Entscheidungsstichwort (Thema)
Musikdozentin an staatlicher Hochschule, Statusklage
Orientierungssatz
Zur Frage, ob eine Musikdozentin an einer staatlichen Musikhochschule zum beklagten Land in einem freien Mitarbeiterverhältnis oder in einem Arbeitsverhältnis steht.
Normenkette
BGB § 611
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin zu dem beklagten Land in einem Arbeitsverhältnis steht.
Die Klägerin ist seit 1969 an der Musikhochschule Lübeck als Musikdozentin tätig. Seit dem 1. März 1971 beruht die Beschäftigung auf einem Lehrauftrag, der gemäß einem Erlaß des Kultusministers des Landes Schleswig-Holstein vom 24. März 1971 für das Land Schleswig-Holstein von dem Direktor der staatlichen Fachhochschule für Musik erteilt worden ist. Danach hat die Klägerin 9 1/2 Wochenstunden zu leisten; pro Semesterwochenstunde ist eine Vergütung von 60,-- DM vereinbart. Durch diese Stundenvergütung sind die mit der Lehrtätigkeit zusammenhängenden nicht unterrichtlichen Tätigkeiten wie die Vorbereitung für den Unterricht, die Teilnahme an Konferenzen, Besprechungen und ähnliches abgegolten. In dem Lehrauftrag ist ausgeführt, es handele sich um ein selbständiges, die Arbeitskraft nicht überwiegend beanspruchendes Dienstverhältnis, das sich nach den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches regele. Ferner ist darin bestimmt, daß der Lehrauftrag grundsätzlich mit Ablauf des jeweiligen Semesters, für das er erteilt worden ist, endet und sich stillschweigend verlängert um ein weiteres Semester, wenn er nicht 14 Tage vorher gekündigt worden ist. Die Klägerin hat den Lehrauftrag angenommen und sich mit den darin enthaltenen Bedingungen einverstanden erklärt.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, zwischen ihr und dem beklagten Land bestehe ein Arbeitsverhältnis. Als Lehrbeauftragte sei sie den festangestellten Dozenten völlig gleichgestellt und wie diese in den Betrieb der Hochschule eingegliedert. Wegen der anderweitigen Verpflichtungen der Studenten und der anderweitigen Nutzung der Übungsräume in der Hochschule sei sie gezwungen, Ort und Termin ihrer Übungsstunden mit dem Beklagten abzustimmen. Sie könne die Unterrichtung einzelner Studenten nur dann zurückweisen, wenn sie in der vertraglichen Zeit von 9 1/2 Wochenstunden keine freie Kapazität mehr habe.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
festzustellen, daß sie bei der Musikhochschule
Lübeck im Rahmen eines abhängigen Beschäfti-
gungsverhältnisses und nicht als selbständige
freie Mitarbeiterin tätig ist.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat die Auffassung vertreten, die Klägerin sei nicht in einem Arbeitsverhältnis, sondern als freie Mitarbeiterin tätig. Abgesehen von Sachzwängen könne die Klägerin Ort und Termin ihrer Übungsstunden frei bestimmen und den Unterricht frei gestalten. Sie könne auch bestimmte Studenten ohne Begründung zurückweisen. Die Teilnahme an Fachgruppensitzungen sowie Aufnahme- und Abschlußprüfungen sei der Klägerin freigestellt; allerdings halte das beklagte Land diese Teilnahme für wünschenswert.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben und festgestellt, daß die Klägerin bei der Musikhochschule Lübeck im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses tätig ist.
Mit der Revision erstrebt das beklagte Land die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision des beklagten Landes ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kommt es für die Statusbeurteilung darauf an, in welchem Maße der zur Dienstleistung Verpflichtete persönlich abhängig ist. Leistet er Dienste unter Bedingungen, die zu einer für ein Arbeitsverhältnis typischen persönlichen Abhängigkeit führen, ist er Arbeitnehmer. Wenn er jedoch im wesentlichen die Arbeitsbedingungen frei gestalten kann, ist er ein freier Mitarbeiter. Insoweit gilt für Lehrbeauftragte, die nicht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis besonderer Art stehen (vgl. hierzu BAG 38, 259 = AP Nr. 27 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten), sondern die auf vertraglicher Grundlage tätig werden, dasselbe wie für andere Beschäftigungsverhältnisse. Dabei sind die das Rechtsverhältnis prägenden charakteristischen Merkmale zu beurteilen, wie sie sich aus dem Inhalt des Vertrages und der praktischen Durchführung und Gestaltung der Vertragsbeziehungen ergeben (vgl. BAG Urteil vom 26. Januar 1977 - 5 AZR 796/75 - AP Nr. 13 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten, zu I 1 der Gründe; BAG 37, 58 = AP Nr. 22 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten; BAG 39, 329 = AP Nr. 32 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten).
II. Das Landesarbeitsgericht ist, ohne dies näher auszuführen, zunächst zutreffend davon ausgegangen, daß zwischen den Parteien ein privat-rechtliches Dienstverhältnis begründet worden ist. Lehrbeauftragte an staatlichen Hochschulen oder Fachhochschulen können auch in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehen; dies gilt dann, wenn der Lehrauftrag durch eine einseitige Maßnahme der Hochschule erteilt worden ist (BAG 38, 259 = AP Nr. 27 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten; Urteil des erkennenden Senats vom 27. Juni 1984 - 5 AZR 567/82 - AP Nr. 42 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten) und wenn die einschlägigen Bestimmungen des jeweiligen Bundeslandes die Erteilung eines öffentlich-rechtlich ausgestalteten Lehrauftrags vorsehen oder sich keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Rechtsnatur des Lehrauftragsverhältnisses ergeben. In § 3 der hier einschlägigen Lehrauftragsrichtlinien des Landes Schleswig-Holstein (NBl. KM. Schl.-H. 1979, S. 355) ist bestimmt, daß die Lehrbeauftragten entweder in einem öffentlich-rechtlichen Auftragsverhältnis gemäß § 80 Nr. 1 LBG oder in einem selbständigen, ihre Arbeitskraft in der Regel nicht überwiegend beanspruchenden Dienstverhältnis gemäß § 611 BGB stehen können. Da der der Klägerin erteilte "Lehrauftrag" als selbständiges, die Arbeitskraft nicht überwiegend beanspruchendes Dienstverhältnis bezeichnet ist, auf das die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches anzuwenden sind, ist zwischen der Klägerin und der Beklagten ein privat-rechtliches Dienstverhältnis begründet worden.
III. Das Berufungsgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, die Klägerin leiste ihre Dienste als Lehrbeauftragte in persönlicher Abhängigkeit. Die vom Berufungsgericht dazu getroffenen Feststellungen werden von der Revision jedoch mit Recht mit Verfahrensrügen angegriffen.
1. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Weisungsgebundenheit der Klägerin sei in bezug auf Zeit und Ort ihrer Lehrtätigkeit stärker ausgeprägt als im Hochschul- bzw. Volkshochschulbereich, weil sie fest in den Ausbildungsgang bestimmter Studenten integriert sei; die Weisungsgebundenheit erreiche jedoch noch nicht den Grad der Gebundenheit, wie er an öffentlichen Schulen notwendig sei.
Hierzu beanstandet die Revision zutreffend, daß hierin nur Wertungen liegen, die keinen Schluß auf den Umfang der Weisungsgebundenheit der Klägerin zulassen. Im Hinblick auf den widerstreitenden Vortrag der Parteien ist nicht ersichtlich, von welchen tatsächlichen Feststellungen das Landesarbeitsgericht ausgegangen ist. Die Revision hat zu Recht gerügt, daß die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Klägerin sei in bezug auf Ort und Zeit ihrer Lehrtätigkeit stärker gebunden als dies sonst im Hochschul- oder Volkshochschulbereich üblich sei, weil sie fest in den Ausbildungsgang bestimmter Studenten integriert sei, in tatsächlichen Feststellungen keine Stütze findet und deshalb nach § 286 ZPO verfahrensfehlerhaft getroffen wurde.
2. Auch soweit das Landesarbeitsgericht ausgeführt hat, die Klägerin sei in bezug auf die Unterrichtsgestaltung und Unterrichtsziele stärker weisungsgebunden als sonst im Hochschulbereich üblich, wird das von der Revision als rechtsfehlerhaft angegriffen, weil die hierfür herangezogenen Tatsachen keinen Schluß darauf zulassen, daß die Klägerin in weisungsgebundener Abhängigkeit tätig ist. Das gilt einmal, soweit das Landesarbeitsgericht darauf abgestellt hat, ein erheblicher Teil der Studenten werde auf ein Examen mit genau festgelegten Anforderungen vorbereitet. Hierdurch wird jedoch lediglich der Lehrgegenstand bestimmt und die vertraglich geschuldete Leistung näher umschrieben. Die Sachlage entspricht insoweit derjenigen eines Dozenten, der Sprachkurse an Volkshochschulen zu erteilen hat (vgl. BAG 39, 329 = AP Nr. 32 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten). Daß hier eine andere Bewertung in bezug auf die Abhängigkeit geboten sei, dazu hat das Landesarbeitsgericht wiederum keine tatsächlichen Feststellungen getroffen. Das hat die Revision mit Recht gerügt. Ebenso ist nicht ersichtlich, welches Gewicht für die Abhängigkeit der Klägerin dem Umstand beizumessen ist, daß die Klägerin mit den Studenten in erheblichem Umfang rein technisch-manuelle musikalische Fähigkeiten geduldig und eintönig einüben müsse. Die Revision hat hierzu außerdem mit Recht hervorgehoben, daß für diese tatsächliche Feststellung in dem Parteivortrag keine Stütze zu finden ist.
3. Schon die vorbezeichneten Mängel des angefochtenen Urteils führen zu dessen Aufhebung, weil die weiteren Umstände, die das Landesarbeitsgericht für die Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin angeführt hat (Teilnahme an Konferenzen, gleiche Einstellungsvoraussetzungen wie bei als Arbeitnehmer beschäftigten Dozenten sowie Abdeckung des Unterrichts durch Lehrbeauftragte zu mehr als 60 %), für sich allein die angefochtene Entscheidung nicht tragen können. Insoweit kommt es auch nicht darauf an, inwieweit die hierzu vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen den Verfahrensrügen der Revision standhalten.
IV. Die Sache mußte an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, weil das Landesarbeitsgericht keine tragfähigen Feststellungen dazu getroffen hat, wie die Tätigkeit der Klägerin ausgestaltet ist. Dies nachzuholen, ist Aufgabe des Tatsachengerichts.
Dr. Thomas Michels-Holl Schneider
Döring Fischer
Fundstellen