Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung von Kassiererin
Orientierungssatz
1. Auslegung des § 11 Ziffer 1 und 2 des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer/-innen des Einzelhandels in Baden-Württemberg vom 1.1.1985 in Verbindung mit dem Tarifvertrag über Gehälter, Löhne, Ausbildungsvergütungen und Sozialzulagen für die Arbeitnehmer/-innen und Auszubildenden des Einzelhandels in Baden-Württemberg vom 7.5.1985, gültig ab 1.4.1985.
2. Sammelkasse ist eine Kasse, bei der abteilungsübergreifend gegenüber anderen vorhandenen Kassen bestimmte besondere Kassenangelegenheiten erledigt werden.
3. Unter einem Verbrauchermarkt ist ein Ladengeschäft des Einzelhandels zu verstehen, das eine Verkaufsfläche von mindestens 1000 qm aufweist, sowohl Nahrungs- und Genußmittel als auch andere Waren des kurz- und mittelfristigen Bedarfs (sogenannter Non-Food-Bereich) anbietet, vorwiegend als Selbstbedienungsladen geführt wird und verkehrsgünstig mit guter Parkmöglichkeit gelegen ist, zB in Stadtrandlage.
Normenkette
TVG § 1; BGB § 611; TVG § 5 Abs. 4, § 4 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 09.04.1987; Aktenzeichen 4b Sa 124/86) |
ArbG Heilbronn (Entscheidung vom 29.09.1986; Aktenzeichen 1 Ca 189/86) |
Tatbestand
Die 33-jährige Klägerin ist vom 1. August 1969 bis 31. Juli 1971 als Verkäuferin ausgebildet worden und war vom 1. August 1971 bis 7. April 1977 als Verkäuferin in einem Einzelhandelsgeschäft beschäftigt. Seit 1. Oktober 1977 steht sie in den Diensten der Beklagten und wird seit 1. Oktober 1978 ausschließlich als Kassiererin in der Niederlassung (Markt) der Beklagten im Handelshof E beschäftigt. Ihre monatliche Arbeitszeit beträgt 109 Stunden. Die Beklagte zahlt der Klägerin Vergütung nach Beschäftigungsgruppe II/7. Berufsjahr des allgemeinverbindlichen Tarifvertrags über Gehälter, Löhne, Ausbildungsvergütungen und Sozialzulagen für die Arbeitnehmer/-innen und Auszubildenden des Einzelhandels in Baden-Württemberg vom 7. Mai 1985 (GTV) in Verbindung mit dem allgemeinverbindlichen Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer/-innen des Einzelhandels in Baden-Württemberg vom 1. Januar 1985 (MTV).
Im Markt der Beklagten in E werden auf 92 % der Gesamtverkaufsfläche Lebensmittel und auf 8 % der Gesamtverkaufsfläche Non-Food-Waren angeboten. Der Markt wird vorwiegend als Selbstbedienungsladen geführt. Etwa 20 % des Umsatzes entfallen auf Waren, die die Kunden vom Bedienungspersonal erhalten. Der Markt liegt angrenzend an den Bereich der Innenstadt E inmitten eines Wohngebiets.
Der Klägerin obliegen als Kassiererin folgende Aufgaben:
I. 1. Artikel ohne Etikett:
a) Sogenannte "Schnelldreher". Für diese
gibt es kein Preisetikett. Es werden
Preisabrufnummern (PLU-Nummern)
eingetippt, das heißt kein Preis oder
sonstiges weiteres Merkmal. Diese
Preisabrufnummern befinden sich in
einer Liste oberhalb der Kasse. Sie
sind nach bestimmten Kriterien innerhalb
einer Produktgruppe aufgebaut
und bleiben konstant.
b) Für aktuelle Sonderangebote sind zusätzliche
Preisabrufnummern festgelegt,
die regelmäßig geändert werden.
c) In Ausnahmefällen gibt es einige wenige
Obst-/Gemüseartikel oder Großposten,
die nicht unter Preisabruf
fallen. Für diese Artikel gibt es
ebenfalls eine Preisliste oberhalb
der Kasse.
2. Artikel mit Etikett:
a) Für Lebensmittel tippt die Klägerin
den Preis sowie die verschiedenen
Warengruppen ein. Es handelt sich um
die Warengruppen
- Fleisch/Wurst
- Käse
- Obst/Gemüse
Es muß weiterhin eingetippt werden
der jeweils zugehörige Mehrwertsteuerbetrag
für Lebensmittel. Dieser
differiert je nach Artikel und
beträgt einmal 7 % und einmal 14 %.
b) Für sogenannte Non-Food-Artikel
tippt die Klägerin den Preis und
die jeweiligen Warengruppen aus dem
Non-Food-Bereich, z. B. Hartwaren,
Textilien etc., ein.
II. Daneben fallen folgende Arbeiten an:
1. Flaschenpfand eintippen,
2. Pfandbons entgegennehmen,
3. Warengutschriften und Storno entgegennehmen
bzw. eintippen.
III. Kassiervorgang:
Beim Kassiervorgang tippt die Klägerin
die einzelnen Daten ein, die Kasse errechnet
den Endbetrag und die Klägerin nimmt
das Bargeld durch den Kunden entgegen, ermittelt
mit der Kasse den Wechselgeldbetrag
und zahlt diesen Betrag aus.
IV. Am Ende der Arbeitszeit nimmt die Klägerin
die Geldschublade und rechnet die Kasse
wie folgt ab:
- Geldbestand auf Sortenzettel eintragen,
- Leergutbons und
- Warengutschriften abrechnen.
Weiterhin: "Tageskassen-Bericht" erstellen.
Der Ist-Bestand wird durch die Klägerin
mit dem Soll-Bestand verglichen, wobei
der Soll-Bestand durch die Kassenaufsicht
ermittelt wird.
Mit der Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten für die Zeit ab 1. August 1985 Vergütung nach Beschäftigungsgruppe III/4. Tätigkeitsjahr des GTV und ab 1. August 1986 Vergütung nach Beschäftigungsgruppe III/5. Beschäftigungsjahr des GTV. Die Klägerin hat vorgetragen, sie erfülle die Tätigkeitsmerkmale der Beschäftigungsgruppe III GTV. Die Kasse, an der sie als Kassiererin eingesetzt sei, sei eine Verbrauchermarktkasse. Die Gesamtverkaufsfläche des Markts der Beklagten hat die Klägerin zunächst mit 999 qm und erstmals im Schriftsatz vom 2. April 1987 mit ca. 1047 qm angegeben. Sie hat weiter vorgetragen, der Markt befinde sich in Stadtrandlage mit guter Parkmöglichkeit. Er erfülle damit die Anforderungen, die das Bundesarbeitsgericht an den Begriff des Verbrauchermarkts stelle. Darüber hinaus erfülle sie auch das Tätigkeitsbeispiel der Beschäftigungsgruppe III GTV der Kassiererin an einer Sammelkasse. Als Sammelkasse sei eine Kasse anzusehen, bei der die Waren aus mehreren Abteilungen, auch des gesamten Einzelhandelsgeschäfts, gesammelt abgewickelt würden. Bei der gesammelten Abwicklung der Kassengeschäfte solle damit die erhöhte geistige Anspannung und die erhöhte körperliche Anstrengung, die in der Bewältigung des größeren Kundenvolumens bestehe, honoriert werden. Nach dem GTV seien alle Kassiertätigkeiten an Kassen, über die nicht nur der Umsatz der jeweiligen Abteilung bzw. des jeweiligen Verkaufsstands abgewickelt werde, in die Beschäftigungsgruppe III einzugruppieren. Im Selbstbedienungs-Warenhausbereich liege eine Sammelkasse dann vor, wenn die Waren mehrerer oder aller Produktgruppen aus Food- und Non-Food-Bereich gesammelt kassiert würden. Dies stelle für einen Kassierer eine gehobene Tätigkeit im tariflichen Sinne dar. Administrative Aufgaben seien an einer Sammelkasse nicht zu erledigen. Darüber hinaus erfülle die Klägerin auch die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale der Beschäftigungsgruppe III GTV. Denn sie übe ihre Tätigkeit selbständig im Rahmen allgemeiner Anweisungen aus. Insbesondere die ständige Veränderung von PLU-Nummern, die Notwendigkeit, alle PLU-Nummern auswendig zu kennen, falsche oder fehlende Auspreisungen von Waren zu korrigieren und die Zuordnung der Waren zur Eingabe der Mehrwertsteuer stelle eine gehobene Kassierertätigkeit dar.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin
ab 1. August 1985 in die Beschäftigungsgruppe
III/4. Tätigkeitsjahr, ab
dem 1. August 1986 in die Beschäftigungsgruppe
III/5. Tätigkeitsjahr des Tarifvertrags
über Gehälter, Löhne, Ausbildungsvergütungen
und Sozialzulagen für
die Arbeitnehmer/-innen und Auszubildenden
des Einzelhandels in Baden-Württemberg,
gültig ab 1. April 1985, einzugruppieren
und die Klägerin entsprechend
diesen Beschäftigungsgruppen zu vergüten,
2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin
für die Zeit vom 1. August 1985
bis zum 31. März 1986 an restlichem Gehalt
209,28 DM brutto nebst 4 % Zinsen
aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag
seit Klagezustellung zu bezahlen,
3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin
für die Zeit vom 1. April 1986
bis 1. August 1986 177,72 DM brutto
nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus
ergebenden Nettobetrag seit 1. August
1986 zu bezahlen,
4. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin
für den Monat August 1986 109,-DM
brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich
hieraus ergebenden Nettobetrag seit 1.
September 1986 zu bezahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, die Klägerin übe nur eine einfache Kassierertätigkeit aus und werde deshalb tarifgerecht nach Beschäftigungsgruppe II GTV vergütet. Bei der Niederlassung der Beklagten in E handele es sich nicht um einen Verbrauchermarkt im tariflichen Sinne, vielmehr sei der Betrieb in E allenfalls als Supermarkt oder Lebensmittel-SB-Markt zu qualifizieren. Insoweit sei zu beachten, daß der Anteil der Verkaufsfläche im Non-Food-Bereich nur 8 % der Gesamtverkaufsfläche betrage, während bei Verbrauchermärkten der Anteil der Non-Food-Fläche erheblich höher liege. Die Klägerin arbeite auch nicht an einer Sammelkasse, denn hierunter seien besondere Kassen in Warenhäusern zu verstehen, die oftmals auch Haupt- oder Abteilungskassen genannt würden und denen zusätzliche administrative Aufgaben übertragen seien. Schließlich übe die Klägerin auch keine selbständigen Tätigkeiten im Rahmen allgemeiner Anweisungen aus.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag mit der Maßgabe weiter, daß sie ihren Feststellungsantrag auf die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung der geforderten Vergütung für die Zeit ab 1. September 1986 beschränkt. Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage mit zutreffender und revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Begründung abgewiesen. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, der Klägerin die geforderten Differenzbeträge der Vergütung zwischen den Beschäftigungsgruppen II und III GTV für die Zeit vom 1. August 1985 bis 31. August 1986 und ab 1. September 1986 Vergütung nach Beschäftigungsgruppe III/5. Tätigkeitsjahr GTV zu zahlen. Denn die Klägerin erfüllt mit ihrer Tätigkeit kein Tätigkeitsmerkmal der Beschäftigungsgruppe III GTV.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer/-innen des Einzelhandels in Baden-Württemberg vom 1. Januar 1985 (MTV) und der Tarifvertrag über Gehälter, Löhne, Ausbildungsvergütungen und Sozialzulagen für die Arbeitnehmer/-innen und Auszubildenden des Einzelhandels in Baden-Württemberg vom 7. Mai 1985, gültig ab 1. April 1985, (GTV) kraft Allgemeinverbindlichkeit mit unmittelbarer und zwingender Wirkung Anwendung (§ 5 Abs. 4, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG). Danach ist bei der Eingruppierung der Klägerin von § 11 Ziff. 1 und 2 MTV auszugehen, die wie folgt lauten:
1. Die Angestellten werden in Beschäftigungsgruppen,
die gewerblichen Arbeitnehmer in
Lohnstufen eingereiht, die Bestandteile des
Gehalts- und Lohntarifvertrages sind.
2. Für die Einreihung des Angestellten in eine
Beschäftigungsgruppe ist ausschließlich
die Art seiner Tätigkeit entscheidend. Maßgebend
sind die jeder Gruppe vorangestellten
Tätigkeitsmerkmale.
Die bei den Beschäftigungsgruppen aufgeführten
Beispiele sind weder erschöpfend noch
für jeden Betrieb zutreffend.
Da die Klägerin im Klagezeitraum ausschließlich als Kassiererin beschäftigt war und ist, ist diese Tätigkeit für ihre Eingruppierung maßgebend (vgl. auch § 11 Ziff. 6 MTV). Danach sind für die Eingruppierung der Klägerin folgende Bestimmungen des GTV heranzuziehen:
I. Gehälter
-----------
1. Beschäftigungsgruppen
------------------------
.....
Gruppe II
---------
Tätigkeitsmerkmale:
-------------------
Einfache kaufmännische Tätigkeiten, für die
die Tätigkeitsmerkmale einer höheren Beschäftigungsgruppe
nicht zutreffen.
Beispiele:
----------
Verkäufer und Verkäuferinnen, Kassierer mit
einfacher Tätigkeit, auch an SB-Kassen. Angestellte
am Packtisch mit Kontrolltätigkeit.
.....
Gruppe III
----------
Tätigkeitsmerkmale:
-------------------
Tätigkeiten, die selbständig im Rahmen allgemeiner
Anweisungen ausgeübt werden.
Beispiele:
----------
Erste Verkäufer/innen (Lagererste). Sortimentskontrollen,
Kassierer mit gehobener Tätigkeit,
z. B. an Etagen-, Bereichs-, Regional- und Sammelkassen
sowie an Verbrauchermarkt- und sonstigen
SB-Kassen.
Kassenaufsichten.
.....
Die Klägerin übt keine Tätigkeit aus, die einem Tätigkeitsbeispiel der Beschäftigungsgruppe III GTV entspricht, das ausschließlich in dieser Beschäftigungsgruppe auftaucht, was für eine Eingruppierung nach Beschäftigungsgruppe III GTV ausreichte. Sind nämlich allgemein gefaßten Tätigkeitsmerkmalen in einer bestimmten Vergütungsgruppe (hier: Beschäftigungsgruppe) konkrete Beispiele beigefügt, sind nach der ständigen Senatsrechtsprechung die Erfordernisse der betreffenden Vergütungsgruppe regelmäßig schon dann als erfüllt anzusehen, wenn der Arbeitnehmer eine den Beispielen entsprechende Tätigkeit auszuüben hat. Auf die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale muß nur dann zurückgegriffen werden, wenn das Tätigkeitsbeispiel selbst unbestimmte Rechtsbegriffe enthält, die nicht aus sich heraus ausgelegt werden können, z. B. im vorliegenden GTV das Beispiel "Kassierer mit gehobener Tätigkeit", oder wenn dasselbe Tätigkeitsbeispiel in mehreren Beschäftigungsgruppen auftaucht und damit als Kriterium für eine bestimmte Beschäftigungsgruppe ausscheidet. Ferner sind die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale für die Eingruppierung dann maßgebend, wenn es um eine Tätigkeit geht, die in den tariflichen Tätigkeitsbeispielen nicht aufgeführt ist; aber auch hier entspricht es regelmäßig dem Willen der Tarifvertragsparteien, bei der Auslegung von unbestimmten Rechtsbegriffen in den allgemeinen Tätigkeitsmerkmalen die Tätigkeitsbeispiele als Richtlinie für die Bewertung mitzuberücksichtigen (BAGE 45, 121, 125 f. = AP Nr. 134 zu § 1 TVG Auslegung, mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
Von diesen Grundsätzen gehen auch die Tarifvertragsparteien des MTV und GTV Einzelhandel Baden-Württemberg aus, wie der Senat im einzelnen in seinem Urteil vom 8. Februar 1984 - 4 AZR 158/83 - (BAGE 45, 121, 126 f. = AP Nr. 134 zu § 1 TVG Auslegung) näher ausgeführt hat. Wenn die Beklagte gegen diese Senatsentscheidung einwendet, der Senat übersehe damit, daß nach der ausdrücklichen tariflichen Bestimmung des § 11 Ziff. 2 MTV für die Eingruppierung die jeder Gruppe vorangestellten Tätigkeitsmerkmale "maßgebend" sein sollen, so verkennt sie, daß Tätigkeiten, die den Tätigkeitsbeispielen entsprechen, nach dem Willen der Tarifvertragsparteien die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale erfüllen und damit gerade den Rechtsgrundsatz bestätigen, daß für die Einreihung die jeder Gruppe vorangestellten Tätigkeitsmerkmale maßgebend sind. Darauf hat der Senat bereits in dem angeführten Urteil vom 8. Februar 1984 (aaO) hingewiesen. Damit stimmt die Eingruppierungsregelung des MTV mit den allgemeinen Rechtsgrundsätzen bei der Auslegung von Eingruppierungsregelungen überein, die auch ohne die Regelung des § 11 Ziff. 2 MTV gelten würden. Die Regelung des § 11 Ziff. 2 MTV ist damit überflüssig, aber keineswegs sinnlos, weil sie für die Tarifunterworfenen eine Klarstellungsfunktion hat. Auch darauf hat der Senat in seinem Urteil vom 8. Februar 1984 (aaO) bereits hingewiesen. Klarstellende Regelungen sind in Tarifverträgen keineswegs ungewöhnlich, wenn z. B. Tarifnormen sonst geltende Gesetzesnormen wiederholen, und dienen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit. Dies verkennt die Beklagte, wenn sie meint, es könne nicht unterstellt werden, daß von den Tarifvertragsparteien etwas völlig Überflüssiges vereinbart wurde. Darüber hinaus haben die Tarifvertragsparteien des MTV Einzelhandel Baden-Württemberg in Kenntnis der Senatsentscheidung vom 8. Februar 1984 (aaO) den MTV vom 7. Mai 1985 abgeschlossen. Hätten sie die Tarifauslegung des Senats in seinem Urteil vom 8. Februar 1984 nicht für richtig gehalten, hatten sie Gelegenheit zur Änderung der maßgebenden Vorschrift des § 11 Ziff. 2 MTV. Da dies nicht geschehen ist, ist davon auszugehen, daß die Auslegung des Senats dem Willen der Tarifvertragsparteien des MTV 1985, der vorliegend zur Anwendung kommt, entspricht.
Entgegen ihrer Auffassung erfüllt die Klägerin mit ihrer Tätigkeit nicht das Tätigkeitsbeispiel "Kassiererin an einer Verbrauchermarktkasse" im Sinne der Beschäftigungsgruppe III GTV. Unter einem Verbrauchermarkt ist nach der Senatsrechtsprechung ein Ladengeschäft des Einzelhandels zu verstehen, das eine Verkaufsfläche von mindestens 1.000 qm aufweist, sowohl Nahrungs- und Genußmittel als auch andere Waren des kurz- und mittelfristigen Bedarfs (sogenannter Non-Food-Bereich) anbietet, vorwiegend als Selbstbedienungsladen geführt wird und verkehrsgünstig mit guter Parkmöglichkeit gelegen ist, z. B. in Stadtrandlage (BAG Urteil vom 8. Februar 1984, aaO, mit weiteren Nachweisen). Der Senat hat hierbei nicht verkannt, daß der Begriff des Verbrauchermarkts kein vorgegebener Rechtsbegriff ist und auch in den einschlägigen Fachkreisen eine übereinstimmende Vorstellung von dem Begriff des Verbrauchermarkts nicht besteht. Das kann aber auch den Tarifvertragsparteien des MTV nicht verborgen geblieben sein. Wenn sie dann gleichwohl diesen Begriff als Kriterium des GTV verwenden, muß mangels anderweitiger Anhaltspunkte davon ausgegangen werden, daß sie den Begriff so verstehen, wie er von der überwiegenden Meinung in den einschlägigen Fachkreisen verstanden wird. Andernfalls wäre die tarifliche Regelung insoweit sinnlos (BAG Urteil vom 8. Februar 1984, aaO). Es kann nicht unterstellt werden, daß die Tarifvertragsparteien etwas Sinnloses gewollt haben. Der Hinweis der Beklagten, daß in der tariflichen Praxis gelegentlich auch sinnlose Regelungen getroffen werden, ist zwar richtig. Ohne konkreten Anhaltspunkt kann aber nicht davon ausgegangen werden, daß die Tarifvertragsparteien bewußt und willentlich etwas Sinnloses vereinbaren, weil sie damit ihren eigenen Mitgliedern etwas Unerfüllbares zumuteten. Solange hinter einer tariflichen Regelung noch ein vernünftiger Sinn und Zweck erkannt werden kann und eine nähere Umschreibung eines unbestimmten Rechtsbegriffs nach den Grundsätzen der Tarifauslegung möglich ist, ist von einem entsprechenden Willen der Tarifvertragsparteien auszugehen.
Das Landesarbeitsgericht legt den zutreffenden Begriff des Verbrauchermarkts zugrunde, wie ihn der Senat in seinem Urteil vom 8. Februar 1984 (aaO) näher umschrieben hat. Es stellt fest, daß selbst nach der Behauptung der Klägerin in der ersten Instanz und in ihrer Berufungsbegründung die Verkaufsfläche des Markts der Beklagten nur 999 qm und damit weniger als 1.000 qm beträgt, während nach Angaben der Beklagten die Verkaufsfläche nur 936 qm groß ist. Damit erfüllt der Markt der Beklagten nicht die Anforderungen, die der Senat in dem angeführten Urteil vom 8. Februar 1984 aufgestellt hat. Danach muß ein Verbrauchermarkt eine Verkaufsfläche von mindestens 1.000 qm aufweisen.
Wenn diese Anforderung im vorliegenden Fall nach der Behauptung der Klägerin nur um einen Quadratmeter und damit um 0,1 % verfehlt wird, kann dies im Einzelfall für den Begriff des Verbrauchermarkts dann unschädlich sein, wenn alle übrigen typischen Merkmale eines Verbrauchermarkts eindeutig vorliegen. Das trifft jedoch im vorliegenden Fall nicht zu. Zu einem Verbrauchermarkt gehört, daß er sowohl Nahrungs- und Genußmittel als auch andere Waren des kurz- und mittelfristigen Bedarfs (Non-Food-Bereich) anbietet. Das bedeutet, daß beide Warenbereiche in einem nicht unerheblichen Umfang angeboten werden. Im vorliegenden Fall nimmt der Non-Food-Bereich nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts jedoch nur 8 % der Gesamtverkaufsfläche in Anspruch. Der Umsatz im Non-Food-Bereich beträgt sogar nach den unbestrittenen Angaben der Beklagten nur etwa 6,94 % des Gesamtumsatzes des Markts E der Beklagten. Bei einem so geringen Anteil kann nicht von einem nicht unerheblichen Umfang ausgegangen werden. Deshalb erfüllt der Markt der Beklagten in E nicht den Begriff des Verbrauchermarkts.
Damit kommt es auch nicht darauf an, ob die Verkaufsfläche des Markts der Beklagten in E 1.047 qm beträgt, wie die Klägerin zuletzt vor dem Landesarbeitsgericht behauptet hatte. Selbst wenn dies zuträfe, ist der Markt der Beklagten in E kein Verbrauchermarkt im tariflichen Sinne. Die Verfahrensrügen der Revision, das Landesarbeitsgericht habe aufklären müssen, ob die Verkaufsfläche des Markts der Beklagten in E 1.047 qm groß ist, erweisen sich daher als gegenstandslos.
Die Klägerin erfüllt auch nicht die Beispielstätigkeit der Beschäftigungsgruppe III GTV "Kassierer an Sammelkassen". Der Begriff der Sammelkasse hat in der Rechtsterminologie keinen fest umrissenen Inhalt. Auch läßt sich nicht feststellen, daß in den einschlägigen Fachkreisen eine konkrete Vorstellung über den Begriff der Sammelkasse besteht. Nur dann wäre dieser Begriff insoweit justitiabel. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist unter einer Sammelkasse eine "für alle Abteilungen in einem Warenhaus zuständige Kasse" zu verstehen, die auch als Zentralkasse bezeichnet wird (Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Bd. 5, 1983, S. 478). Das bedeutet, daß die Sammelkasse eine über die einzelne Abteilungskasse hinausgehende Kasseneinrichtung eines Warenhauses darstellt.
Berücksichtigt man den für die Tarifauslegung maßgebenden Gesamtzusammenhang der tariflichen Regelungen (BAGE 46, 308, 313 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung), ist auch danach unter einer Sammelkasse eine Kasse zu verstehen, bei der abteilungsübergreifend gegenüber anderen vorhandenen Kassen bestimmte besondere Kassenangelegenheiten erledigt werden. Hierfür gibt schon der Wortlaut des Begriffs der Sammelkasse einen Anhaltspunkt, weil damit zum Ausdruck kommt, daß an dieser Kasse im Gegensatz zu anderen Kassen etwas gesammelt wird, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausführt. Ferner wird bei den Beispielstätigkeiten der Beschäftigungsgruppe III GTV die Sammelkasse mit den Etagen-, Bereichs- und Regionalkassen auf eine Stufe gestellt. Für die Etagen-, Bereichs- und Regionalkassen ergibt sich schon aus ihrer Funktion, daß sie für den durch ihren Begriff gekennzeichneten Bereich gegenüber den sonstigen Kassen übergeordnete Aufgaben wahrzunehmen haben. Dies zwingt zu dem Schluß, daß auch die Sammelkasse solche übergeordneten Aufgaben wahrzunehmen hat, sei es z. B. - wie das Landesarbeitsgericht ausführt -, daß bei ihr die von anderen Kassen eingenommenen Beträge zusammenlaufen, sei es, daß sie im Vergleich zu den übrigen Kassen weitere und weitgehendere Funktionen hat. Eine weitergehende Begriffsbestimmung des Begriffs der Sammelkasse ist mangels konkreter Vorstellungen in den einschlägigen Fachkreisen hierzu nicht möglich. Die Auffassung der Klägerin, Sammelkassen seien Kassen, bei denen der Umsatz der Waren aus mehreren Abteilungen, auch des gesamten Einzelhandelsgeschäfts, gesammelt abgewickelt würden, läßt sich jedoch aus den dargelegten Gründen mit dem tariflichen Gesamtzusammenhang nicht vereinbaren.
Für diese Auslegung des Senats spricht ferner, daß in den Tätigkeitsbeispielen der Beschäftigungsgruppe III GTV neben den Etagen-, Bereichs-, Regional- und Sammelkassen als davon getrennter Bereich die Verbrauchermarkt- und sonstigen SB-Kassen erwähnt sind. Damit sind den Kassen mit übergeordneter Funktion andere Kassen ohne diese Funktion gegenübergestellt, die die Qualifikation einer Verbrauchermarkt- oder sonstigen SB-Kasse erfüllen müssen. Insoweit erfüllt die Klägerin mit ihrer Tätigkeit das Merkmal einer Kassiererin an SB-Kassen; denn 80 % des Umsatzes und damit der überwiegende Teil der Arbeitszeit der Klägerin (vgl. § 11 Ziff. 6 MTV) entfällt auf das Kassieren für durch Selbstbedienung erlangte Waren. Der Kassierer an SB-Kassen ist aber auch Tätigkeitsbeispiel der Beschäftigungsgruppe II GTV, so daß dieses Tätigkeitsbeispiel als Kriterium der Beschäftigungsgruppe III GTV ausscheidet und aus den tariflichen Tätigkeitsbeispielen insoweit nur gefolgert werden kann, daß der Kassierer an SB-Kassen nach dem Willen der Tarifvertragsparteien entweder in die Beschäftigungsgruppe II oder in die Beschäftigungsgruppe III GTV einzugruppieren ist (vgl. BAGE 45, 121, 126 = AP Nr. 134 zu § 1 TVG Auslegung). Das hilft im vorliegenden Fall nicht weiter. Aus den Tätigkeitsbeispielen folgt insoweit nur, daß einem Kassierer an SB-Kassen jedenfalls die Beschäftigungsgruppe III GTV nicht verschlossen ist.
Das Tätigkeitsbeispiel in der Beschäftigungsgruppe III GTV "Kassierer mit gehobener Tätigkeit" ist wegen des unbestimmten Begriffs "gehoben" nicht aus sich heraus auslegbar (BAGE 45, 121, 126 = AP Nr. 134 zu § 1 TVG Auslegung). Deshalb muß insoweit auf die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale zurückgegriffen werden, die demgemäß für die Eingruppierung der Klägerin maßgebend sind. Danach kommt es darauf an, ob die Klägerin Tätigkeiten selbständig im Rahmen allgemeiner Anweisungen ausübt. Was die Tarifvertragsparteien unter "selbständig" verstehen, haben sie nicht näher erläutert. Mangels anderweitiger tariflicher Anhaltspunkte ist deshalb vom allgemeinen, abstrakten Begriff der Selbständigkeit auszugehen. Selbständigkeit ist danach durch eine gewisse eigene Entscheidungsbefugnis über den zur Erbringung der geschuldeten Leistung jeweils einzuschlagenden Weg und zugleich auch durch eine gewisse Eigenständigkeit des Aufgabenbereichs gekennzeichnet, ohne daß dadurch die Zusammenarbeit mit anderen Bediensteten oder die Abhängigkeit von Weisungen Vorgesetzter ausgeschlossen wird (BAG Urteil vom 27. Juni 1979 - 4 AZR 867/77 -, unveröffentlicht, unter Hinweis auf BAGE 30, 281 = AP Nr. 6 zu § 1 TVG Tarifverträge: Rundfunk). Das Landesarbeitsgericht setzt sich mit dem Begriff der "Selbständigkeit" nicht im einzelnen auseinander. Aus seiner Subsumtion ergibt sich jedoch, daß es vom zutreffenden Rechtsbegriff ausgeht. Das Landesarbeitsgericht führt insoweit aus, die Klägerin habe nicht dargelegt, daß sie Tätigkeiten ausführe, die selbständig im Rahmen allgemeiner Anweisungen zu erledigen seien. Das Eintippen der Waren mit etikettiertem Preis oder mit aus einer vorgegebenen Liste zu entnehmenden Preisabrufnummern, das Eintippen der im Lebensmittelbereich anfallenden Mehrwertsteuer von 7 % oder 14 % sei ebenso wie die auszuführenden Nebenarbeiten, nämlich das Eintippen von Flaschenpfand, Warengutschriften, das Entgegennehmen von Pfandbons und Stornos sowie die am Ende der Arbeitszeit vorzunehmende Abrechnung eine kaufmännische Tätigkeit einfacher Art, die zwar insbesondere bei größerem Kundenandrang erhöhte Ansprüche an die Aufmerksamkeit und Schnelligkeit der Kassiererin, jedoch keine besonderen Anforderungen in bezug auf rechnerische oder intellektuelle Fähigkeiten stelle. Vielmehr könnten diese Aufgaben in einem überschaubaren Zeitraum angelernt werden. Insbesondere sei mit der Tätigkeit der Klägerin keine Entscheidungsbefugnis verbunden. Die Klägerin führe keine Aufgaben im Rahmen allgemeiner Anweisungen durch, die sie selbständig, d. h. eigenverantwortlich zu erledigen hätte. Weder das Kennenmüssen oder -sollen der in den vorhandenen Listen enthaltenen PLU-Nummern noch die Zuordnung der Waren oder bestimmter Rechnungsvorgänge zu bestimmten Tasten der Kasse beinhalte eine selbständige Entscheidung der Klägerin, sondern sei direkt durch vorgegebene Anweisung festgelegt. Dies gelte auch für die von der Klägerin angeführten Erschwernisse, wie z. B. die Vornahme von Kontrollen, wenn die Warenauszeichnung fehle oder falsch sei, das Nachsehen des Preises in entsprechenden Ordnern im Büro, das Nachwiegen von Obst, wenn die Kassenaufsicht nicht erreichbar sei, sowie das Abholen von Klein- oder Wechselgeld im Büro. Insoweit sei der Klägerin keine selbständige Tätigkeit im Sinne eigenverantwortlicher Erledigung übertragen. Ihre Tätigkeit umfasse die an einer von mehreren gleichartigen SB-Kassen üblicherweise anfallenden Arbeiten, nicht aber solche, die selbständig im Rahmen nur allgemeiner, d. h. nicht auf den konkreten Arbeitsablauf gerichteter Anweisungen auszuführen seien.
Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht verneint für die Tätigkeit der Klägerin eine gewisse eigene Entscheidungsbefugnis über den zur Erbringung der geschuldeten Leistung jeweils einzuschlagenden Weg. Die Aufgaben der Klägerin seien vielmehr direkt durch vorgegebene Anweisung festgelegt. Mit dieser Begründung konnte das Landesarbeitsgericht eine selbständige Tätigkeit der Klägerin verneinen. Wenn die Klägerin demgegenüber einwendet, ihr obliege eine gehobene Verantwortung, weil über ihre Kasse eine hohe Anzahl von Verkäufen abgewickelt würden und deshalb sehr viele Kassiervorgänge anfallen, so daß ihre Tätigkeit mit einer höheren Anspannung und Konzentration verbunden sei, sind das Umstände, die die Arbeit erschweren mögen, aber mit der Selbständigkeit der Tätigkeit nichts zu tun haben. Erschwerende Umstände bei der Tätigkeit werden von den Tarifvertragsparteien bei den allgemeinen Tätigkeitsmerkmalen der Beschäftigungsgruppe III GTV nicht besonders honoriert. Damit erfüllt die Klägerin unter allen rechtlichen Gesichtspunkten nicht die Merkmale der Beschäftigungsgruppe III GTV.
Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
Dr. Neumann Dr. Freitag Dr. Etzel
Koerner Dr. Apfel
Fundstellen