 c der Gründe und vom 29. März 1990 - 2 AZR 369/89 - BAGE 65, 61, 76 = AP Nr. 50 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu B III 2 a b der Gründe; zuletzt vom 17. September 1998 - 2 AZR 725/97 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Dem stehe - so hat der Senat weiter ausgeführt - nicht entgegen, daß grundsätzlich Arbeitnehmer vergleichbar seien, die austauschbar seien, was sich in erster Linie nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen bestimme, d.h. nach der ausgeübten Tätigkeit; Austauschbarkeit sei nicht nur bei völliger Identität der Arbeitsplätze, sondern auch dann zu bejahen, wenn der Beschäftigte aufgrund seiner bisherigen Aufgaben im Betrieb und angesichts seiner beruflichen Qualifikation dazu in der Lage sei, die andersartige, aber gleichwertige Arbeit eines Kollegen zu verrichten.
Bezogen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, daß zwar eine völlige Identität der Arbeitsplätze in der Buchhaltung und im Sekretariat nicht vorliegt; der Werdegang der Klägerin belegt aber, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausführt, daß die Klägerin aufgrund ihrer bisherigen Aufgaben und angesichts ihrer Qualifikation in der Lage ist, die andersartige, aber gleichwertige Arbeit der Kolleginnen im Sekretariat zu übernehmen. Daß diese Tätigkeiten gleichwertig sind, stellt auch die Revision nicht in Abrede. Andererseits kann auch nicht gesagt werden, die von der Klägerin geschuldete Arbeitsleistung sei auf diejenige in der Buchhaltung eingeengt bzw. konkretisiert worden. Dagegen spricht schon die Beibehaltung des bisherigen Arbeitsvertrages, in dem die Klägerin ausdrücklich - siehe § 2 - als Sekretärin bezeichnet wird. Die von der Beklagten vorgelegte Arbeitsplatzbeschreibung Buchhaltung ist dabei nicht Gegenstand vertraglicher Abmachungen der Parteien geworden, sondern diente offensichtlich der Aufgabenbeschreibung und Kompetenzabgrenzung. Mithin kann die Vergleichbarkeit der Klägerin mit den erst 1994 eingestellten Sekretärinnen, was den Tätigkeitsbereich angeht, nicht ernsthaft bezweifelt werden. Die Beklagte kann die Klägerin also einseitig auf den Arbeitsplatz einer Sekretärin versetzen.
4. Entscheidungserheblich ist daher, ob die Vergleichbarkeit dadurch ausgeschlossen wird, daß die Klägerin im Unterschied zu den mit 38 Stunden pro Woche vollzeitbeschäftigten Sekretärinnen vertraglich nur 25 Stunden pro Woche zu leisten hatte. Das läßt sich aufgrund der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts noch nicht abschließend beantworten. Hat die Beklagte bereits vor oder mit der Kündigung der Klägerin eine Organisationsentscheidung (sog. freie Unternehmerentscheidung) getroffen, aufgrund derer aus nicht offensichtlich unsachlichen Gründen zwei Vollzeitkräfte für die Sekretariatsarbeit benötigt werden, ist die getroffene Sozialauswahl nicht zu beanstanden, weil das Kündigungsschutzgesetz nicht gewährleistet, daß im Wege der Sozialauswahl die Arbeitsbedingungen verändert bzw. verbessert werden („kein Anspruch auf Vollzeitarbeitsplatz” - nachfolgend zu a). Liegen die Sachumstände dagegen so, daß die Beklagte im Sekretariat lediglich ein Stundenkontingent von 76 Stunden - bei Wegfall des bisherigen Stundenkontingents der Klägerin im Sachgebiet Buchhaltung - benötigt, ohne eine bestimmte Personalstruktur vorzugeben, ist die Kündigung der Klägerin gemäß § 1 Abs. 3 KSchG mangels ausreichender Sozialauswahl unwirksam (nachfolgend zu b).
a) Im Zusammenhang mit unterschiedlichen Positionen bei höherwertigen Tätigkeiten und höherer Vergütung hat der Senat die sog. vertikale Vergleichbarkeit u.a. mit der Begründung abgelehnt (vgl. Urteile vom 29. März 1990 - 2 AZR 369/89 - BAGE 65, 61 = AP, aaO und vom 17. September 1998 - 2 AZR 725/97 -, aaO), es sei einzig zu prüfen, welchem Arbeitnehmer gegenüber der Arbeitgeber das ihm aus betrieblichen Gründen zustehende Kündigungsrecht ausüben dürfe; müsse zunächst das Einverständnis des von der Entlassung bedrohten Arbeitnehmers zur Um- oder Versetzung eingeholt werden, bliebe der auswahlrelevante Personenkreis entgegen der gesetzlichen Konzeption nicht auf den von dem betrieblichen Erfordernis unmittelbar betroffenen betrieblichen Bereich beschränkt, sondern würde durch eine subjektive Entscheidung des Arbeitnehmers auf andere Bereiche ausgedehnt, für den verdrängten Beschäftigten würde erst durch diese Entschließung und nicht durch den betrieblichen Umstand ein Kündigungsgrund geschaffen; außerdem sei die Vereinbarung der entsprechenden Vertragsänderung als unzulässiger Vertrag zu Lasten Dritter anzusehen. Andernfalls komme es in diesen Fällen zu einem Verdrängungswettbewerb auf geringerwertige Arbeitsplätze.
aa) Ähnliches gilt für den Fall, daß ansonsten vergleichbare Arbeitnehmer sich lediglich hinsichtlich des vereinbarten Volumens der Arbeitszeit - hier teilzeitbeschäftigte, dort aufgrund einer Organisationsentscheidung vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer - unterscheiden, eine Frage, die der Senat im Urteil vom 17. September 1998 ausdrücklich noch offen gelassen hat (ebenso im Senatsurteil vom 10. November 1983 - 2 AZR 317/82 - n.v.). In diesem Fall ist eine Vergleichbarkeit sowohl vom Wortlaut des § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG her, als auch aufgrund dessen Sinn und Zweck nicht gegeben. Das Gesetz fordert vom Arbeitgeber eine Auswahl unter den für eine Kündigung in Betracht kommenden Arbeitnehmern, und zwar nach den sozialen Gesichtspunkten Alter, Betriebszugehörigkeit und Unterhaltspflichten. Maßgebend ist hier die Neufassung des § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG aufgrund des Gesetzes vom 25. September 1996 (BGBl. I, S. 1476), die am 1. Oktober 1996, also vor der hier streitigen Kündigung, in Kraft getreten ist. Aus dem Begriff „Auswahl” wird hergeleitet, daß dieselbe nur unter vergleichbaren, austauschbaren Arbeitnehmern stattzufinden hat und möglich ist. Wenn auf soziale Gesichtspunkte abzustellen ist, kann ersichtlich keine freie, willkürliche Auswahl gemeint sein, sondern nur eine solche vergleichbarer und austauschbarer Arbeitnehmer (so schon BAG Urteil vom 4. Dezember 1959 - 1 AZR 382/57 - AP Nr. 2 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung). Der Auswahlprozeß kann sich daher nur auf derartige Arbeitnehmer beziehen. Bildhaft und in Anlehnung an ein Sprichwort formuliert: Es können nur Äpfel mit Äpfeln, nicht aber Äpfel mit Birnen verglichen werden. Auf den vorliegenden Fall bezogen: Es können nur ganze Äpfel mit ganzen Äpfeln, nicht dagegen mit halben Äpfeln verglichen werden. Teilzeit- und Vollzeitarbeitnehmer sind insoweit nicht vergleichbar.
bb) Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck des § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG. Dieses Gesetz sieht als geschütztes Rechtsgut den Arbeitsplatz und die Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers an, die die Grundlagen seiner sozialen und wirtschaftlichen Existenz bilden; es soll ihm diese Rechtsgüter in den Grenzen des sozial und wirtschaftlich Vertretbaren sichern (Begründung des Regierungsentwurfs zum Kündigungsschutzgesetz, RdA 1951, 58, 63, unter „Allgemeines, 64” zu § 7). Insoweit greift das Gesetz in die unternehmerische Freiheit ein und sucht einen Ausgleich der gegenläufigen Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer herbeizuführen. An diesem Normzweck hat das Bundesarbeitsgericht in seiner bisherigen Rechtsprechung die Auslegung des Gesetzes ausgerichtet und als geschütztes Rechtsgut das Arbeitsverhältnis mit seinem im Zeitpunkt der Kündigung bestehenden Inhalt angesehen, das in § 1 KSchG gegen seine Beendigung und in § 2 KSchG gegen die Änderung seines Inhalts geschützt werden soll (Senatsurteil vom 29. März 1990, BAGE 65, 61, 73 = AP, aaO, zu B II 7 a und b der Gründe). Von hier aus gesehen geht es nicht an, dem Arbeitnehmer im Wege der sozialen Auswahl zu ermöglichen, das Arbeitsverhältnis mit seinem im Zeitpunkt der Kündigung bestehenden Inhalt hinsichtlich seiner einzelnen Arbeitsbedingungen anders zu gestalten oder gar zu „verbessern”. Darauf läuft es im Ergebnis hinaus, wenn der teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer aufgrund seiner Bereitschaftserklärung und der damit hergestellten Vergleichbarkeit zu vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern ebenfalls die Vollzeitbeschäftigung erzielt. Das führt zu einer Verbesserung, jedenfalls einer Änderung der Arbeitsbedingungen, die nach dem vorher Gesagten durch das Kündigungsschutzgesetz, das dem Erhalt des Arbeitsverhältnisses mit dem bisherigen Inhalt dienen soll, nicht gedeckt ist (ebenso mit teilweiser anderer Begründung BAG Urteil vom 10. November 1983 - 2 AZR 317/82 - n.v., zu II 3 a der Gründe; LAG Köln Urteil vom 20. August 1993 - 12 Sa 380/93 - LAGE § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 8; Hueck/von Hoyningen-Huene, KSchG, 12. Aufl., § 1 Rz 443, 443 a; KR-Etzel, 5. Aufl., § 1 Rz 635; KPK-Meisel, § 1 KSchG Rz 508 f; Linck, AR-Blattei, SD 1020.1.2 Rz 54 f; Oetker, Festschrift für Wiese, S. 333, 349; Rühle, DB 1994, 834, 837; Reinfelder/Zwanziger, DB 1996, 677, 680 f). Deshalb kann dem Landesarbeitsgericht insoweit nicht gefolgt werden.
cc) Eine etwaige unternehmerische Entscheidung zur Erhaltung eines bestimmten Personalkonzepts ist als innerbetriebliche Organisationsentscheidung, die schlüssig darzulegen ist (Oetker, aaO, S. 349), nur daraufhin überprüfbar, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (ständige Rechtsprechung, u.a. BAG Urteil vom 19. Mai 1993 - 2 AZR 584/92 - AP Nr. 31 zu § 2 KSchG 1969, zu II 2 der Gründe); es gehört zu den personalpolitischen Entscheidungen, mit welcher Zahl von Arbeitskräften der Arbeitgeber die anfallenden Arbeitsaufgaben erledigen will. Darauf weist die Revision zutreffend hin, ohne allerdings bisher näher zu einer Organisationsentscheidung, was das Personal im Sekretariat angeht, vorzutragen.
dd) Das Benachteiligungsverbot des § 2 Abs. 1 BeschFG gegenüber teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern, das für den Arbeitgeber eine gesetzliche Kündigungsbeschränkung, d.h. ein gesetzliches Verbot im Sinne des § 134 BGB und damit bei einem Verstoß einen sonstigen Unwirksamkeitsgrund nach § 13 Abs. 3 KSchG darstellt (Becker u.a., GK zum Teilzeitarbeitsrecht, Art. 1 § 2 BeschFG Rz 241), wird durch die vorliegend vertretene Beschränkung der Vergleichbarkeit auf den Umfang des Direktionsrechts nicht verletzt. Der das dringende betriebliche Erfordernis zur Kündigung auslösende Umstand liegt in dem außerbetrieblichen Grund des Rückgangs der Buchhaltungsarbeiten bei der Beklagten. Diese Ursache steht demzufolge mit der Teilzeitbeschäftigung der Klägerin in keinem Zusammenhang. Die Tatsache, daß die Klägerin nicht gegen das Personal im Sekretariat ausgetauscht werden kann, liegt allein in den Besonderheiten ihres Arbeitsvertrages begründet: Die Klägerin wird nicht um der Dauer ihrer Arbeitszeit willen benachteiligt, nicht diese bildet das soziale Auswahlkriterium, sondern die auf private, eigene Wünsche zurückzuführende besondere Vertragsgestaltung und die damit verbundene eingeschränkte, durch einseitiges Direktionsrecht nicht mehr ermöglichte Einsetzbarkeit auf Vollzeitarbeitsposten schließen die Vergleichbarkeit aus (vgl. Becker u.a., aaO, Art. 1 § 2 BeschFG Rz 264 bis 266; KR-Etzel, 5. Aufl., § 1 KSchG Rz 635; Oetker, Festschrift für Wiese, S. 348 f.; Kittner/Trittin, KSchR, 3. Aufl., § 2 BeschFG Rz 2; Sowka/ Köster, Teilzeitarbeit und geringfügige Beschäftigung, S. 74 f.; Wank, ZIP 1986, 206, 215; siehe auch Buschmann u.a., TZA, § 2 BeschFG Rz 4). Anders wäre nur zu entscheiden, wenn der Arbeitgeber bei Kündigungsgründen, die sich gleichermaßen auf Teilzeit- und Vollzeitkräfte beziehen, lediglich Teilzeitarbeitnehmer entließe, ohne daß hierfür sachliche Gründe bestünden (Becker u.a., aaO; Wank, aaO). Im übrigen gilt nichts anderes für Vollzeitbeschäftigte, die sich ihrerseits nicht auf ihre Vergleichbarkeit mit Teilzeitbeschäftigten berufen können, wenn die Herstellung der Vergleichbarkeit eine Vertragsänderung erfordern würde.
b) Ergibt die Sachaufklärung, daß zur Zeit der Kündigung der Klägerin eine bestimmte Personalstruktur im Sekretariat der Beklagten, die eine Vollzeitbeschäftigung erforderte, durch Organisationsentscheidung nicht bereits eingeführt war oder mit der Kündigung eingeführt worden ist - dafür könnte der bisherige Sachvortrag der Parteien sprechen - dann bestand für die Beklagte die Möglichkeit, das seinerzeit vorhandene Kapazitätsüberangebot von 101 Stunden (zwei Sekretärinnen a` 38 Stunden, Klägerin mit 25 Stunden) wegen der aufgrund außerbetrieblicher Umstände entfallenen Kapazität von 25 Stunden (siehe oben zu II 1) unter Beachtung von § 1 Abs. 2 und Abs. 3 KSchG zu reduzieren. Die Berücksichtigung der sozialen Gesichtspunkte nach § 1 Abs. 3 KSchG erforderte dann, wie das Landesarbeitsgericht im Hinblick auf Alter, Betriebszugehörigkeit und Unterhaltspflichten rügelos festgestellt hat, eine Auswahlentscheidung zugunsten der Klägerin. Da eine Überkapazität von 25 Stunden bestand, hätte die Beklagte insoweit in die Arbeitsbedingungen der sozial am wenigsten schutzwürdigen vollzeitbeschäftigten Sekretärin eingreifen können. Sie hätte mit einem entsprechenden Angebot auf Teilzeitarbeit (13 Stunden) dieser Sekretärin eine betriebsbedingte Änderungskündigung aussprechen und die Klägerin mit 25 Stunden im Sekretariat einsetzen können. Hätte die sozial weniger schutzbedürftige Sekretärin das entsprechende Angebot angenommen, war der betriebsbedingt notwendige Abbau der Überkapazität erreicht; lehnte die Arbeitnehmerin das Angebot ab, war deren Kündigung betriebsbedingt sozial gerechtfertigt, und die Beklagte konnte entweder auf dem Arbeitsmarkt oder mit einem entsprechenden Angebot an die Klägerin zur Vollzeitarbeit, wenn diese es annahm, den Fehlbedarf decken.
Diese Auffassung entspricht der Konzeption der Rechtsprechung, die nicht darauf abstellt zu prüfen, ob ein bestimmter Arbeitsplatz weggefallen, sondern ob und in welchem Umfang das Beschäftigungsbedürfnis entfallen ist (ständige Rechtsprechung seit BAG Urteil vom 30. Mai 1985 - 2 AZR 321/84 - AP Nr. 24 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu B II 1 der Gründe; Urteil vom 19. Mai 1993 - 2 AZR 584/92 - BAGE 73, 151 = AP Nr. 31 zu § 2 KSchG 1969). Daraus folgt, daß bei bloßer Verringerung des Beschäftigungsvolumens bei im übrigen gegebener arbeitsplatzbezogener Vergleichbarkeit Arbeitnehmer grundsätzlich ausschließlich nach Maßgabe der Sozialdaten auszuwählen sind und bei verbleibenden Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten im Teilzeitbereich statt einer Beendigungskündigung eine Änderungskündigung auszusprechen ist (ebenso Oetker, aaO, S. 349; ähnlich KR-Etzel, aaO, § 1 Rz 635; Rühle, DB 1994, 834, 836).
5. Da beide Parteien bisher keine Gelegenheit hatten, sich auf diese Rechtsprechung einzustellen, wird mit der Zurückverweisung Gelegenheit gegeben, zu den nach Auffassung des Senats relevanten Gesichtspunkten ergänzend vorzutragen.
Unterschriften
Etzel, Bitter, Fischermeier, Bensinger, Lenz
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 03.12.1998 durch Anderl, Amtsinspektorin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
BB 1998, 2642 |
BB 1999, 480 |
BB 1999, 847 |
DB 1998, 2534 |
DB 1999, 487 |
DStR 1999, 911 |
DStR 2000, 123 |
NJW 1999, 1733 |
ARST 1999, 47 |
ARST 1999, 82 |
FA 1999, 65 |
NZA 1999, 431 |
RdA 1999, 264 |
RdA 1999, 296 |
SAE 1999, 274 |
ZAP 1998, 1266 |
ZTR 1999, 235 |
AP, 0 |
AuA 1999, 519 |
MDR 1999, 487 |
NJ 1999, 333 |
ZMV 1999, 98 |